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15.06.2022

16:15

Gewalt in der Ukraine

Bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen droht ein Wirrwarr

Von: Jan Dirk Herbermann

Eine UN-Kommission legt erste Erkenntnisse zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine vor. Auch andere Institutionen untersuchen die Gewalt vor Ort.

Ermittler versuchen in Charkiw mutmaßliche Kriegsverbrechen aufzuklären. dpa

Ukraine-Krieg – Charkiw

Ermittler versuchen in Charkiw mutmaßliche Kriegsverbrechen aufzuklären.

Genf Verschleppungen, Hinrichtungen, Flächenbombardements: Das ganze Ausmaß der möglichen russischen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten in der Ukraine wird immer deutlicher. Eine UN-Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des norwegischen Richters Erik Møse berichtete am Mittwoch in Kiew von ihren ersten Ermittlungen in mehreren Orten der Ukraine – die Zeugenaussagen und andere Dokumente über die Grausamkeiten könnten in Kriegsverbrecherprozessen gegen russische Soldaten Verwendung finden.
Allerdings droht bei der weiteren juristischen Aufarbeitung der Gewalttaten ein Wirrwarr. Denn neben der Møse-Kommission suchen und sammeln andere internationale und nationale Kommissionen sowie die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden Indizien und Beweise für Verbrechen. Kommt es zu Rivalitäten unter den Ermittlern?

„Es besteht das Risiko einer Überlappung“, musste Møse eingestehen. Von unterschiedlichen Ermittlungsergebnissen der angetretenen Kommissionen könnten letztendlich die russischen Täter profitieren. Russlands Regierung und Armee streiten ohnehin die Verantwortung für Verbrechen kategorisch ab. Der erste russische Soldat wurde im Mai wegen der Erschießung eines Zivilisten zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die „Unabhängige internationale UN-Untersuchungskommission zur Ukraine“ unter Møse arbeitet im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates, sie soll noch zu weiteren Erkundungsmissionen in der Ukraine aufbrechen.

Im nächsten Jahr wollen die Ermittler einen Abschlussbericht vorlegen. Daneben sammelt eine UN-Beobachtermission seit 2014 Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine. Zudem begaben sich bereits Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs in das osteuropäische Land und Länder wie die USA starteten eigene Untersuchungen.

Die Ausführungen des UN-Ermittlers Møse und seiner Kollegen bestätigen die Gewissheit, dass die Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin einen unvorstellbar grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen. „In Butscha und Irpin erhielt die Kommission Informationen über die willkürliche Tötung von Zivilisten, die Zerstörung und Plünderung von Eigentum sowie über Angriffe auf zivile Infrastruktur, einschließlich Schulen”, erklärte der Kommissionsvorsitzende Erik Møse. „In den Regionen Charkiw und Sumy dokumentierte die Kommission die Zerstörung großer städtischer Gebiete.” Mutmaßlich legten die Russen die Gebiete durch Luftschläge, Raketen und Artillerie in Schutt und Asche.

Ein russischer Soldat (M) redet bei einer Gerichtsverhandlung in Kiew mit seiner Übersetzerin. dpa

Prozesse in Kiew

Ein russischer Soldat (M) redet bei einer Gerichtsverhandlung in Kiew mit seiner Übersetzerin.

Zudem hörten die Kommissionsmitglieder „schmerzhafte Erlebnisberichte“ über das Einsperren, die Misshandlung und das Verschwindenlassen von Zivilisten, Vergewaltigungen und andere Formen des sexuellen Missbrauchs. Die Ermittlerin Jasminka Džumhur äußerte sich besonders besorgt über das Schicksal vieler Kinder: Der Krieg reißt Familien auseinander, Mädchen und Jungen werden offensichtlich nach Russland verschleppt.

Wie viele Kinder Opfer dieser Entführungen geworden sind, steht nach den ersten Ermittlungen noch nicht fest. Putin ließ seine Truppen am 24. Februar in die Ukraine einmarschieren, Zehntausende Menschen wurden verletzt und getötet. Millionen Kinder, Frauen und Männer sind auf der Flucht.

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