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16.04.2021

18:36

Grüne Finanzierung

EU-Kommission klammert Gas und Atomenergie als nachhaltige Investments vorerst aus

Von: Hans-Peter Siebenhaar

Die geplante Taxonomie zum Erreichen der Klimaziele bleibt zunächst unvollständig. Das liegt auch daran, dass der Umgang mit Gas und Atomenergie in der EU heftig umstritten ist.

Atomkraftwerke wie im niedersächsischen Grohnde werden von der EU-Kommission als nachhaltige Investments vorerst ausgeklammert. dpa

Atomkraftwerk Grohnde

Atomkraftwerke wie im niedersächsischen Grohnde werden von der EU-Kommission als nachhaltige Investments vorerst ausgeklammert.

Brüssel Bereits am kommenden Mittwoch will die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein umfangreiches Paket zur nachhaltigen Finanzierung präsentieren. Die für die Taxonomie zuständige Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, Mairead McGuinness, will damit eine verlässliche Entscheidungshilfe über Richtlinien und Verordnungen bei grünen Investments schaffen. Innerhalb der Mitgliedstaaten und im Europaparlament ist das Vorhaben jedoch sehr umstritten.

Dem Vorschlag nach plant die EU-Kommission sowohl Gas als auch Atomenergie aus dem geplanten „delegierten Rechtsakt“ herauszunehmen. Das geht aus einem internen Papier der Kommission hervor, das dem Handelsblatt in Brüssel vorliegt. Bis Dezember will die Kommission dann endgültig klären, ob Erdgas und Kernenergie als nachhaltige Investments gelten können.

Die Brüsseler Exekutive will daher einen getrennten „delegierten Rechtsakt“ bis Ende des Jahres vorlegen. Damit kann aber die Taxonomie nicht wie ursprünglich geplant zum Beginn des kommenden Jahres eingeführt werden. „Solange der Energiesektor weitgehend ausgeklammert wird, bleibt die Taxonomie unfertig“, warnte der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU), finanzpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, am Freitag.

„Mit der Entscheidung, Gas und Kernenergie vorerst aus der Taxonomie auszuklammern, wird ganz klar, dass die Kommission sich verzockt hat. Die Kommission wollte den delegierten Rechtsakt im Schweinsgalopp durch die Institutionen peitschen.“ Jetzt sei klar, dass ein so kontroverses Thema wie die Taxonomie schlichtweg mehr Vorbereitungszeit und einen echten Diskurs benötige. Er hoffe, die Kommission lerne die Lektion, dass beim Thema nachhaltige Finanzierung „besser nicht mit heißer Nadel gestrickt werden sollte“.

Energiepolitischer Streit innerhalb der EU-Länder

Der künftige Umgang mit Gas und Atomenergie ist in der EU heftig umstritten. Zahlreiche osteuropäische Mitgliedstaaten setzen sich für einen liberalen Umgang mit Erdgas ein. Länder wie Tschechien, die Slowakei, aber auch Ungarn und Rumänien sind auf Gas fundamental angewiesen.

Frankreich drängt wiederum darauf, auch die Atomenergie angesichts ihrer Quasi-Emissionsfreiheit in der geplanten Taxonomie für Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Die technischen Regeln sind wichtig für die Unternehmen. In der Praxis müssten beispielsweise Kredite für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen mit weniger Eigenkapital unterlegt werden als Kredite für Unternehmen, die diese Kriterien nicht erfüllen.

Die Herausnahme von Gas und Kernenergie hat aus Sicht der Kommission den Vorteil, dass nun eine separate Diskussion über den Beitrag von Erdgas und Atomenergie stattfinden könne, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Die Mitgliedsländer hatten auf ihrem Gipfel im Dezember ausdrücklich die Rolle von Erdgas als Übergangstechnologie anerkannt.

Sie definiert im geplanten „delegierten Rechtsakt“ zur EU-Taxonomie, welche Investments im Energiesektor künftig die klimapolitischen Voraussetzungen erfüllen. Im Laufe des Junis oder Julis soll der Kriterienkatalog, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch ist, dann das EU-Parlament und den Rat passieren, wie Insider berichten.

Großer Einfluss von Klimaschützern

Die Kommission steht unter großem Druck. Doch offensichtlich ist der Einfluss von Klimaschützern mittlerweile so groß, dass in der Taxonomie nun strengste Vorgaben gemacht werden. Europaparlamentarier glauben, dass sowohl im Kreis der Staats- und Regierungschefs als auch im Europaparlament der neue Vorschlag keine Mehrheit finden könnte.

Hintergrund der Taxonomie ist das Ziel der Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen, bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität in der EU zu erreichen. Dafür ist es von größter Bedeutung, genau zu definieren, wann Investments als „grün“ und damit nachhaltig bezeichnet werden können.

Die geplante Taxonomie-Verordnung dient dazu, insbesondere dem Energiemarkt neue Regeln für Nachhaltigkeit in der Form eines „delegierten Rechtsakts“ zu geben. „Die EU-Taxonomie-Verordnung, die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen und die Benchmark-Verordnung bilden die Grundlage, um die Transparenz zu erhöhen und den Anlegern Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie nachhaltige Investitionsmöglichkeiten erkennen können“, heißt es in dem internen Papier wörtlich.

Die konservative EVP als größte Fraktion im Europaparlament tritt dafür ein, Erdgas als Brückentechnologie weiter zu fördern und Wasserstoff im Vergleich zu Solar- und Windenergie über die Taxonomie nicht zu benachteiligen. Einen entsprechenden Brief hatten die Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe bereits im März an von der Leyen geschickt.

Gaskraftwerke müssten zumindest für eine Übergangszeit zu einer sicheren und bezahlbaren Stromversorgung beitragen. „Während die Coronakrise alles überschattet, nutzen Teile der EU-Kommission die Gunst der Stunde, ihre klimapolitische Ideologie durchzusetzen“, sagte der Energieexperte der EVP-Fraktion, Markus Pieper, in dieser Woche. „Wir werden um Wasserstoff aus Erdgas und Kernkraft nicht herumkommen. Das muss die geplante Taxonomie berücksichtigen“, fordert Pieper, zugleich parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe.

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