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23.06.2022

20:26

Handelsabkommen

Ampelkoalition will Ceta ratifizieren – wenn EU und Kanada mitspielen

Von: Julian Olk

Nach jahrelangem Streit will die Regierungskoalition das europäisch-kanadische Abkommen unterzeichnen. Doch erst muss mit Brüssel und Kanada verhandelt werden.

Das Abkommen dient dazu, Zollabgaben beim gegenseitigen Handel für europäische und kanadische Firmen weitgehend abzuschaffen. AFP

Proteste gegen Ceta im Jahr 2017

Das Abkommen dient dazu, Zollabgaben beim gegenseitigen Handel für europäische und kanadische Firmen weitgehend abzuschaffen.

Berlin Die Ampelkoalition hat über Monate gerungen, was aus dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta wird. Jetzt, am späten Donnerstag, haben SPD, Grüne und FDP eine Einigung präsentiert. Die Ampel will vor der Sommerpause die Ratifizierung des europäisch-kanadischen Handelsabkommens auf den Weg bringen. Noch im Herbst könnte das Abkommen ratifiziert werden.

Ceta ist seit fast fünf Jahren vorläufig in Kraft. Für eine vollständige Umsetzung müssen es allerdings die nationalen Parlamente ratifizieren. Schon die Große Koalition konnte sich darauf in der vergangenen Legislaturperiode nicht einigen. Passagen zum Investitionsschutz und zu Schiedsgerichten in dem Vertrag sind äußerst umstritten. In der neuen Bundesregierung stellten sich die Grünen bislang strikt gegen die Ratifizierung, während SPD und FDP das Abkommen unterzeichnen wollten.

Der nun gefundene Kompromiss ist deshalb auch nicht ganz simpel. Die Einigung sieht vor, Ceta um Zusatzerklärungen zu den umstrittenen Paragrafen zu ergänzen. Die Grünen hatten eigentlich eine Änderung des Ceta-Vertrags selbst gefordert. Das galt allerdings als ausgeschlossen, weil jahrelange Nachverhandlungen die Folge gewesen wären. Es sei wichtig, nichts mehr am Vertragstext ändern zu müssen, erklärte SPD-Fraktionsvizin Verena Hubertz am Donnerstag.

Stattdessen sollen die Interpretationserklärungen die Umsetzung der umstrittenen Vertragsteile weitmöglich einschränken. Erst wenn die Erklärungen amtlich sind, soll das Ratifizierungsverfahren in Deutschland zu Ende gebracht werden. Zu den Regelungen, die erst nach Ratifizierung durch alle Staaten in Kraft treten, gehören unter anderem die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten durch ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht.

Die Erklärungen muss die EU-Kommission mit Kanada einen. Dafür ist im Herbst eine Sitzung des sogenannten „gemeinsamen Komitees“ anberaumt. Im Vorfeld muss die EU sich darüber einigen, welche Erklärungen sie einbringen will. Anders als bei Änderungen am Vertragstext braucht es dafür aber nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten.

Heftiges Ringen um Ceta nimmt vorläufiges Ende

„Die unterschiedlichen Seiten stehen den von uns gewünschten Erklärungen konstruktiv gegenüber, insbesondere Kanada“, sagte Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, dem Handelsblatt. Sie sei zuversichtlich: „Die Einigung wird kommen, und damit können wir dann Ceta schnell ratifizieren.“

Damit nimmt ein heftiges Ringen um Ceta in der Ampel sein vorläufiges Ende. Manch ein Ampelabgeordneter sah in Ceta schon ein Thema, das die gesamte Koalition hätte ins Wanken bringen können. Bis auf die letzte Sekunde sei um jedes Wort des Kompromisspapiers gerungen worden, hieß es aus Koalitionskreisen.

Wirtschaftspolitiker der Regierungsfraktionen beschrieben die Verhandlungen in den vergangenen Wochen immer wieder als aufgeheizt. Während die Grünen sich querstellten, machte insbesondere die FDP Druck. Sie hatte die Union im Nacken sitzen. Die Liberalen hatten in ihrer Oppositionszeit die CDU/CSU immer wieder mit Anträgen vor sich hergetrieben, Ceta zu ratifizieren, was diese aufgrund der Blockade der SPD aber nicht konnte.

Nach der Regierungsbildung der Ampel drehte die Union den Spieß um, brachte diverse Anträge zur Ratifizierung ein und tadelte immer wieder die FDP, dass auch unter ihr nichts voranginge. Fast jede Woche sollen die liberalen Wirtschaftspolitiker bei ihren grünen Kolleginnen und Kollegen angerufen haben, ob man sich denn nun endlich mal bewegen würde.

Die Fraktionschefinnen der Grünen und der Wirtschaftsminister mussten auch intern bei Ceta einiges klären. Imago Images

Katharina Dröge (l.), Britta Haßelmann, Robert Habeck

Die Fraktionschefinnen der Grünen und der Wirtschaftsminister mussten auch intern bei Ceta einiges klären.

FDP-Fraktionschef Dürr sprach bei der Vorstellung des Kompromisses von einem „guten Tag“. Dürr sagte: „Wenn wir es nicht mit Kanada hinbekommen, mit wem denn dann?“ Die Entscheidung aus Deutschland sei auch ein wichtiges Signal an die Länder, die bei Ceta bisher noch zögerten. Derzeit haben 15 EU-Staaten Ceta ratifiziert, in zwölf Ländern steht die Ratifizierung noch aus.

Ceta-Ergänzungen rechtlich bindend

Der erzielte Kompromiss kann losgelöst als Teilniederlage für die Grünen betrachtet werden. Die Partei hatte vor ihrer Regierungszeit Beschlüsse gefasst, Ceta in seiner vorliegenden Form nicht zu ratifizieren, was sie jetzt grundsätzlich aber doch tun will. Während der Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP war das Abkommen nach übereinstimmenden Aussagen von Teilnehmern das „heftigst umstrittene Thema in der Arbeitsgruppe Wirtschaft“.

Die Formulierung im Koalitionsvertrag war von den Chefverhandlern um den heutigen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) getroffen worden – ohne eine klare Entscheidung zur Ratifizierung zu beinhalten.

Noch vor zwei Wochen hatte Brantner dem Handelsblatt zu Ceta gesagt, die Ratifizierung sei nicht „das Entscheidende“. Und insbesondere die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge, die dem linken Flügel der Partei angehört, stellte sich seit Jahren vehement gegen die Ratifizierung.

„Natürlich hätten wir Grünen noch mehr Änderungen sinnvoll gefunden“, sagte Dröge nun im Anschluss der Einigung dem Handelsblatt. Aber weil die Ratifizierung so weit vorangeschritten sei, wäre eine Änderung am Vertragstext schwierig gewesen. „Deshalb ist es sehr gut, dass wir einen Weg gefunden haben, noch deutliche Verbesserungen an CETA umzusetzen, ohne die Ratifizierung zu stoppen“, erklärte Dröge.

Und Brantner betonte: „Unser Parteitagsbeschluss sah zwar direkte Änderungen am Vertragstext vor.“ Aber mit den Erklärungen erfülle die Koalition inhaltlich genau diese Punkte. Denn diese seien rechtlich bindend.

Allen voran aber haben SPD und FDP den Grünen noch zusätzliche Maßnahmen zugestanden. Insbesondere will die Ampel auf die aktuellen Verhandlungen um die internationale Energiecharta einwirken und deutlich klarere Klimaschutzziele erreichen. Sollten diese nicht durchgesetzt werden, sollen „entsprechende Konsequenzen“ gezogen werden – womit ein Austritt aus dem Charta-Vertrag gemeint sein dürfte. „Der Vertrag kann nicht so bleiben“, sagte Dröge.

Zudem haben sich die Ampelfraktionen auf eine gemeinsame „Handelsagenda“ verständigt. Sie sieht unter anderem ein Bekenntnis zum „freien und fairen Welthandel“ vor und eine Ausrichtung am Pariser Klimavertrag und den UN-Nachhaltigkeitszielen. Bei EU-Handelsverträgen sollen Klima- und Arbeitnehmerrechte eine wichtige Rolle spielen.

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