PremiumDie EU will Exporte von Astra-Zeneca-Impfstoff erst wieder erlauben, wenn der Hersteller seine Lieferzusagen an Europa einhält. Davon ist das Unternehmen weit entfernt.
Ursula von der Leyen
Die EU-Kommissionschefin nimmt Astra-Zeneca härter in die Plicht, seine Impfstoffzusagen einzuhalten.
Bild: AP
Brüssel Der Pharmakonzern Astra-Zeneca muss sich darauf einstellen, vorerst keine Impfstoffe mehr aus seinen europäischen Werken nach Großbritannien exportieren zu können. „Unternehmen müssen ihren Vertrag mit der Europäischen Union einhalten, bevor sie in andere Regionen der Welt exportieren“, sagte EU-Kommissionschefin von der Leyen am Donnerstagabend nach einem virtuellen Gipfeltreffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs. Dies gelte selbstverständlich für Astra-Zeneca.
Auch die Staats- und Regierungschefs der EU stellten sich hinter „die Nutzung von Ausfuhrkontrollen“. Zwar hoben sie einerseits „die Bedeutung globaler Wertschöpfungsketten“ hervor. Andererseits bekräftigten sie aber, dass Unternehmen „vertragliche Lieferfristen einhalten müssen“.
In der Gipfel-Erklärung der EU-Staaten heißt es: „Die Beschleunigung der Produktion, der Lieferung und des Einsatzes von Impfstoffen ist nach wie vor wichtig und dringend erforderlich, um die Krise zu überwinden. Die diesbezüglichen Bemühungen müssen weiter intensiviert werden.“
Die Europäer seien stolz darauf, eine offene Wirtschaft zu haben, betonte von der Leyen. Doch das dürfe nicht auf Kosten der Versorgungssicherheit gehen: „Wir wollen den Europäern versichern, dass sie ihren fairen Anteil bekommen“, sagte die Kommissionschefin.
Die Lieferschwierigkeiten von Astra-Zeneca haben die Impfkampagnen der EU-Staaten zurückgeworfen. Das Unternehmen hatte der EU bis Ende März 120 Millionen Dosen zugesagt, ausgeliefert wurden bisher aber weniger als 20 Millionen. Dennoch erneuerte von der Leyen ihr Versprechen, dass 70 Prozent der EU-Bürger bis zum Ende des Sommers geimpft sind. Der Grund dafür ist, dass andere Impfstoff-Produzenten ihre Lieferzusagen einhalten oder sogar übertreffen. Von der Leyen nannte Biontech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson.
Dagegen rechnet die EU damit, dass Astra-Zeneca seine vertraglich eingegangenen Lieferziele auch im zweiten Quartal verfehlt. Es gebe „Probleme mit einer Firma“, bestätigte EU-Ratspräsident Charles Michel. Zum dubiosen Fall der in einem italienischen Abfüllwerk gefundenen 29 Millionen Astra-Zeneca-Dosen erklärte von der Leyen, das Unternehmen habe versichert, dass 13 Millionen Dosen an die internationale Impfallianz Covax gehen sollen und 16 Millionen an die EU-Staaten.
Es sei wichtig, dass diese Dosen nun auch ausgeliefert würden, mahnte von der Leyen. Das Misstrauen gegen Astra-Zeneca ist groß in Brüssel. Die Dosen für Covax will die EU aber nicht blockieren, da die Pandemie auch in Entwicklungsländern bekämpft werden müsse.
Nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel will die EU am festgelegten Schlüssel für die Verteilung des Corona-Impfstoffs auf die Mitgliedstaaten prinzipiell festhalten. Zugleich wolle man aber auch „solidarische Mechanismen anwenden“, sagte die CDU-Politikerin. Österreich und fünf weitere EU-Staaten hatten zuvor eine ungleiche Verteilung der Impfstoffe in der EU beklagt. Merkel sagte nach dem Gipfel, der Rat der Botschafter sei nach langen Diskussionen im Kreis der Staats- und Regierungschefs beauftragt worden, eine „faire Lösung im Rahmen der Solidarität“ zu finden.
Der erst diese Woche verschärfte Mechanismus für Exportkontrollen hat sich aus Sicht der EU-Kommission bewährt. „Wir wollten Transparenz“, diese habe man jetzt, sagte von der Leyen. Seit Dezember sind nach Angaben der Kommission insgesamt 77 Millionen Impfdosen aus der EU ausgeführt worden, 21 Millionen davon nach Großbritannien.
Astra-Zeneca soll eine Millionen Dosen aus der EU auf die Insel gebracht haben, bevor Ende Januar die Exportkontrollen in Kraft traten. Von größerer Bedeutung für das britische Impfprogramm sind Lieferungen von Biontech/Pfizer. Eine Beschränkung dieser Exporte gilt in Brüssel aber als unwahrscheinlich, da der Hersteller - anders als Astra-Zeneca - seine Lieferverpflichtungen gegenüber der EU einhält.
Aus Sicht der Europäer ist klar: Keine andere Region der Welt exportiert so viel Impfstoff wie Europa. Von der Leyen bezeichnete das als Einladung an andere, genauso offen zu sein wie die EU. Nur will dem europäischen Beispiel bisher niemand so recht folgen, weder Briten noch Amerikaner.
Immerhin: Zum ersten Mal seit 11 Jahren nahm wieder ein US-Präsident an der Sitzung des EU-Rats teil. Joe Biden ließ sich aus dem Weißen Haus zuschalten. Biden sprach über die Pandemie und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit. Doch bei der Impfstoff-Verteilung zeigen sich die Amerikaner ähnlich zurückhaltend wie die Briten. Darin sehen manche Europäer eine Fortsetzung der America-First-Politik von Ex-Präsident Donald Trump.
Tatsache ist: Fabriken in den USA beliefern fast ausschließlich den amerikanischen Markt – und zwar in großen Mengen. Mit Mängeln wie in Europa hat Biden nicht zu kämpfen. Gerade erst hat er ein neues Ziel ausgegeben: 200 Millionen Impfungen in seinen ersten 100 Tagen im Amt. Davon sind die Europäer weit entfernt. Bisher wurden nach Angaben der Kommission in der EU 88 Millionen Dosen ausgeliefert und 62 Millionen verimpft.
Aus dem EU-Parlament kommt Kritik am Verhalten der USA: „Wir sind alle froh, dass Joe Biden ins Weiße Haus eingezogen ist, aber wenn er sich in der Frage der Impfstoffversorgung wie Donald Trump verhält, dann muss er dafür kritisiert werden“, sagt der EU-Abgeordnete Liese (CDU).
Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete den Austausch mit Biden als wichtigen Schritt zur Normalisierung des Verhältnisses zwischen Europa und den USA. „Es war heute ein erstes Kennenlernen, aber eine Geste, die sehr, sehr wichtig war und bedeutet hat, dass wir wieder enger im Gespräch sind“, sagte Merkel. Es gebe eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten zwischen der EU und den USA, die man wieder mehr pflegen wolle.
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