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18.03.2023

15:15

Indo-Pazifik-Strategie

Rohstoffe und Rüstung: Deutschland und Japan rücken zusammen

Von: Martin Kölling

Russlands Angriff auf die Ukraine und Chinas Aufrüstung machen Deutschland und Japan zu Partnern. Das wurde bei den ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen deutlich.

Der Bundeskanzler will die Beziehungen mit Japan auf eine neue Ebene heben. dpa

Olaf Scholz mit Fumio Kishida, Ministerpräsident von Japan

Der Bundeskanzler will die Beziehungen mit Japan auf eine neue Ebene heben.

Tokio Deutschland und Japan wollen bei der Rohstoffbeschaffung und auch in Rüstungsfragen enger zusammenarbeiten. Das sind zwei Ergebnisse der ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen, zu denen Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag mit sechs Ministern nach Tokio geflogen ist. Darunter waren Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock.

Scholz und sein Gastgeber, der japanische Premierminister Fumio Kishida, kündigten zum einen den Ausbau der Zusammenarbeit zwischen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und der japanischen Organisation für Öl, Gas und Metalle (Jogmec) an. Gemeinsame Investitionen deutscher und japanischer Unternehmen in Rohstoffquellen seien eine Richtung, in die man denke, sagte Scholz.

Auch im Rüstungsbereich sehen beide Regierungen offenbar Potenzial. Scholz sprach von einer Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie. „Das ist alles etwas, was mit harten Fakten zu tun hat, die produziert werden müssen“, sagte Scholz. Deutlicher wurde Verteidigungsminister Boris Pistorius in einem kurzen Pressegespräch.

Beide Seiten hätten darüber gesprochen, welche Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit in den nächsten Monaten und Jahren ausgelotet werden sollten, sagte Pistorius. „Die Chancen liegen auf der Hand.“ Die Japaner wollten ihren Verteidigungshaushalt in den nächsten fünf Jahren verdoppeln, Deutschland habe das Sondervermögen, um den Rüstungshaushalt aufzustocken.

Daraus ergäben sich neue Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit in Übungsfragen, „möglicherweise aber auch in Rüstungsfragen“, so der Verteidigungsminister. „Natürlich ist Japan als starke Marinenation auch für uns ein interessanter Partner.“ Konkret nannte er U-Boot-Antriebe. Es gebe aber noch keine Pläne, die Gespräche hätten gerade erst begonnen.

Japan ist strategischer Partner Deutschlands in der Indo-Pazifik-Strategie

Beide Punkte verdeutlichen die strategische Wende in der deutschen Asienpolitik, die Scholz seit seinem Amtsantritt vollzogen hat. Seine erste Asienreise im vergangenen Jahr führte ihn nicht zu Deutschlands wichtigstem Wirtschaftspartner China, sondern zum dortigen Rivalen und US-Verbündeten Japan.

Nun ist er zurück. „Es ist schön, wieder in Tokio zu sein“, sagte er zu seinem Gastgeber, dem japanischen Regierungschef Fumio Kishida. „Heute heben wir unsere guten Beziehungen auf eine neue Ebene.“ Regierungskonsultationen will diese Bundesregierung nur mit engen strategischen Partnern durchführen. Japan war den drei Koalitionspartnern so wichtig, dass dieser Punkt sogar in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.

Regierungskonsulationen

Deutschland und Japan wollen enger zusammenrücken

Regierungskonsulationen: Deutschland und Japan wollen enger zusammenrücken

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Japan gilt nicht nur als Wertepartner im Indopazifik, mit dem Deutschland Frieden, freien Handel und ungehinderte Schifffahrt in dieser wichtigen Wirtschaftsregion sichern will. Für Scholz ist Japan auch ein Partner in Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit. Japan verfolge in der Frage der Rohstoffsicherung „seit langem einen strategischen Ansatz“, sagte Scholz vor seiner Abreise dem Handelsblatt. „Ich bin überzeugt, dass wir davon viel lernen können.“

Tatsächlich war die wirtschaftliche Sicherheit, die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten und Energieträgern eines der Hauptthemen, über die Minister und Unternehmensvertreter beider Länder diskutierten. Doch nur ein Sorgenkind wurde öffentlich beim Namen genannt: Russland. China aber sei der Elefant im Raum gewesen, hieß es in der Wirtschaftsdelegation hinter vorgehaltener Hand.

Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine hätten uns vor Augen geführt, was Abhängigkeiten von einzelnen Ländern bedeuten, erklärte Scholz. Beide Exportnationen stehen dabei vor einer großen gemeinsamen Herausforderung: China kontrolliert wichtige Rohstoffe und deren Verarbeitung sowie viele wichtige Produkte und Komponenten, die gerade für die Energiewende und die Elektromobilität gebraucht würden.

Japan ist Vorreiter bei wirtschaftlicher Sicherheit

Japan ist vielen Ländern bei der Diversifizierung von Energiequellen, Lieferketten und Märkten voraus. Regierung und Privatwirtschaft, allen voran die großen Handelshäuser, arbeiten seit Jahrzehnten eng zusammen, um Rohstoffquellen für Japan zu sichern. Zu Beginn der Pandemie war Tokio dann das erste Land, das die Verlagerung von Lieferketten aus China in andere asiatische Länder subventionierte.

Später folgten ein Ministerium für wirtschaftliche Sicherheit sowie eine Vielzahl von Rohstoff- und Lieferkettenabkommen mit Partnern wie den USA – und eben die deutsch-japanischen Regierungskonsultationen. Auch die Wirtschaft zog nach: Der japanische Technologiekonzern Mitsubishi Electric, einer der Teilnehmer am Wirtschaftsdialog der Konsultationen, richtete als erster in Japan eine eigene Abteilung für Wirtschaftssicherheit ein.

Diese analysiert nicht nur die politische Lage, sondern sucht auch nach Engpässen in den Lieferketten für Rohstoffe, Materialien und Produkte sowie nach Möglichkeiten, Bezugsquellen und Märkte zu diversifizieren.

Im Mittelpunkt der Gespräche standen wirtschaftliche Sicherheit und Sicherheitspolitik. IMAGO/ZUMA Wire

Die ersten deutsch-japanischen Regierungskoalitionen

Im Mittelpunkt der Gespräche standen wirtschaftliche Sicherheit und Sicherheitspolitik.

Beide Länder wollen nun auch zusammenarbeiten, um Abhängigkeiten zu verringern. Dazu arbeiten sie bereits im Rahmen der G7 zusammen. Die Gruppe der sieben führenden Industrienationen und der Europäischen Union hat im vergangenen Jahr unter deutscher Präsidentschaft die „Partnerschaft für globale Infrastrukturinvestitionen“ beschlossen.

Damit wollen die Industrieländer Investitionen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar für Rohstoffländer mobilisieren, damit diese ihre Bodenschätze selbst verarbeiten und exportieren können. Japan hat in diesem Jahr die G7-Präsidentschaft inne und will das Thema beim diesjährigen G7-Gipfel im Mai in Kishidas Heimatstadt Hiroshima weiter vorantreiben.

Einige Unternehmensvertreter äußerten nun beim Wirtschaftsdialog die Erwartung, dass die deutsche und die japanische Regierung gemeinsame Regeln für die Konzentration von Lieferketten zwischen befreundeten Nationen aufstellen.

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