Auf dem Gipfeltreffen mit dem Subkontinent im Mai soll es um eine stärkere Zusammenarbeit gehen. Jedoch gibt es Zweifel, ob sich die hohen Erwartungen an Indien erfüllen werden.
Narendra Modi
Der indische Premier wird von der EU für engere Beziehungen umworben. Doch Modi ist kein einfacher Verhandlungspartner.
Bild: AFP
Brüssel Die EU setzt in Asien auf eine stärkere Partnerschaft mit Indien. Der Auswärtige Ausschuss des Europaparlaments hat mit überwältigender Mehrheit einen entsprechenden Bericht angenommen: Bei 61 Ja-Stimmen gab es sechs Gegenstimmen und vier Enthaltungen.
Das Vorhaben wird von allen großen Fraktionen im Europarlament – von der EVP über die Sozialdemokraten und Liberalen bis zu den Grünen – unterstützt. Damit haben die Staats- und Regierungschefs für den geplanten EU-Gipfel am 8. Mai in Porto eine breite Unterstützung für die Gespräche mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi.
„Als die größte Demokratie in der komplexen Landschaft ist Indien für die EU ein natürlicher Partner, mit Blick auf eine regelbasierte multilaterale Zusammenarbeit. Indiens regionale und globale Bedeutung nimmt zu“, sagte David McAllister (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, dem Handelsblatt am Mittwoch.
„Es geht auch darum, unsere Kooperation bei der maritimen Sicherheit und den Verkehrsverbindungen zu verbessern“, verlangt der CDU-Politiker. Die EU will auch Verkehrsverbindungen zwischen Europa und dem Subkontinent ausbauen. Vorbild ist dafür die sogenannte Seidenstraße Chinas nach Europa.
Die Europaabgeordneten fordern ein deutlich verstärktes politisches Engagement zum Ausbau der Beziehungen mit Indien. „Um unser Potenzial auszuschöpfen, müssen wir ehrgeiziger in unserer Zusammenarbeit bei der Verhinderung von Klimakrisen, der Förderung von Menschenrechten, dem Aufbau von Konnektivität, nachhaltigem Handel und der Verteidigung einer multilateralen internationalen Ordnung sein“, sagte die zuständige Berichterstatterin und EU-Abgeordnete Alviina Alametsä (Grüne) nach der Abstimmung in Brüssel.
Der Bericht befürwortet insbesondere engere Handelsbeziehungen auf der Grundlage der gemeinsamen Werte. Die EU wird noch in diesem Jahr eine eigene Indo-Pazifik-Strategie vorlegen. Einige Mitgliedstaaten wie die Niederlande, Frankreich und Deutschland haben das bereits getan. „Indien ist ein relevanter Partner, und wir müssen Indien stärker in die globale Architektur einbeziehen“, sagte Bernd Lange (SPD), Europaabgeordneter und Vorsitzender des handelspolitischen Ausschusses, dem Handelsblatt.
„Bei den bilateralen Handelsbeziehungen gibt es ein großes ungenutztes Potenzial. Dieses Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs mit Modi bietet die Gelegenheit, um die Weichen für eine vertiefte Zusammenarbeit zu stellen“, sagte McAllister am Mittwoch. Bereits im Februar gab es hochrangige Handelsgespräche.
Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt bereits eine engere Partnerschaft mit Indien gefordert. „Beim EU-Indien-Gipfel im Mai wollen wir eine Konnektivitätspartnerschaft mit Neu-Delhi ins Leben rufen, die indische und europäische Digitalwirtschaften noch enger vernetzt“, kündigte Maas an.
Ob sich die hohen Erwartungen an Indien erfüllen werden, ist allerdings zweifelhaft. „Trotz enger Handelsbeziehungen gibt es noch zahlreiche Barrieren. Es ist im beiderseitigen Interesse, Fortschritte bei fairen Investitionsbedingungen und Marktzugängen zu machen“, sagte McAllister. Die indische Regierung unter Premier Modi schottet den riesigen Heimatmarkt bisher konsequent ab.
Die Beziehungen zwischen Indien und der EU sind also nicht konfliktfrei. Probleme bereiten dem Europaparlament unterdessen die Menschenrechtsverletzungen in Indien sowie die drohende Eskalation im Kaschmirkonflikt. Die Abgeordneten fordern die EU auf, ihre Bemühungen um eine Wiederherstellung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen Indien und Pakistan auf der Grundlage des Völkerrechts zu verstärken. Außerdem sorgen sich die EU-Abgeordneten über die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Indien und China.
Hintergrund des starken Interesses an Indien ist das sich eintrübende Verhältnis zu China. Brüssel will sich künftig unabhängiger von Peking machen und seine Asienpolitik neu ausrichten.
„Indien rückt natürlich aufgrund der Schwierigkeit mit China mehr in den Fokus. Wir sollten den Dialog mit Indien auch verstärken“, sagte Handelsexperte Lange. Wegen unterschiedlicher Auffassungen in Menschenrechtsfragen ist das Verhältnis zu China schwer beschädigt.
Im März hatte die EU zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten wieder Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt. Ob das Ende Dezember ausgehandelte Investitionsschutzabkommen mit China überhaupt in Kraft treten wird, steht daher in den Sternen. Auch im Europaparlament ist der Widerstand gegen das umfangreiche Vertragswerk, das von der europäischen Wirtschaft begrüßt wurde, weiterhin groß.
In den Gesprächen mit Neu-Delhi ist nach Meinung von Insidern von Vorteil, dass die EU mit Indien im Gegensatz zu China ideologisch keine Konfliktpunkte hat. Deshalb ist der Optimismus in Brüssel groß, die strategische Partnerschaft auf Grundlage gemeinsamer Werte und Interessen auszubauen.
In Form der im Juli vergangenen Jahres zwischen Brüssel und Neu-Delhi beschlossenen „EU-India Roadmap 2025“ gibt es aus der Sicht der Europaabgeordneten eine solide Grundlage für den Ausbau der Beziehungen. „Dieses positive Momentum sollte auf dem EU-Indien-Gipfel am 8. Mai in Porto genutzt werden, um weitere wichtige Weichen zu stellen“, sagte McAllister.
Indien blieb im November vergangenen Jahres dem neuen Freihandelsabkommen RCEP zwischen China und zahlreichen asiatischen Ländern wie Japan oder Neuseeland fern. Indiens Regierungschef Narendra Modi kritisierte, dass es in dem Abkommen zu wenig Fortschritt beim Abbau von nicht tarifären Handelshemmnissen in China gebe, die dort indischen Unternehmen das Leben schwer machen.
Engere Beziehungen zu Indien gehören auch zu den Zielen der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft. „Wir wollen eine konstruktive Atmosphäre für die schwierigen handelspolitischen Gespräche schaffen“, sagte der portugiesische Außenminister Santos Silva zuletzt dem Handelsblatt.
Für die geplante Annäherung zwischen der EU und Indien sieht sich Portugal als guter Vermittler. Portugiesische Seefahrer waren im 15. Jahrhundert die ersten Europäer, die Indien mit dem Schiff erreichten. Rund 450 Jahre besaß Portugal mit Goa einen wichtigen Handelsstützpunkt in Indien.
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