In Israel löst der Eklat in Berlin einen innenpolitischen Streit aus und wird zum Wahlkampfthema. Der Bundeskanzler telefoniert zugleich mit dem israelischen Regierungschef.
Mahmud Abbas, Olaf Scholz
Eklat in Berlin.
Bild: Stefan Boness/Ipon
Tel Aviv Nach dem Eklat wegen der Holocaust-Äußerung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid telefoniert. Die Äußerungen von Abbas im Kanzleramt seien „für ihn persönlich und die gesamte Bundesregierung unerträglich und völlig inakzeptabel“, sagte Scholz.
Er verurteile jeden Versuch scharf, den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren. Jede Bundesregierung habe die Verantwortung, die Erinnerung an den Zivilisationsbruch der Shoah wachzuhalten. Lapid und Scholz vereinbarten den Angaben zufolge ein baldiges Treffen in Berlin.
Abbas hatte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz am Dienstag in Berlin gesagt, Israel sei für „50 Holocausts“ an den Palästinensern verantwortlich. Scholz hatte diese Behauptung unwidersprochen im Raum stehen lassen. Erst Stunden später verurteilte er die Abbas-Äußerung in einem Tweet.
Während der Pressekonferenz hatte sich der Kanzler lediglich von einem von Abbas vorgetragenen Apartheid-Vorwurf gegen Israel distanziert und gleichzeitig Wahlen in den Palästinensergebieten angemahnt.
Dass der Bundeskanzler nicht sofort und spontan auf die Holocaust-Relativierung des Palästinenserpräsidenten reagiert hat, wird im offiziellen Jerusalem heruntergespielt. Es sei immerhin schön, dass er den Vergleich verurteilt habe, wenn auch mit einer Verspätung von mehreren Stunden, meint ein israelischer Diplomat.
In den Medien wird Scholz hingegen scharf kritisiert. Er habe bei seiner jüngsten Bewährungsprobe „kläglich versagt“, schreibt zum Beispiel die Zeitung „Haaretz“. Und das Massenblatt „Yedioth Achronot“ titelte am Donnerstag: „Abbas verbreitet Gift, Europa finanziert.“
Damit spielt die Zeitung auf die europäischen Hilfsgelder an, die aus israelischer Sicht palästinensischen Terroristen und palästinensischen Schulbüchern mit antisemitischen Darstellungen zugutekommen.
Im Zentrum der israelischen Kritik steht allerdings nicht Scholz, sondern Abbas. Der amtierende Ministerpräsident Lapid nannte die Behauptung des palästinensischen Präsidenten, Israel habe 50 Holocausts begangen, nicht nur „eine moralische Schande, sondern auch eine ungeheuerliche Lüge“.
Verteidigungsminister Benny Gantz bezeichnete Abbas’ Worte als „verachtenswert und falsch“. Seine Aussage sei ein Versuch, „die Geschichte zu verzerren und umzuschreiben“.
Mit seiner Relativierung des Holocausts hat Abbas zudem eine innerisraelische Kontroverse ausgelöst. Im Zentrum steht Gantz, weil er sich im Juli mit Abbas getroffen hatte, um mit ihm Sicherheitsfragen zu koordinieren. Das mache man eben nicht mit „Mutter Teresa“, verteidigt sich Gantz gegen den Vorwurf, mit einem Holocaust-Leugner verhandelt zu haben.
Für den ehemaligen Premier und Oppositionsführer Benjamin Netanjahu ist die Holocaust-Relativierung eine Steilvorlage im Wahlkampf. Er forderte Gantz und Lapid auf, „sich nicht länger bei diesem Holocaust-Leugner einzuschleimen“.
Netanjahu behauptete, dass eine Isolierung des Palästinenserführers in seiner Regierungszeit erfolgreich gewesen sei und zu vier historischen Friedensabkommen mit arabischen Staaten geführt habe. Damit bezog er sich auf Abkommen, die diplomatische Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko begründeten und zum Sudan einleiteten.
Dass die Abbas-Aussage innenpolitisch benutzt werde, um auf Stimmenfang zu gehen, kritisierte Dani Dayan, der Vorsitzende der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Er warf den Politikern vor, die Kontroverse zu nutzen, um sich zu profilieren.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist derzeit durch eine andere Kontoverse bereits belastet. Dabei geht es um die Gedenkfeier für die elf israelischen Sportler, die bei den Olympischen Spielen 1972 in München vor 50 Jahren von palästinensischen Terroristen ermordet wurden.
Die Angehörigen der Opfer wollen die Gedenkfeier wegen eines Streits um Entschädigungen boykottieren. Sie bezeichnen die von Deutschland in Aussicht gestellte Summe als „beleidigend“.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwäge, nach Israel zu fliegen, um die Familien der Opfer des Münchener Massakers davon zu überzeugen, an den Gedenkfeiern in Deutschland teilzunehmen, berichten israelische Medien. Mit seiner Reise hoffe er die Angehörigen der Terroropfer und offizielle Vertreter Israels zur Teilnahme an der Gedenkfeier bewegen zu können, die für den 5. September in München geplant ist.
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