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14.03.2022

19:11

Kanzler in Ankara

„Waffenstillstand so schnell wie möglich“ – Scholz und Erdogan bemühen sich um Schulterschluss

Von: Ozan Demircan

Beim Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in der türkischen Hauptstadt wollen beide Seiten keinen Zweifel an ihrer Einigkeit aufkommen lassen. Streitthemen wurden ausgeklammert.

Olaf Scholz mit Recep Tayyip Erdogan in Ankara. via REUTERS

Antrittsbesuch

Olaf Scholz mit Recep Tayyip Erdogan in Ankara.

Ankara Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan haben gemeinsam einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg gefordert. „Wir sind uns völlig einig, dass es so schnell wie möglich einen Waffenstillstand geben muss“, sagte Scholz am Montag bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei. Es müsse zudem sofort sichere Korridore für Zivilisten geben.

Erdogan betonte: „Wir werden die Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand unentwegt fortsetzen.“ Man sei sich einig darüber, dass die diplomatischen Bemühungen fortgesetzt werden müssten.

Gemeinsam appellierten Scholz und Erdogan an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Halten Sie inne.“

Es sei klar, sagte Scholz: „Mit jedem Tag, mit jeder Bombe entfernt sich Russland mehr aus dem Kreis der Weltgemeinschaft, die wir miteinander bilden.“ Die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine stünden außer Frage.

Dass Scholz gerade jetzt in die Türkei kommt, ist ein Zeichen dafür, wie sich die bilateralen Beziehungen zu Staaten wandeln, die im Westen als Autokratien gelten. So haben zum Beispiel die USA Gespräche mit Venezuela aufgenommen, obwohl das Land derzeit mit Sanktionen belegt ist. Doch könnte Öl aus dem südamerikanischen Land die Lücke füllen, die ein mögliches Embargo gegen Russland hinterlässt.

Dass viele Staats- und Regierungschefs jetzt die Nähe zu Erdogan suchen, liegt auch an der aktuellen türkischen Russlandpolitik. Die Türkei hatte sich im Ukrainekonflikt als Vermittler etabliert.

Das Nato-Land hat enge Beziehungen zur Ukraine und zu Russland, die Türkei grenzt im Schwarzen Meer an beide Länder. Erdogan hat immer wieder betont, keinen der beiden Partner aufgeben zu wollen, und hat sie vergangene Woche erstmals seit Kriegsbeginn auf Außenministerebene an einen Tisch gebracht.

Eine Haltung, die im Westen auch angesichts des gesellschaftlichen Drucks undenkbar wäre. Doch in der Türkei gilt das Motto: Sanktionen muss man sich leisten können. Und in der Türkei, wo die Inflation bei über 50 Prozent liegt und jedes Jahr mehr als sechs Millionen Touristen aus der Ukraine und Russland in die Türkei reisen, gilt die folgende Devise: Sanktionen würden zunächst vor allem Türkinnen und Türken schaden.

Treffen ganz im Zeichen des Krieges

Und so versuchte Erdogan, beide Kriegsparteien zusammenzubringen. Mit Erfolg: Am Donnerstag kamen die Chefdiplomaten Dmitro Kuleba und Sergej Lawrow im südtürkischen Badeort Antalya zusammen.

Die Gespräche blieben zwar weitgehend ergebnislos. Dass sie überhaupt stattfanden, wurde aber nicht nur von der Türkei selbst, sondern auch von westlichen Verbündeten als diplomatischer Erfolg gewertet.

Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Weg zu schwierigen Gesprächen. dpa

Olaf Scholz in der Türkei

Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Weg zu schwierigen Gesprächen.

Schon im Vorfeld des Antrittsbesuch von Scholz waren Beobachter davon ausgegangen, dass dieser ganz im Zeichen des Ukrainekriegs stehen wird. Nachdem Scholz zunächst allein einen Kranz am Mausoleum für den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk niedergelegt hatte, war er von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit militärischen Ehren an dessen Amtssitz empfangen worden. Nach einem Gespräch unter vier Augen erschienen beide vor der Presse, anschließend war ein Abendessen geplant. Scholz reist noch am Montagabend zurück nach Berlin.

Scholz betonte, die Kooperation mit der Türkei in vielen Gebieten auszubauen, etwa bei Energiefragen oder einem Update der Zollunion. Es sei allerdings auch über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sowie Haftfälle deutscher Staatsangehöriger in der Türkei gesprochen worden.

Wo sonst deutsche Spitzenpolitiker auf schnelle Lösung gepocht haben, fiel Scholz’ Kommentar nüchterner aus: „Wir hoffen auf eine baldige Lösung und haben darüber gesprochen.“ Ähnlich beim Fall Deutsche Welle, dem durch die Pflicht zur Beantragung einer Senderlizenz nach eigenen Angaben Zensur drohe. Scholz: „Auch darüber haben wir gesprochen.“ Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Es schien, als wollten die beiden Regierungschefs ihr erstes offizielles Treffen in einer möglichst konstruktiven Atmosphäre stattfinden lassen. Ein mögliches Zeichen: Die Türkei ist derzeit zu wichtig, um sie zu kritisieren.

Mit Agenturmaterial

Kommentare (1)

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14.03.2022, 19:35 Uhr

Scholz hat mit der Waffenlieferungen an die Ukraine bei Russland viel Vertrauen verloren. Er sollte auf Russland erst einmal einen Schritt entgegekommen, statt immer noch Appelle oder Drohungen auszurufen.

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