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01.12.2020

09:14

Klimaneutralität

Der Weg zu grünem Wasserstoff führt nach Australien

Von: Klaus Stratmann, Axel Höpner

Deutschland und Australien steigen gemeinsam in die Produktion von grünem Wasserstoff ein. Mit an Bord sind BASF, Eon, Lufthansa, Siemens Energy und Thyssen-Krupp.

Eine technische Anlage des Elektrolyseurs einer Produktionsanlage für Wasserstoff steht auf dem Gelände der EWE in Elsfleth, Niedersachsen. dpa

Wasserstoffproduktion der EWE in Elsfleth

Eine technische Anlage des Elektrolyseurs einer Produktionsanlage für Wasserstoff steht auf dem Gelände der EWE in Elsfleth, Niedersachsen.

Berlin/Canberra Deutschland und Australien ebnen den Weg für die Entwicklung eines globalen Wasserstoffmarkts. In einem Kooperationsprojekt wollen sie alle Wertschöpfungsstufen der Wasserstoffwirtschaft abbilden: von der Herstellung des Wasserstoffs über den Transport bis zur Nutzung.

Das deutsch-australische Kooperationsprojekt mit dem Namen „HySupply“ startet an diesem Dienstag, es soll zwei Jahre laufen. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt, das von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) koordiniert wird. Auf der Basis der Erkenntnisse sollen Geschäftsmodelle entwickelt werden, die eine langfristige Wasserstoffpartnerschaft begünstigen.

„Grüner Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft“, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) dem Handelsblatt. „Als Innovationsland muss Deutschland jetzt die Weichen stellen für internationale grüne Wasserstoffpartnerschaften.“ Dadurch verschaffe man deutschen Unternehmen frühzeitig Zugang zu Importquellen von grünem Wasserstoff und Absatzmärkten für Wasserstofftechnologien made in Germany.

Das deutsch-australische Projekt trage dazu bei, „dass wir künftig klimaneutralen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen importieren können“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Es ermögliche, „die Technologieführerschaft im umkämpften Wasserstoffmarkt zu übernehmen“.

In Australien sind die Herstellungsbedingungen für grünen Wasserstoff ideal: Das sonnenreiche Land hat große Potenziale zur Produktion von Strom mittels Photovoltaik, in den Küstenregionen gibt es außerdem sehr gute Bedingungen für Windkraftanlagen.

Grafik

Der Strom aus diesen beiden erneuerbaren Quellen wird vor Ort in Australien für die Elektrolyse eingesetzt, der so hergestellte grüne Wasserstoff kann per Schiff nach Deutschland transportiert werden.

Ziel der Australier ist es, die Produktionskosten je Kilogramm Wasserstoff auf umgerechnet 1,50 Euro zu drücken. Damit wäre er konkurrenzfähig mit konventionellem Wasserstoff, der auf der Basis von Erdgas produziert wird. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Außerdem sind die Transportkosten bei diesem Wert noch nicht eingerechnet.

Industriekonzerne ziehen mit

In Deutschland wiederum steht der grüne Wasserstoff aus Australien Unternehmen zur Verfügung, die zwingend auf grünen Wasserstoff angewiesen sind, um ihre Prozesse klimaneutral zu machen.

Insbesondere Unternehmen der Stahl- und der Chemiebranche werden schon recht bald klimaneutralen Wasserstoff in großen Mengen benötigen, um den wachsenden Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden. Es überrascht daher nicht, dass Thyssen-Krupp und BASF bei dem deutsch-australischen Projekt mit an Bord sind.

Thyssen-Krupp spielt eine Doppelrolle: Das Unternehmen ist nicht nur potenzieller Abnehmer von grünem Wasserstoff. Es hat auch eine starke Stellung bei der Herstellung von Elektrolyseuren. Das trifft auch auf Siemens Energy zu. Auch Siemens Energy macht bei „HySupply“ mit.

Der Aufbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft erfordere ein Umdenken, sagte Siemens-Energy-Chef Christian Bruch dem Handelsblatt. „Erneuerbare Energie wird nicht mehr nur dort produziert, wo sie gebraucht wird, sondern wo natürliche Ressourcen wie Wind und Sonne in großen Mengen vorhanden sind.“  Es würden weltweit neue Lieferketten entstehen, um regenerative Energie von einer Region in die andere zu transportieren. „Das ist insbesondere für Deutschland wichtig, das unter dem Strich Energie importieren muss, um den landesweiten Bedarf decken zu können.“

Mitte Juni präsentierte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) zusammen mit Stefan Kaufmann, dem Innovationsbeauftragen „Grüner Wasserstoff“ eine 80ml Flüssigkeit (LOHC) in der 48 Liter Wasserstoff gebunden sind. dpa

Grüner Wasserstoff

Mitte Juni präsentierte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) zusammen mit Stefan Kaufmann, dem Innovationsbeauftragen „Grüner Wasserstoff“ eine 80ml Flüssigkeit (LOHC) in der 48 Liter Wasserstoff gebunden sind.

Unter Fachleuten ist unumstritten, dass Deutschland in großem Umfang auf den Import von grünem Wasserstoff angewiesen sein wird. Das liegt daran, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung hierzulande an Grenzen stößt. Strom aus erneuerbaren Quellen wiederum ist für die Wasserstoffelektrolyse Voraussetzung, wenn der hergestellte Wasserstoff klimaneutral sein soll.

Experten gehen davon aus, dass in Deutschland höchstens 30 Prozent des Bedarfs an grünem Wasserstoff hergestellt werden kann. Der Rest muss importiert werden. Die im Juni von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie trägt diesem Umstand Rechnung: Der Aufbau von internationalen Wasserstoffpartnerschaften nimmt darin großen Raum ein.

Zentraler Baustein Transport

Wie solche Partnerschaften funktionieren können, soll mit dem deutsch-australischen Gemeinschaftsprojekt verdeutlicht werden. Zentraler Baustein der Kooperation ist das Thema Transport. Grundsätzlich stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um Wasserstoff per Schiff über weite Strecken zu transportieren. Man kann ihn beispielsweise in Ammoniak umwandeln oder mittels des LOHC-Verfahrens speichern: Flüssige organische Wasserstoffträger („liquid organic hydrogen carriers“, kurz LOHC) nehmen Wasserstoff durch chemische Reaktion auf und können ihn später wieder abgeben.

Als Kandidaten für Wasserstoffpartnerschaften bieten sich Länder mit großen Potenzialen für die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien an, neben Australien könnten das Länder wie Marokko, Saudi-Arabien oder auch Chile sein, wo Siemens Energy ebenfalls aktiv ist. In Chile plant der Konzern in der Nähe von Punta Arenas das sogenannte „Power-to-Methanol-Projekt“, bei dem Methanol als Träger für erneuerbare Energien dienen soll.

Die Region gilt als einer der besten Windkraftstandorte der Welt. Neben einer 3,4-Megawatt-Windkraftturbine von Siemens Gamesa soll ein Elektrolyseur von Siemens Energy errichtet werden. Dieser soll mithilfe der Windkraft klimaneutrales synthetisches Benzin und  Methanol produzieren.

Nach Einschätzung der Investoren, zu denen unter anderem Porsche, Siemens Energy und der italienische Energiekonzern Enel gehören, handelt es sich um die weltweit erste integrierte, kommerzielle Anlage zur Herstellung klimaneutraler Kraftstoffe. Zunächst ist eine Pilotanlage geplant, in zwei Phasen soll daraus eine Anlage im industriellen Maßstab entstehen.

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