In Brüssel gibt es klare Vorstellungen davon, wie Klimaschutz international aussehen sollte. Washington hat aber einen ganz anderen Ansatz.
Gasförderung in den USA
Mit Milliardensubventionen soll die US-Wirtschaft klimafreundlich werden.
Bild: REUTERS
Brüssel Die Klimapolitik der USA ist jetzt schneller als die der EU: Mit dem Gesetz zur Inflationsbekämpfung wird das US-Repräsentantenhaus am Freitag auch ein massives Subventionsprogramm für die Energiewende beschließen. Dass die Abgeordneten den Gesetzesbeschluss der Senatoren von Sonntag bestätigen, gilt als sicher.
In Brüssel werden die Gesetze des „Fit for 55“-Pakets erst nach der Sommerpause fertiggestellt. Die EU ist damit zwar langsamer als die USA, aber deutlich ambitionierter. Bis 2030 sollen die Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. So haben es Parlament und Mitgliedstaaten 2021 per Gesetz beschlossen.
Die USA wollen dagegen mit ihrem Paket nun lediglich etwa eine Reduktion von 30 Prozent gegenüber 1990 erreichen. Weil in dem Klimaschutzpaket allerdings nicht das Vergleichsjahr 1990, sondern 2005 herangezogen wird, wirkt der Unterschied zur EU noch kleiner: In den USA ist von einer Reduktion um etwa 40 Prozent die Rede.
Die Reaktion auf die US-Pläne fällt denn auch zurückhaltend aus. Der Beschluss in Washington sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sagt CDU-Klimapolitiker Peter Liese. „Das Ganze ist aber weit entfernt von dem, was zur Erreichung der internationalen Klimaziele nötig ist und was wir in der Europäischen Union auf den Weg gebracht haben“, so der Europaabgeordnete.
Nicht nur die mangelnden Ambitionen enttäuschen die Europäer, sondern auch die angewandte Methode. Das US-Klimapaket besteht fast ausschließlich aus Subventionen. Ganze 369 Milliarden Euro will die Biden-Regierung über zehn Jahre ausgeben, um grüne Technologien zu fördern. Finanziert werden soll das Ganze durch Steuergelder.
Solche Maßnahmen gelten in der EU als teuer und ineffizient. Und die Wirkung lässt sich nur schwer vorhersagen. Die Europäer setzen dagegen auch auf Effizienzvorgaben für die Industrie, auf Quoten für erneuerbare Energien und vor allem auf CO2-Preise: Die Industrieunternehmen zahlen Geld für jede Tonne des schädlichen Treibhausgases CO2, die sie ausstoßen, und können zugleich die Emissionsrechte untereinander handeln. Der so entstehende Markt soll dort zu Einsparungen führen, wo die Emissionsrechte besonders günstig zu haben sind.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte schon in seiner Zeit als Bundesfinanzminister die Idee vorangetrieben, diesen CO2-Preis auf andere Länder weltweit auszuweiten und dadurch einen „Klimaklub“ zu schaffen, in dem für die Industrie der Ausstoß von CO2 gleich teuer ist.
Da im US-Klimapaket kein CO2-Preis vorgesehen ist, kann die Idee vorerst als gescheitert gelten. „Das Klimagesetz ist ohne Frage historisch“, sagt Marian Feist von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Aber es verfolgt einen anderen Ansatz als die Bepreisung des CO2-Ausstoßes.“ Schon beim G7-Treffen in Elmau hatte sich abgezeichnet, dass sich die USA nicht auf die Vorstellungen der Europäer einlassen werden.
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Auch die Industrie betrachtet die amerikanischen Pläne mit Skepsis. „Damit faire Wettbewerbsbedingungen herrschen, sind vergleichbare Belastungen aus den Klimaschutzvorgaben nötig“, sagt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Von einem einheitlichen und flächendeckenden CO2-Preis sind die USA aber auch nach Verabschiedung des neuen Pakets noch weit entfernt.“
Zu Problemen könnte das führen, wenn die EU ab 2027 eine CO2-Grenzabgabe erhebt. Damit sollen CO2-intensive Importe teurer gemacht werden, um die europäische Industrie vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Wer ein ähnliches CO2-Preis-System wie die EU hätte, dem müsste diese Abgabe erlassen werden. Das ist bei den USA nun aber nicht der Fall.
„Auf der Basis des neuen Gesetzes kann die EU die USA kaum vom CO2-Grenzausgleich ausnehmen“, sagt Wissenschaftler Feist. Auch der CDU-Abgeordnete Liese kritisiert: „Schon die ursprünglichen Pläne von Joe Biden hätten nicht ausgereicht, um Ausnahmen beim CO2-Grenzausgleich zu bekommen. Die abgeschwächten Pläne reichen dafür auf keinen Fall.“ Die Gegner des CO2-Grenzausgleichs (Englisch: „Carbon Border Adjustment Mechanism“ oder CBAM) warnen vor Handelsstreitigkeiten, wenn andere Länder nicht bereit sind, die Abgabe zu zahlen oder mit Vergeltungszöllen reagieren.
Klimaschützer wollen hingegen den Gedanken des Klimaklubs weitertreiben, auch wenn abgestimmte CO2-Preise in diesem Rahmen erst einmal nicht möglich erscheinen. „Wir müssen damit leben, dass die Ansätze für die Klimapolitik sehr unterschiedlich sind“, sagt Alex Scott von der Klimaschutzorganisation E3G. „Trotz der Unterschiedlichkeit brauchen wir einen Klub von Staaten, die es mit dem Klimaschutz ernst meinen, sich gegenseitig helfen und daran arbeiten, ihre Klimaschutzmaßnahmen vergleichbar zu machen.“
Die Grünen fordern, die neuen Gesetze in den USA als Ansporn zu nehmen, die hiesige Tech-Branche voranzubringen. „Die Frage ist, wo die E-Autos, Windkraftanlagen, Speichertechnologien, Schnellzüge und viele weitere dieser Technologien gebaut werden“, sagt der Europaabgeordnete Michael Bloss. „Daher ist es jetzt einmal umso wichtiger, dass wir unsere europäische Solarindustrie wieder aufbauen, um unabhängig von China und den USA zu werden und den Exportschlager der sauberen Technologie hier herstellen.“
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