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24.08.2022

12:36

Klimaschutz

„Alle Privatjets verbieten“: Frankreich streitet emotional – Verkehrsminister will europäische Regelung

Von: Tanja Kuchenbecker

Erst geriet LVMH-Chef Bernard Arnault wegen seines Reiseverhaltens in die Kritik. Nun debattiert die ganze Republik über Privatjets – auch die Regierung.

Die Nutzung privater Düsenflugzeuge gerät in die Kritik. E+/Getty Images

Privatjet

Die Nutzung privater Düsenflugzeuge gerät in die Kritik.

Paris Es gab Zeiten, da galt es noch als schick, mit dem Privatjet durch die Welt zu reisen. Doch aufgrund der Energiekrise und des Klimawandels sind diese Zeiten vorbei. Das spürt auch Bernard Arnault, Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, der in Frankreich immer mehr in die Kritik gerät.

Auf Twitter sind mehrere Accounts aufgetaucht, auf denen die Flüge französischer Milliardäre in Privatjets – im Sinne wachsenden Umweltbewusstseins – an den Pranger gestellt werden, allen voran Arnault. Er ist der zweitreichste Mensch der Welt und besonders mobil. Zum Imperium des 73-Jährigen gehören Marken wie Louis Vuitton, Moët Hennessy, Dior und Givenchy.

Das Thema bewegt nun auch die französische Politik. Verkehrsminister Clément Beaune, ein enger Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron, will die Benutzung der Jets regulieren. Seine Forderung: Flüge mit Privatflugzeugen sollen wegen der hohen Emissionen und aus Gründen der Gerechtigkeit beschränkt werden. „Es gibt Verhaltensweisen, die sind nicht länger akzeptabel“, sagt Beaune.

Wenn die Franzosen sich im Alltagsleben einschränken müssten, dann seien Privatjetreisen nur für den individuellen Spaß nicht länger hinnehmbar. Von den besonders starken Umweltverschmutzern erwartet er ein Umdenken.

Dem Verkehrsminister geht es dabei nicht um wichtige Businesstermine, die mit den Jets erreicht werden müssen. Ausdrücklich geht es um die Privatflüge der Firmenchefs.

EU-weite Regulierung für Flüge mit Privatjets gefordert

Wenn es nach Beaune geht, soll es dazu sogar eine EU-weite Privatjet-Regulierung geben. Beim nächsten Treffen der europäischen Verkehrsminister im Oktober steht das Thema zur Diskussion an. Der französische Verkehrsminister betonte, die EU müsse in dieser Angelegenheit geschlossen handeln, damit die „Wirkung maximiert wird“.

LVMH-Chef Bernard Arnauld steht wegen häufiger Privatflüge in der Kritik. Reuters

Bernard Arnault

LVMH-Chef Bernard Arnauld steht wegen häufiger Privatflüge in der Kritik.

In Frankreich hat nicht nur die Regierung die Privatjets im Visier. Linke und Grüne stimmen Beaune zu. Und sie wollen sogar noch weitergehen. Julien Bayou, Nationaler Sekretär der Grünen, erklärte, es sei an der Zeit, „alle Privatjets zu verbieten“. Das würde nur wenige Menschen treffen, hätte aber große ökologische Vorteile.

„Manche Menschen nehmen den Flieger wie andere die U-Bahn“, beklagte er. Wie solle man von der Bevölkerung verlangen sich anzustrengen, wenn die Reichsten von allem ausgenommen seien? In den sozialen Medien gibt es deshalb auch immer mehr Aufrufe, in dieser Hinsicht zu handeln.

Umweltfeindlicher Lebensstil am Twitter-„Pranger“

Privatflieger ganz zu verbieten, hält Beaune allerdings für „absurd“. Er setzt auf Transparenz: So sollen die absolvierten Flüge veröffentlicht und höher besteuert werden. Beschränkungen könnte es aber für kurze Flüge geben, wenn es in derselben Zeit Alternativen mit Zügen oder kommerzielle Flüge gibt. Dabei bezieht sich Beaune auf ein schon bestehendes Klimagesetz in Frankreich, das Fluglinien auf solchen Strecken verbietet, für die es eine Alternative in weniger als zweieinhalb Stunden mit dem Zug gibt.

Der französische Verkehrsminister Clement Beaune will sich auch auf europäischer Ebene für eine Regelung von Privatflügen einsetzen. Reuters

Clement Beaune

Der französische Verkehrsminister Clement Beaune will sich auch auf europäischer Ebene für eine Regelung von Privatflügen einsetzen.

Einer der ärgsten Umweltverschmutzer soll Bernard Arnault sein, wie es dem Twitter-Account „I Fly Bernard“ zu entnehmen ist. Der Account will den „umweltfeindlichen Lebensstil“ des Firmenchefs aufzeigen und trackt seit April die Flüge der LVMH-Jets. Über 63.000 Follower hat der Account.

Auch einen Instagram-Account „laviondebernard“ mit über 78.000 Anhängern gibt es zu dem Thema, auf Twitter kommt das im Juni installierte Konto auf über 32.000 Follower. Die Zahlen steigen bei allen Konten rapide an. Die Tageszeitung Liberation schreibt dazu: „Einige Menschen verschmutzen mehr als andere.“

Die Aufzeichnungen zeigen das Ausmaß: In einem Monat (ausgewertet wurde der Mai) hat ein LVMH-Jet 18 Flüge durchgeführt, ist 46 Stunden geflogen und hat 176 Tonnen CO2 ausgestoßen. Ob Arnault jedes Mal selbst im Flieger saß, ist nicht bekannt. Die Informationen stammen von Webseiten mit Flugverfolgungskontrolldaten wie OpenSky-Network.org oder ADSBExchange.com, wo sie der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Zum Vergleich: Im Durchschnitt erzeugt ein Franzose derzeit etwa zehn Tonnen CO2 im Jahr. LVMH stößt hingegen schon in einem Monat die Menge an CO2 aus, die ein Franzose im Durchschnitt in 17 Jahren an CO2 produziert. Der LVMH-Jet soll angeblich ständig zwischen Paris, London, Mailand und Nizza hin- und hergeflogen sein. Selbst Flüge innerhalb Londons wurden registriert.

Nicht nur französische Geschäftsleute im Fokus der Tracker

Die Organisatoren der Instagram- und Twitter-Seiten, die jeweils anonym bleiben wollen, triumphieren bereits, dass die Milliardäre durch die öffentlichen Anklagen schon vorsichtiger geworden seien. Die Tracker glauben aber, dass die Geschäftsleute einfach nur andere Privatflugzeuge mieten.

Auch andere Milliardäre wie Geschäftsmann Vincent Bolloré oder François-Henri Pinault, Chef des Luxuskonzerns Kering, stehen in Frankreich unter Beobachtung. Wirtschaftsgrößen in anderen Ländern wurden ebenfalls kritisiert, so etwa der Milliardär Elon Musk, der mit einem Twitter-Account getrackt wird. Zudem verfolgen die oft anonymen Umweltschützer Stars wie Taylor Swift und Kylie Jenner.

Und nicht allein die Privatjets haben sie im Visier: Es entstehen nun auch die ersten Seiten für andere große Energieverschwender. Ein Beispiel: YachtCO2tracker auf Twitter beobachtet Luxusyachten.

Umweltverschmutzung ist kein Luxusproblem. Verkehrsminister Beaune hat durch seinen Vorstoß das Thema in Europa zum Politikum erhoben.

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