PremiumZum Jahresende erhöhte der Westen erneut den Druck auf den Iran. Doch Teheran entzieht sich vielen Strafen – auch weil das Regime mächtige Partner hat.
Militärparade in Teheran
Das Regime präsentiert die neuesten Drohnen aus eigener Produktion, die sie auch an Russland liefern. Doch: Die Bauteile stammen überwiegend aus dem Westen.
Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Washington, Tel Aviv, Brüssel Der Iran geht mit voller Härte gegen Protestierende vor – und der Westen antwortet mit neuen Sanktionen. Doch John Bolton, der frühere Sicherheitsberater von Donald Trump, ist skeptisch.
„Die aktuellen Sanktionen sind viel weniger effektiv, als es nach außen hin aussieht“, sagte der republikanische US-Politiker dem Handelsblatt. Der 74-Jährige, der eine Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl 2024 erwägt, fordert eine deutlich strengere Umsetzung der Strafmaßnahmen.
„Wenn man jetzt mehr Druck auf das schwächelnde Regime ausübt, kann man es zum Sturz bringen“, so Bolton. „Das sollte meiner Meinung nach das Ziel der USA sein.“ Der Iran sei eine wachsende Gefahr für den Nahen Osten – und damit auch für die westliche Welt.
Seit über drei Monaten protestieren im Iran Menschen gegen das Regime in Teheran, das brutal zurückschlägt: Zwei Demonstranten sind bereits hingerichtet worden. Mehr als 20 weitere stehen auf einer Todesliste.
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Auslöser der landesweiten Proteste war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.
Zum Jahresende erhöhte der Westen erneut den Druck auf den Iran. Auch, weil es neben den Menschenrechtsverletzungen weitere Konfliktpunkte gibt. So kritisieren die USA und Europa die Drohnenkooperation Teherans mit Russland im Ukrainekrieg und werfen dem Regime vor, im großen Stil Uran anzureichern.
In den Tagen vor Weihnachten froren die USA die amerikanischen Vermögenswerte hochrangiger Militärbeamter in Teheran ein. Wenige Tage zuvor hatte sich auch die EU auf eine neue Sanktionsrunde geeinigt, um ein Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran zu setzen. Doch die Kritik an der Effektivität der Maßnahmen wächst.
Dronen-Stützpunkt im Iran
Der Ajatollah-Staat strebt nach militärischer Stärke.
Bild: IMAGO/ZUMA Wire
„Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: Die Wirksamkeit von Sanktionen ist begrenzt“, bekräftigt etwa Michel Duclos, ehemaliger französischer Botschafter und geopolitischer Berater der Denkfabrik Institut Montaigne. In der Europäischen Union würde es helfen, wenn die Kontrollen zentral von einer EU-Behörde durchgeführt würden.
Gerade kleinere Länder täten sich allein schwer, sagte Duclos. Aber: „Es wird immer Wege geben, Sanktionen zu umgehen.“ Besonders Länder wie der Iran, die seit Jahrzehnten unter Sanktionen stehen, würden alternative Lieferwege finden.
„Eine Reihe von Ländern unterlaufen das Sanktionsregime des Westens“, bestätigt Meir Litvak, Iranspezialist an der Universität Tel Aviv: „Dahinter stecken sowohl strategische als auch kommerzielle Interessen.“
Zu den Sanktionsbrechern gehören laut Litvak vor allem Russland, China, die Türkei, Indien, der Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch Venezuela, wohin iranisches Öl unter fremder Flagge transportiert werde.
Russland und Iran suchen gemeinsam nach Auswegen aus der Sanktionsfalle. Sie investieren derzeit rund 25 Milliarden Dollar in eine 3000 Kilometer lange Handelsroute, die vom östlichen Zipfel Europas bis an den Indischen Ozean reicht.
Demonstration von Exil-Iranerinnen in München
Das Regime in Teheran gerät durch weltweite Proteste unter Druck.
Bild: IMAGO/aal.photo
„Damit soll eine Lieferkette entstehen, die nicht durch westliche Sanktionen unterbrochen werden kann“, sagt Maria Shagina vom Londoner International Institute for Strategic Studies gegenüber Bloomberg: „Iran und Russland wollen alle Schlupflöcher nutzen, um sanktionierte Produkte und Waffen zu transportieren.“
Seit Jahren vereitelt die Islamische Republik zudem die amerikanischen Isolationsbemühungen, indem sie ein Paralleluniversum von Scheinfirmen und ausländischen Banken aufbaut – einschließlich großer Finanzinstitute mit Sitz in Europa, in Dubai und den USA. Diese werden von iranischen Unternehmen benutzt, um internationale Sanktionen zu umgehen und Geschäfte im Ausland zu tätigen. Auch die Türkei hilft iranischen Banken, die Sanktionen zu umgehen.
China spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Umgehung der westlichen Boykotte. Die Volksrepublik ist einer der wichtigsten Handelspartner des Iran. Beide Staaten haben im März 2021 zudem ein Dokument für eine 25-jährige „umfassende Zusammenarbeit“ unterzeichnet, das Anfang Dezember mit 16 Absichtserklärungen konkretisiert wurde.
Jüngste Veröffentlichungen deuten einmal mehr darauf hin, dass vor allem die Durchsetzung der Sanktionen ein Problem ist. So entstanden die iranischen Drohnen, die Russland im Ukrainekrieg einsetzen soll, offenbar mit der Technik westlicher Firmen.
Die in Großbritannien ansässige Organisation „Conflict Armament Research“ schraubte eine der Drohnen auseinander. Sie stellte Bauteile von „mehr als 70 Herstellern aus 13 verschiedenen Ländern“ sicher, vor allem aus den USA, die eigentlich harte Exportkontrollen für Dual-Use-Technologien, also solche, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind, in Kraft haben.
Die EU kämpft mit einem ähnlichen Problem. Die 27 Länder sind eigenständig dafür verantwortlich, Verstöße gegen Sanktionen zu melden. Doch in der Praxis läuft vieles unter dem Radar, wie das Beispiel Russland zeigt: Im Oktober hatten US-Behörden eine russische Scheinfirma aufgedeckt, mit Sitz in Deutschland. Die Besitzer schmuggelten darüber US-Militärtechnologie für den Ukrainekrieg. Das Ganze blieb acht Jahre unentdeckt.
John Bolton spricht in einer Videoschalte vor iranischen Oppositionellen (2021)
Der US-Republikaner fordert, die Opposition im Iran finanziell stärker zu unterstützen.
Bild: imago images/Pacific Press Agency
Zumindest das EU-Ölembargo gegen den Iran von 2012 hatte zunächst einen großen Effekt. Das iranische Bruttoinlandsprodukt brach ein, die Inflation explodierte – und der Wille zum Verhandeln wuchs. „Der Wunsch nach Sanktionserleichterungen war ein Faktor in Irans Bereitschaft, das Nuklearabkommen auszuhandeln“, analysiert die Denkfabrik Atlantic Council.
Schließlich konnte der Westen den Atomdeal JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) mit Teheran aushandeln. 2018 zog der damalige US-Präsident Donald Trump die USA aus dem JCPOA heraus und erhöhte den Sanktionsdruck massiv.
Während der Pandemie versetzte der Rückgang des Ölpreises der iranischen Wirtschaft einen Schock. Doch im Laufe der Zeit, so der Atlantic Council, erholten sich die Ölexporte weitgehend – auch wegen des blühenden Ölhandels mit China. Aktuell liegt der Atomdeal auf Eis, weil die USA derzeit keinen Kompromiss mit dem Iran für möglich halten.
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