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15.04.2021

19:41

Kontroverse um Nordirland-Protokoll

EU-Parlamentarier stimmen Abkommen mit Großbritannien zu – doch Skepsis bleibt

Von: Hans-Peter Siebenhaar

Das Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien nimmt eine wichtige Hürde. Dennoch wollen beide Seiten noch strittige Punkte klären.

Nordirland soll trotz Brexits faktisch weiter zum EU-Binnenmarkt gehören. Dagegen protestiert eine Frau vor dem Parlamentsgebäude in Belfast. AP

Protest gegen das Nordirland-Protokoll

Nordirland soll trotz Brexits faktisch weiter zum EU-Binnenmarkt gehören. Dagegen protestiert eine Frau vor dem Parlamentsgebäude in Belfast.

Brüssel Der Außen- und der Handelsausschuss des Europaparlaments haben dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) am Donnerstag zugestimmt. „Die Zustimmung ist von einem zweigeteilten Gefühl geprägt“, sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament, dem Handelsblatt in Brüssel. „Es gibt ein starkes Misstrauen, ob die britische Seite die vertraglichen Verpflichtungen auch einhält. Hier haben wir schlechte Erfahrungen mit der Umsetzung des Austrittsvertrages und des Protokolls zu Nordirland gemacht.“

Ähnlich argumentierte auch die handelspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Anna Cavazzini. „Leicht fällt uns Grünen die Zustimmung zum EU-UK-Abkommen derzeit nicht. Denn wir sehen durch die Eskalation der Unruhen in Nordirland, wie fragil der Frieden auf der Insel ist, wenn Großbritannien das Austrittsabkommen nicht einhält“, sagte die Europaabgeordnete dem Handelsblatt.

Mit der Zustimmung der Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten und internationalen Handel ist eine wichtige Hürde für den Ratifizierungsprozess in Brüssel genommen worden. „Die Abstimmung war ein weiterer wichtiger Schritt für die neue Partnerschaft zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister (CDU), dem Handelsblatt.

Im Plenum des Europaparlaments wird über das Brexit-Abkommen noch vor dem 30. April entschieden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Nach Angaben von Insidern in Brüssel gilt eine Zustimmung als Formsache.

Ziel ist es fraktionsübergreifend, dass Großbritannien künftig das vertraglich vereinbarte Nordirland-Protokoll einhält. Die britische Regierung unter Premier Boris Johnson hatte das Austrittsabkommen in Bezug auf Nordirland zuletzt gebrochen.  Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass Nordirland faktisch weiter zum EU-Binnenmarkt gehört. Das soll Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland verhindern.

Kommission sucht mit London nach einer Lösung

Derzeit verhandelt die EU mit der britischen Regierung sehr intensiv über die Einhaltung des Brexit-Abkommens einschließlich des Nordirland-Protokolls. Brüssel will den Streit über die Umsetzung des Nordirland-Protokolls schleunigst lösen, nachdem London einseitig eine Ausnahmeregelung für Kontrollen bei der Einfuhr einiger Waren aus England nach Nordirland verlängert hatte. Die EU sieht darin einen Verstoß des Brexit-Abkommens und einen Bruch des internationalen Rechts.

Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic pocht auf die Einhaltung des Nordirland-Protokolls. Dafür bekommt er Unterstützung aus dem EU-Parlament. AP

Maros Sefcovic

Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic pocht auf die Einhaltung des Nordirland-Protokolls. Dafür bekommt er Unterstützung aus dem EU-Parlament.

Der britische Brexit-Minister David Frost wollte sich am Donnerstagabend mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, treffen. In EU-Kreisen wird aber davon ausgegangen, dass das Treffen keinen entscheidenden Durchbruch bringen wird. „Es gilt, für beide Seiten praktikable Lösungen im bestehenden Rechtsrahmen zu finden. Denn es geht darum, die Integrität des Binnenmarktes zu schützen als auch den Alltag der Menschen in Nordirland zu erleichtern“, sagte McAllister am Donnerstag.

Die EU verlangt klare Schritte der britischen Regierung, um die Umsetzung des Nordirland-Protokolls zu ermöglichen. Zudem soll die britische Regierung entschieden gegen den Widerstand der probritischen Unionisten vorgehen, um das Abkommen zu sichern – und den Frieden in der britischen Provinz. In Nordirland hatte es zuletzt gewaltsame Ausschreitungen gegeben. 

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Das Abkommen enthält viele Bereiche, die aus der Sicht der Europaabgeordneten weiterer Verhandlungen bedürfen. „Noch nicht geklärt ist ein möglicher Zugang der britischen Finanzdienstleistungen zum europäischen Markt“, mahnt Lange. „Die Steuerpolitik wurde leider ausgeklammert.“

Auch McAllister forderte Nachverhandlungen. „Dass das Vereinigte Königreich nicht mehr an dem Austauschprogramm Erasmus plus teilnehmen wird, führt zu einer klassischen Lose-lose Situation.“ Es gebe offene Punkte, die nachverhandelt werden müssten, beispielweise die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die nach fünfeinhalb Jahren endende Übergangslösung für die Fischerei oder die Zusammenarbeit der Justiz in Zivilsachen.

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