PremiumDie russische Armee nutzt einem Bericht zufolge im Ukraine-Krieg auch Streumunition – mit verheerenden Folgen für Zivilisten. Gebannt wird die Gefahr auch nach Kriegsende nicht sein.
Reste einer Streubombe im Norden der Ukraine
Die Waffen sind für die Bevölkerung auch lange nach Kriegsende gefährlich.
Bild: IMAGO/NurPhoto
Genf Streumunition ist international weitgehend geächtet – und trotzdem setzt die russische Armee sie in ihrem Feldzug in der Ukraine ein. Opfer dieser Waffen seien hauptsächlich Zivilisten, betonte der Direktor des UN-Instituts für Abrüstungsforschung, Robin Geiss, am Donnerstag in Genf bei der Vorstellung eines Berichts von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen. Streumunition lässt sich nicht präzise einsetzen, nur militärische Ziele zu treffen ist kaum möglich.
Laut dem „Streubomben-Monitor“ der Hilfsorganisation Handicap International wurden in der ersten Jahreshälfte 2022 in der Ukraine mindestens 689 Zivilisten und Zivilistinnen Opfer solcher Sprengkörper. Von ihnen starben 215, während 474 Verletzungen und Verstümmelungen erlitten. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen, eine genaue Erfassung ist aufgrund der Kriegswirren unmöglich. Zudem beschädigte die Munition dem Bericht nach etliche Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Gebäude in dem Land, in das russische Truppen am 24. Februar einmarschierten.
Fast alle Angriffe in der Ukraine erfolgten durch die Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut Handicap International führten „die russischen Streitkräfte Hunderte von Angriffen durch“. Aber auch ukrainische Einheiten verwendeten nach Erkenntnissen von Mary Wareham, Abrüstungsexpertin von Human Rights Watch (HRW), in mindestens zwei Fällen Streubomben.
Streubomben sind Behälter, die vom Boden abgeschossen oder aus der Luft abgeworfen werden. Die Container öffnen sich und Hunderte kleine Bomben verteilen sich auf Gebieten, die mehrere Dutzend Fußballfelder groß sein können. Gefährlich ist Streumunition laut dem Auswärtigen Amt vor allem deshalb, weil „ein erheblicher Prozentsatz der Submunitionen nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und die Bevölkerung gefährdet“.
Die Submunition sei wegen ihrer geringen Größe schwer auffindbar. Kleine Berührungen lösen Detonationen aus. Die Bomben bedrohen Zivilisten somit nicht nur während des Einsatzes, sondern auch „noch lange nach Beendigung eines militärischen Konflikts“.
Einschlagstelle von Streumunition in Charkiw
Streumunition trifft in der Ukraine vor allem die zivile Bevölkerung.
Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Gemäß den jetzt publizierten Recherchen der verschiedenen Organisationen war die Ukraine 2022 bislang der einzige Kriegsschauplatz weltweit, auf dem Parteien mit Streubomben kämpften. Für das Jahr 2021 hatten die Autoren erstmals seit einem Jahrzehnt keine Meldungen über Opfer von Streumunition-Angriffen erfasst.
Eva Maria Fischer von Handicap International übte scharfe Kritik an der russischen Armee: „Der fortgesetzte und wiederholte Einsatz von Streumunition in der Ukraine zeugt von mangelnder Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung und in einigen Fällen von der bewussten Absicht, sie zu treffen“, sagte sie. Alle Staaten sollten sich dem internationalen Vertrag zum Verbot von Streubomben anschließen. Diese „barbarische Waffe“ müsse endlich von den Kriegsschauplätzen verschwinden.
>> Lesen Sie hier: Militärexpertin über das Leiden der Ukrainer: „Diese Waffen haben fürchterliche Folgen“
Doch weder Russland noch die Ukraine haben die sogenannte Oslo-Konvention unterzeichnet. Diese verbietet es, Streubomben einzusetzen, zu lagern, mit ihnen zu handeln oder sie zu produzieren. Auch die USA, China und andere Militärmächte wollen sich dem Pakt nicht beugen.
Im August 2010 trat das Übereinkommen in Kraft. Bis heute haben 123 Staaten den Vertrag unterzeichnet. Ungeachtet des Vertrags zählen vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten in einem Krieg, egal mit welchen Waffen, als Kriegsverbrechen.
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