Vom Boom der Elektromobilität profitieren Staaten mit reichen Vorkommen an Kupfer, Nickel oder Kobalt. Doch sie gehen unterschiedlich mit ihrer strategischen Bedeutung um.
Kupfermine in Chile
Als weltgrößter Kupferproduzent dürfte das Land von einem Nachfrageboom bei Batteriemetallen profitieren.
Bild: Reuters
Zürich, Santiago, Johannesburg, Neu Delhi Der Krieg in der Ukraine führt Europa einmal mehr die Abhängigkeit von Rohstoffen vor Augen. Experten befürchten: Mit dem Durchbruch der Elektromobilität könnte sich diese noch verstärken.
Denn: Für die Batterieindustrie kritische Metalle wie Kupfer, Nickel oder Kobalt sind auf dem europäischen Kontinent noch weit seltener als Öl- und Gasvorkommen. Auch der Hauptbestandteil von Batterien, Lithium, wird bislang nicht im großen Stil in Europa abgebaut.
Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt: „Die Umstellung auf ein sauberes Energiesystem wird den Bedarf an diesen Mineralien enorm erhöhen.“ Die Abhängigkeit von Rohstoffimporten bleibe bestehen, selbst wenn fossile Brennstoffe an Bedeutung verlieren.
Benjamin Louvet, Fondsmanager und Experte für Industriemetalle beim Vermögensverwalter OFI, ist überzeugt: „Wir müssen unsere Außenhandelsbeziehungen völlig neu ordnen.“ Nur so sei es möglich, die Versorgung mit kritischen Mineralien langfristig zu sichern.
Länder wie Chile, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo sind sich ihrer wachsenden Bedeutung bewusst. Doch sie verfolgen unterschiedliche Strategien, um die Nachfrage nach ihren Ressourcen zu nutzen.
Kaum ein Industriemetall ist von so großer Bedeutung für die Energiewende wie Kupfer. Ob als Kabel in E-Autos, für neue Stromtrassen oder in Windturbinen: Überall wird das rötliche Metall verbaut. Die IEA schätzt, dass die grüne Energie 2040 mehr als 40 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage ausmacht. Davon profitiert Chile besonders stark. Das Andenland ist der wichtigste Produzent weltweit, es lieferte im vergangenen Jahr mehr als ein Viertel (27 Prozent) der weltweiten Nachfrage.
Doch auch für das Land selbst ist das Metall von großer Bedeutung: Der Kupferpreis ist die wichtigste Größe für die Konjunkturentwicklung, den Zustand des Staatshaushalts und die Stärke des Pesos. Mit 9500 Dollar pro Tonne notiert der Preis auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau. Das weckt Begehrlichkeiten der Politik.
Chile verhandelt gerade eine neue Verfassung. Schon jetzt ist abzusehen, dass Steuern und Abgaben für die Schürfrechte der Bergbauunternehmen steigen werden. Parallel hat das staatliche Kupfer-Institut Cochilco beschlossen, dass die Branche bis Ende der Dekade 70 Milliarden Dollar investieren soll, mehrheitlich der private Sektor.
In der Branche wachsen die Sorgen: „Die Vorgabe ist unrealistisch“, kritisiert Diego Hernández, der Vorsitzende des nationalen Bergbauverbands Sonami. Das US-amerikanische Bergbauunternehmen Freeport-McMoRan verkündete vor Kurzem, wegen der zunehmenden Unsicherheit die Entwicklung einer Kupfermine zu verlangsamen.
Nickel ist hingegen für Elektroautokonzerne wie Tesla von entscheidender Bedeutung: Akkus mit einem erhöhten Anteil des Schwermetalls versprechen eine höhere Energiedichte und geringere Kosten. Die jüngsten Verwerfungen am Nickelmarkt, die den Preis kurzzeitig über 100.000 Dollar pro Tonne katapultierten, unterstreichen die angespannte Versorgungslage.
Als weltgrößter Nickelproduzent sieht sich Indonesien in einer guten Position, um von der wachsenden Nachfrage zu profitieren. Das südostasiatische Schwellenland, das im vergangenen Jahr mit der Förderung von rund einer Million Tonnen für rund ein Drittel der globalen Nickelproduktion stand, will seine riesigen Vorräte nutzen, um vom reinen Rohstofflieferanten zum industriellen Schwergewicht in der Elektroautoindustrie aufzusteigen.
Bagger in der Grube einer Nickelmine in Morowali RegencyDas Land ist der weltgrößter Nickelproduzent, Zentral-Sulawesi in Indonesien
Das Land ist der weltgrößte Nickelproduzent.
Bild: Bloomberg
Als ersten Schritt zur Vertiefung der Wertschöpfungskette in seinem Land erließ Indonesiens Staatschef Joko Widodo vor zwei Jahren ein Exportverbot für Nickelerz. Der Rohstoff darf seitdem nur noch ausgeführt werden, nachdem er in inländischen Schmelzanlagen verarbeitet worden ist. Bestimmte Nickelexporte sollen in diesem Jahr zusätzlich mit einer Ausfuhrsteuer belegt werden. Das Ziel der Regierung ist, die komplette Weiterverarbeitung ins eigene Land zu holen.
Diesem Wunsch kommt das Land nun offenbar näher: Der taiwanesische Elektronikkonzern und Apple-Zulieferer Foxconn will noch dieses Jahr mit dem Bau einer Fabrik in Indonesien beginnen, in der unter anderem Batterien produziert werden sollen, wie die Regierung in Jakarta diese Woche mitteilte. Dafür sei eine Investitionssumme von acht Milliarden Dollar vorgesehen.
Bereits zuvor hatte die Regierung eine Fünf-Milliarden-Dollar-Investition des chinesischen Batteriekonzerns CATL angekündigt, der demnach 2024 in dem Land mit der Produktion starten möchte – und dabei auf Indonesiens Nickelreserven zurückgreifen will.
Für die chinesische Staatsführung ist die Sicherung wichtiger Rohstoffe für die Industrie von strategischer Bedeutung. Besonders groß ist die Abhängigkeit der Welt von China bei Seltenen Erden. Das Land vereint der IEA zufolge über 60 Prozent der Förderung dieser beispielsweise für starke Magneten benötigten Metallverbindungen. Der frühere chinesische Staatschef Deng Xiaoping, der das Land vor vier Jahrzehnten für die Welt geöffnet hatte, verglich Chinas Kontrolle über die Seltenen Erden einmal mit der Dominanz des Nahen Ostens bei der Rohölversorgung.
Arbeiter in einer Mine für Seltene Erden in Nancheng in der Provinz Jiangxi
Der Marktanteil des Landes für die Aufbereitung zur industriellen Verwendung liegt bei über 80 Prozent.
Bild: Reuters
Zwar hat China zuletzt international Marktanteile verloren. Um die Kontrolle über den Sektor zu erhöhen und die globale Vormachtstellung zu erhalten, hat die chinesische Staatsführung jedoch die Konsolidierung der Branche vorangetrieben. Im Dezember schlossen sich drei führende Seltenerd-Produzenten sowie zwei Forschungsunternehmen aus dem Sektor zum neuen staatlichen Rohstoffriesen China Rare Earth Group zusammen.
Insbesondere in den USA wächst die Sorge, dass China seine Dominanz nutzen könnte, um den Zugang zu wichtigen Mineralien zu beschränken, die für die Hightech-Produktion benötigt werden. Zumal Peking auch die Weiterverarbeitung kritischer Industrierohstoffe dominiert.
Bei Seltenen Erden liegt der Marktanteil des Landes für die Aufbereitung zur industriellen Verwendung bei über 80 Prozent. Bei Lithium sind es 60 Prozent, bei Nickel und Kupfer 40 Prozent. Die starke Konzentration sei ein Risiko für viele Branchen, warnt die IEA. Produzenten von Solarpanelen, Windturbinen und Elektroautos seien besorgt.
Der aktuelle Preisanstieg bei Batterierohstoffen beunruhigt allerdings auch die chinesische Führung. Sie erhöhte zuletzt den Druck auf die Hersteller, den Nachschub insbesondere solcher Metalle sicherzustellen, die für den Bau von E-Auto-Batterien benötigt werden.
In Australien gibt es zunehmend Forderungen, den Ressourcenreichtum zu nutzen, um die E-Auto-Produktion ins Land zu holen. „Australien muss sich vom Export von Rohstoffen – wie Lithium für Batterien – zu wertschöpfenden Prozessen innerhalb des Landes verlagern“, verlangte die Denkfabrik Australia Institute in einem Thesenpapier. Australiens bisher letzte Autofabrik stellte vor viereinhalb Jahren den Betrieb ein.
Als weltgrößter Lithium-Lieferant hat Australien in den Lieferketten der Elektromobilität aber stark an Bedeutung gewonnen. Zuletzt stand das Land für rund 60 Prozent der globalen Produktion des zentralen Elements für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien.
Lithiummine Bald Hill in Westaustralien
60 Prozent der globalen Produktion des Rohstoffs kamen zuletzt aus Australien.
Bild: Bloomberg
Die Minenbetreiber können sich angesichts einer stark steigenden Nachfrage über einen rapiden Preisanstieg freuen: Der Wert des Lithium-Minerals Spodumen stieg laut dem Londoner Analysehaus Benchmark Mineral Intelligence zwischen Januar 2021 und Januar 2022 um mehr als 470 Prozent.
Die australische Regierung sieht Lithium als Teil ihrer „Critical Minerals Strategy“, mit der sie zukunftsträchtige Rohstoffe gezielt fördern möchte. „Allein die Lithiumindustrie, die für die Entwicklung neuer Batterietechnologien unerlässlich ist, wird bis 2030 voraussichtlich weltweit 400 Milliarden US-Dollar wert sein“, sagte Rohstoffminister Keith Pitt vergangenes Jahr bei der Vorstellung neuer Finanzhilfen für den Sektor. „Initiativen wie diese werden bedeuten, dass Australien gut aufgestellt ist, um seinen Marktanteil festzuhalten.“
Mark Dean, der Autor des Australia-Institute-Berichts, sieht neben dem Abbau aber noch erhebliches Potenzial: Bisher liefere sein Land abgesehen vom Export der Rohmaterialien kaum Mehrwert, stellt er fest. „Wenn wir uns hingegen eine stärkere Beteiligung an der Elektroautoindustrie vornehmen, dürfte sich das in höherem Wachstum und mehr Jobs niederschlagen.“ Damit dies gelinge, seien aus seiner Sicht aber gezielte politische Weichenstellungen nötig.
Bei kaum einem kritischen Batterierohstoff ist die regionale Konzentration so stark ausgeprägt wie bei Kobalt. Das Metall ist ein wichtiger Bestandteil bei den gängigsten Batterietypen – auch wenn etwa Tesla zunehmend kobaltfreie Batterien einsetzt. Mehr als 70 Prozent der bekannten Vorkommen liegen im Kongo. Bisher hat die Mehrheit der Bevölkerung vom Rohstoffreichtum des Landes, das neben Kobalt große Mengen Kupfer fördert, nicht profitiert.
Greg Mills von der Johannesburger Brenthurst Foundation konstatierte: „Fast überall hat sich der Rohstoffreichtum des Kontinents als Fluch entpuppt.“ Die meisten Staaten hätten eine breitere Aufstellung ihrer Volkswirtschaft verpasst. Stattdessen bereicherte sich der Clan des Langzeitmachthabers Josef Kabila, der den Kongo bis 2019 über 20 Jahre lang kontrolliert hat, an den Rohstoffeinnahmen.
Kobalt-Mine im Kongo
Das Metall ist ein wichtiger Bestandteil bei den gängigsten Batterietypen.
Bild: Bloomberg
Während bis heute sieben von zehn Kongolesen an oder unter der Armutsgrenze von 1,90 Dollar pro Tag leben, hat der Kabila-Clan ein riesiges Vermögen angehäuft: Dem Nachrichtendienst Bloomberg zufolge kontrollierten der Ex-Präsident und seine Familie rund 70 Firmen und hielten über 100 Schürflizenzen für Kobalt, Kupfer, Gold, Diamanten und andere Mineralien.
Dieser Reichtum sichert Kabila bis heute enormen Einfluss hinter den Kulissen des Landes. Der aktuelle Präsident Félix Tshisekedi ging zu Beginn seiner Amtszeit auf Konfrontationskurs zu den großen Minenkonzernen, die im Kongo Kobalt und Kupfer schürfen. Ob das der kongolesischen Wirtschaft nutzt oder schadet, ist noch ungewiss.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)