Experten der Gewerkschaften berichten von „unhaltbaren Zuständen“ in deutschen Betrieben. Die meisten Erntehelfer kommen längst nicht mehr aus Polen.
Saisonarbeiter bei der Spargelernte
„In der Saison 2022 hat sich die Lage durch den Ukrainekrieg grundlegend geändert.“
Bild: dpa
Berlin Die Arbeitsbedingungen ausländischer Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft sind häufig schlechter als geltendes Recht erlaubt. Von „unhaltbaren Zuständen“ in der Landwirtschaft spricht Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG Bau).
Doch der Saisonbericht 2022, den der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG Bau und ihre Kooperationspartner am Freitag vorgestellt haben, zeigt auch, dass sich die Politik mit der Situation der Arbeiter beschäftigt.
Die rund 135.000 Saisonarbeiter machten im Jahr 2021 rund ein Drittel der in der Landwirtschaft beschäftigen Arbeitskräfte aus. Aktuellere Zahlen gibt es noch nicht. Das wichtigste Herkunftsland ist Rumänien: Knapp 70.000 Beschäftigte kamen im Jahr 2021 von dort. Rund 36.000 Arbeiterinnen und Arbeiter hatten laut Bundesagentur für Arbeit einen polnischen Pass, knapp 4000 einen ukrainischen.
„Verlässliche sozioökonomische Daten, die mehr über die Lebensumstände und die soziale Situation der Saisonbeschäftigten aussagen, sind rar“, heißt es im Bericht der Initiative Faire Landarbeit, einem gewerkschaftsnahen Bündnis, das Saisonarbeiter berät und über ihre Situation informiert.
Die Zahl der Beschäftigten aus dem Nicht-EU-Ausland sei in den vergangenen Jahren angestiegen, schreiben die Autoren. „In der Saison 2022 hat sich die Lage durch den Ukrainekrieg grundlegend geändert.“ Inzwischen arbeiteten deutlich mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in der Landwirtschaft. Viele seien als Praktikanten oder Minijobber eingestellt worden und wurden daher vergleichsweise schlecht bezahlt.
Zollkontrollen, bei denen sichergestellt wird, dass Arbeitnehmerrechte gewahrt werden und Arbeiter den Mindestlohn bekommen, sind laut IG Bau selten. Arbeitgeber müssten „kaum damit rechnen, dass ihnen jemand auf die Finger schaut“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
Das habe auch strukturelle Gründe, denn für die Kontrollen müssten die Behörden der Länder und der Zoll effizienter zusammenarbeiten. Hier sei laut Piel eine „Schnittstellenproblematik“ zu beobachten, die dazu führte, dass 2021 nur 1,1 Prozent der Betriebe kontrolliert wurden.
Die meisten Mindestlohnverstöße wurden laut Unterlagen des Deutschen Bundestags im Jahr 2021 in Bayern, NRW und Schleswig-Holstein festgestellt.
Die meisten illegalen Aufenthalte wurden in Baden-Württemberg registriert: Hier konnten 106 Arbeitnehmer keine entsprechende Erlaubnis vorweisen. In Schleswig-Holstein waren es 20 Fälle, in allen anderen Bundesländern weniger als zehn.
An einigen Stellen sei eine Verbesserung der gesetzlichen Lage zu beobachten, heißt es im Bericht der Initiative. Probleme beim Lohn oder bei den Arbeitsbedingungen könnten sich dadurch in den kommenden Jahren zugunsten der Arbeitnehmer ändern. Das erwarten die Experten:
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