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17.11.2022

04:05

Midterm-Wahlen

Republikaner gewinnen Mehrheit im Repräsentantenhaus – und könnten Schuldenkrise provozieren

Von: Annett Meiritz

PremiumMehr als eine Woche nach der Wahl ist klar: Die Republikaner führen künftig das Repräsentantenhaus an. Gesetzesvorhaben könnten schwieriger werden für die Biden-Administration.

Trump-Anhänger unter den republikanischen Abgeordneten könnten seine Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses noch verhindern. IMAGO/UPI Photo

Kevin McCarthy

Trump-Anhänger unter den republikanischen Abgeordneten könnten seine Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses noch verhindern.

Washington Nach einem Sieg im Senat haben die Demokraten von US-Präsident Joe Biden bei den Kongresswahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Die Republikaner kommen künftig auf mehr als die Hälfte der 435 Sitze in der Kongresskammer, wie die US-Sender CNN und NBC sowie die Nachrichtenagentur AP am Mittwoch (Ortszeit) auf Grundlage von Stimmauszählungen und Prognosen berichteten.

Ein solcher Ausgang war vorhergesagt worden – allerdings wird die republikanische Mehrheit am Ende wesentlich knapper als erwartet ausfallen. Und im wichtigen Senat behalten die Demokraten das Sagen.

Mit einem geteilten Kongress wird das Regieren für Biden in den kommenden beiden Jahren aber auf jeden Fall schwieriger. Außerdem können die Republikaner Untersuchungen gegen Biden und seine Politik anstrengen.

Mit ihrer neuen Macht im Repräsentantenhaus können die Republikaner in Zukunft Gesetzesvorhaben nach Belieben blockieren. Denn in den Gesetzgebungsprozess sind beide Kongresskammern eingebunden. Gerade in Haushaltsfragen kommt dem Repräsentantenhaus besonderes Gewicht zu.

Die Republikaner haben damit gedroht, eine Anhebung der Schuldenobergrenze oder Finanzhilfen für die Ukraine zu blockieren. Beobachter sehen das lediglich als Mittel, um den Demokraten an anderer Stelle ein Entgegenkommen abzutrotzen. Es dürfte für Biden aber schwieriger werden, selbst solche Vorhaben durchzusetzen, die üblicherweise parteiübergreifend beschlossen werden.

Die Ära Nancy Pelosi geht zu Ende

Mit der Übernahme der Republikaner dürfte die Ära von Nancy Pelosi, bisherige Sprecherin des Repräsentantenhauses, vorbei sein. Noch ist die 82-Jährige nicht offiziell abgewählt, aber ihr Rückzug ist sehr wahrscheinlich.

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Nachfolger wird wohl der kalifornische Abgeordnete Kevin McCarthy, der bisherige Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus. Der 57-Jährige arbeitet seit acht Jahren darauf hin, zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt zu werden. Das dritthöchste Staatsamt in den USA birgt enorme Macht, zum Beispiel kann der Sprecher bestimmen, welche Gesetze behandelt werden. 

Bislang ist McCarthy sogenannter Minderheitsführer in der Kongresskammer, also Vorsitzender der Opposition. Am 3. Januar konstituiert sich der neue Kongress. Will McCarthy an diesem Tag die Demokratin Pelosi ablösen, braucht er dafür 218 Stimmen des Repräsentantenhauses.

Allerdings haben Mitglieder des ultrakonservativen, Trump-nahen „Freedom Caucus“ McCarthy den Kampf angesagt. Nicht wenige radikale Republikaner nehmen es ihm übel, dass er nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 Trump kritisierte.

Eine nicht bindende Vorabstimmung in der Nacht zum Donnerstag gewann McCarthy, US-Präsident Joe Biden gratulierte ihm anschließend per Telefon. Der US-Präsident hatte nach den „Midterm“-Wahlen betont, seine Demokraten würden mit einer republikanischen Mehrheit konstruktiv zusammenarbeiten wollen. Bei den Kosten für Sozial- und Gesundheitsversicherung sowie beim Klimaschutz werde er aber „keine Kompromisse“ machen, so Biden.

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US-Republikaner gewinnen Mehrheit im Repräsentantenhaus

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In der Praxis bedeutet das wahrscheinlich, dass der Spielraum für Kooperationen begrenzt ist. Der geteilte Kongress dürfte zu einer Serie von Showdowns zwischen dem republikanischen Repräsentantenhaus und dem demokratischen Weißen Haus führen. 

Am 16. Dezember läuft eine wichtige Deadline ab

Wird McCarthy zum Sprecher gewählt, ist er Bidens größter Gegenspieler in Washington. Die Republikaner wollen Biden das Leben schwermachen, denn 2024 stehen die Präsidentschaftswahlen an. Viele republikanische Abgeordnete drängen auf ein Impeachment-Verfahren gegen Biden oder sein Kabinett wegen des chaotischen Afghanistanabzugs oder der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko.

Sie können Biden mit Ermittlungen gegen seine Regierung und Familie vor sich hertreiben. Die früheren Ukrainegeschäfte von Hunter Biden, dem Sohn des Präsidenten, dürften garantiert untersucht werden, dazu die Coronamaßnahmen und die Razzia gegen Donald Trump im August.

Es gibt sogar Abgeordnete, die sowohl die Haushaltsverhandlungen als auch die jährliche Anhebung der Schuldengrenze blockieren wollen, um Bidens eins auszuwischen – was schnell einen Shutdown und eine Wirtschaftskrise auslösen könnte. Bis zum 16. Dezember muss der alte Kongress ein neues Budget beschließen, darunter fallen auch die Finanzhilfen für die Ukraine. Ab dem kommenden Jahr könnten solche Vorhaben dann schwieriger werden: McCarthy hatte im Wahlkampf damit gedroht, die Republikaner könnten die militärischen und humanitären Hilfen für die Ukraine blockieren.

Die früheren Ukrainegeschäfte von Hunter Biden dürften vom Repräsentantenhaus untersucht werden. Reuters

Joe Biden mit Sohn Hunter

Die früheren Ukrainegeschäfte von Hunter Biden dürften vom Repräsentantenhaus untersucht werden.

Auch ein Streit über die Schuldenobergrenze könnte dann drohen. Bislang konnten sich die Lager immer auf eine Last-Minute-Lösung einigen. Dennoch ist der potenzielle Konflikt um die Kreditobergrenze der US-Regierung gefährlich. Einige republikanische Abgeordnete wollen drastische Ausgabenkürzungen bei Sozialprogrammen erzwingen, was die Demokraten nicht mitmachen werden. Heben die USA ihre Schuldengrenze nicht an, kann die Nation ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, was die Wirtschaft weltweit destabilisieren würde.

Die „rote Welle“ blieb aus

Bei den Midterms in der Mitte von Bidens Amtszeit wurden am Dienstag vergangener Woche alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Außerdem wurden in zahlreichen Bundesstaaten die wichtigen Gouverneursämter neu besetzt. Die Auszählung der Stimmen zog sich in mehreren Rennen lange hin wegen sehr knapper Ergebnisse und wahlrechtlicher Besonderheiten in einigen Bundesstaaten.

Dass sich die Demokraten die Mehrheit im Senat sicherten, ist von besonderer Bedeutung. Denn wichtige Personalien auf Bundesebene – etwa Botschafter, Kabinettsmitglieder oder Bundesrichter – werden dort bestätigt. Die Möglichkeit, weitere Nominierungen durchzusetzen, ist Biden in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit also sicher. 

Bei den Zwischenwahlen in der Mitte der Amtszeit eines US-Präsidenten bekommt dessen Partei üblicherweise einen Denkzettel verpasst. Der Präsident steht selbst nicht zur Wahl, die Abstimmung gilt aber als eine Art Referendum über seine Politik.

Biden hatte innenpolitisch zuletzt unter anderem die Inflation im Land zugesetzt – insbesondere steigende Spritpreise sorgten für Unzufriedenheit. Und schon zuvor hatte Biden mit dramatisch schlechten Umfragewerten zu kämpfen.

Vor der Wahl war eine Erfolgswelle für die Republikaner vorausgesagt worden und ein Debakel für die Demokraten. Doch beides blieb aus. Stattdessen schnitten die Demokraten insgesamt unerwartet stark ab.
Mit Agenturmaterial.

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