Nach 70 Jahren auf dem Thron ist die Queen gestorben. Elizabeth II. entstaubte die britische Monarchie, überlebte Premiers und Präsidenten und überstand auch eine Identitätskrise. Ein Nachruf.
Queen Elizabeth II.
Queen Elizabeth II. war seit 1952 Königin des Vereinigten Königreichs.
Bild: Chris Jackson Collection/Getty Images
London Als Königin Elizabeth II. am vergangenen Dienstag Liz Truss auf ihrem schottischen Landsitz in Balmoral empfing, war sie bereits die 15. Person, die für das Amt des Premierministers vom britischen Staatsoberhaupt in ihren 70 Jahren auf dem Thron den Regierungsauftrag erhielt. Winston Churchill war der erste – und wohl auch ihr liebster Premier. Die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher und ihr kalter Wirtschaftsliberalismus blieben der Queen hingegen suspekt.
Kein anderes Staatsoberhaupt weltweit hat so viele Staats- und Regierungschefs kommen und gehen sehen wie Elizabeth II. – darunter 13 US-Präsidenten. Sie posierte mit John F. Kennedy, tanzte mit Gerald Ford und unternahm einen Ausritt zu Pferd mit Ronald Reagan in Windsor. Niemand hat länger regiert – und besser repräsentiert – als die Queen.
Dabei sagte der in England geborene Philosoph Thomas Paine bereits kurz nach der Französischen Revolution 1792 das Ende der englischen Monarchie voraus. Das größte Verdienst der Queen bleibt es, dass sie die mehr als 1000 Jahre alte Monarchie auf der Insel behutsam entstaubt, die Palasttore für frischen Wind und die Medien geöffnet und so das mit Steuergeldern finanzierte Haus Windsor in die Moderne gerettet hat.
Im Juni feierte die Queen ihr 70. Thronjubiläum. Drei Tage lang stand das Leben im Vereinigten Königreich weitgehend still, und die Bevölkerung jubelte ihrer Monarchin begeistert zu.
Noch immer befürworten zwei Drittel der Briten die parlamentarische Monarchie, was vermutlich auch damit zu tun hat, dass die Queen im wechselhaften öffentlichen Leben des Königreichs für die Illusion einer heilen Welt stand.
Elizabeth Alexandra Mary wurde am 21. April 1926 als erste Tochter des späteren Königs George VI. in London geboren. Obwohl sie damals erst an dritter Stelle in der Thronfolge stand, übernahm sie nach der Abdankung ihres Onkels Edward VIII. und dem Tod ihres Vaters im Februar 1952 das Zepter der englischen Monarchie.
Juni 1953
Krönung in Westminster Abbey in London – etwa 8000 Gäste waren bei der Zeremonie anwesend.
Bild: imago/ZUMA/Keystone
Die damals erst 25-Jährige bestieg den Thron ziemlich unvermittelt. Sie wurde nicht speziell auf ihr Amt vorbereitet, besuchte nie eine Schule und wurde von Gouvernanten ausgebildet. „In mancher Hinsicht hatte ich keine Lehrzeit“, bedauerte die Queen später ihre zu kurz gekommene Ausbildung.
Ihre Krönung sahen weltweit 300 Millionen Zuschauer. Diese Aufmerksamkeit rund um den Globus wurde im folgenden Medienzeitalter zum Segen und mehr noch zum Fluch für die Windsors. 1970 öffnete die Queen die Palasttore für eine BBC-Dokumentation über das Familienleben der Royals. Der aktuelle weltweite Erfolg der Netflix-Serie „The Crown“ ist ein eindrucksvoller Beleg dieses Dilemmas von globalem Interesse und ständiger Aufmerksamkeit.
November 2007
Queen Elizabeth II. mit ihrem Ehemann Prinz Philip, Duke of Edinburgh, der am 9. April 2021 im Alter von 99 Jahren gestorben ist.
Bild: AP
Als Stütze und manchmal auch als Last erwies sich ihr Ehemann Prinz Philip, den sie 1947 geheiratet hatte und der im April 2021 kurz vor seinem 100. Geburtstag starb.
Mit ihm hatte Elizabeth II. vier Kinder: Prinz Charles, dessen tragische Ehe mit Diana Spencer die Monarchie fast ins Wanken gebracht hätte und der ihr jetzt auf dem Thron nachfolgt, daneben Prinzessin Anne, der jüngst wegen zahlreicher Skandale in Ungnade gefallene Prinz Andrew und Prinz Edward.
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Mai 2015
Queen Elizabeth II. auf ihrem Thron im britischen Oberhaus.
Bild: imago/ZUMA Press
Der eigensinnige, aber stets loyale Marineoffizier Philip stand immer zu und buchstäblich meist hinter seiner Queen in den Irrungen und Wirrungen des Königshauses, von denen es in ihrer Amtszeit einige gab.
Ob Liebesaffären, Ehekrisen, ausufernde Partys oder pubertierende Prinzen – die Queen hatte im Laufe der Jahre alle Hände voll zu tun, die Familie beisammen und die Monarchie am Leben zu erhalten. Dass ihr das im Fall von Prinz Harry und seiner Frau Meghan Markle nicht ganz gelang, hat sie am Ende geschmerzt. Das junge Paar zog sich im vergangenen Jahr von den königlichen Pflichten zurück und lebt seitdem in den USA.
Die vermutlich stärkste Erschütterung für das Haus Windsor war jedoch der tragische Tod von Lady Diana vor ziemlich genau 25 Jahren. Die „Princess of the People“ und Ehefrau von Charles hatte schon zu Lebzeiten die königliche Familie durch ihre unkonventionelle Art und warmherzige Volksnähe, aber auch mit ihren unglücklichen Liebschaften durcheinandergebracht.
„Princess of the People“
Lady Diana an der Seite von Prinz Charles.
Bild: imago/Photoshot/John Shelley Collection
Der frühe Tod der damals 36-jährigen Mutter der Prinzen William und Harry schockierte das Land und stürzte die Monarchie 1997 in eine tiefe Identitätskrise. Galt doch das Leiden von Diana vielen Briten als Sinnbild eines kalten, mehr an Tradition als an Mitgefühl orientierten Familienlebens.
Spät, viele sagen zu spät, erkannte Elizabeth II. die Gefahr für die Monarchie und ließ als Zeichen der nationalen Trauer zum ersten Mal überhaupt den Union Jack auf halbmast über dem Buckingham Palace setzen.
Juni 2015
Der kleine Prinz George auf einem Familienbild mit seiner Uroma.
Bild: imago images/i Images
Die „Königin von Gottes Gnaden“, so ihr offizieller Titel, hatte trotz Kronjuwelen, goldener Kutsche und ihrer Paläste kaum noch politische Macht im Königreich. Zwar war sie formal nach wie vor das Staatsoberhaupt Großbritanniens und 15 weiterer Staaten, blieb die Oberkommandierende der britischen Armee, berief Premierminister und das Haupt der anglikanischen Kirche. Tatsächlich schrieben jedoch Kabinett, Parlament und Zeremoniell der Queen auf Schritt und Tritt vor, was sie zu tun und zu sagen hatte.
6. September 2022
Die gerade gewählte Vorsitzende der Konservativen Partei, Liz Truss (r), gibt während einer Audienz in Balmoral Queen Elizabeth II. die Hand.
Bild: dpa
Der letzte Härtetest für Elizabeth II. war der Brexit. Zwar äußerte sich die Monarchin nicht zu der Frage, ob Großbritannien besser in oder außerhalb der Europäischen Union aufgehoben sei. Als sie jedoch 2019 öffentlich dafür plädierte, „unterschiedliche Standpunkte zu respektieren“ und „zusammenzukommen, um nach Gemeinsamkeiten zu suchen“, wurde das allgemein als ein Fingerzeig aufgefasst, wie wichtig ihr die engen Verbindungen des Königreichs zu den Kontinentaleuropäern waren.
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