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01.04.2021

19:50

Onlineriese

Steuern, Regulierung, Arbeitsrecht – Amazon gerät an mehreren Fronten unter Druck

Von: Katharina Kort, Annett Meiritz

US-Präsident Biden hat Amazon auf großer Bühne attackiert. Dem Konzern drohen nicht nur höhere Steuern, er gerät von allen Seiten in Bedrängnis. 

Der Versandhändler gerät durch die US-Politik unter Druck. Reuters

Amazon

Der Versandhändler gerät durch die US-Politik unter Druck.

Washington Die Pandemie und der damit verbundene Onlineshopping-Boom haben Amazon Rekordumsätze beschert. Doch politisch gerät der Tech-Riese immer mehr in Bedrängnis.

So attackierte US-Präsident Joe Biden den Konzern am Donnerstag vor einem virtuellen Millionenpublikum und zog Amazon als Beispiel für Steueregoismus heran: Amazon sei eines von Dutzenden großen Unternehmen, „die verschiedene Lücken im System nutzen, um keinen einzigen Cent Einkommensteuer an den Bund zu zahlen“, prangerte er an.

Der Angriff steht für den Druck auf Amazon, der in der Pandemie wächst. Schließlich hat die Coronakrise einige Probleme in den USA verschärft, wie den laschen Arbeitnehmerschutz und die wirtschaftliche Ungleichheit.

Die Demokraten unter Präsident Biden wollen diese Entwicklung für ihre Ziele nutzen – und stellen Amazon in den Mittelpunkt. An diesen Fronten könnte Amazon Probleme kriegen:

Steuerpolitik

Die US-Regierung will bis zum Sommer ein gigantisches Paket für Infrastruktur und eine grüne Energiewende durch den Kongress bekommen. Einen beträchtlichen Teil davon sollen die US-Konzerne bezahlen, durch einen höheren Körperschaftsteuersatz von 28 Prozent. 

Außerdem ist eine globale Mindeststeuer von 21 Prozent für Tochtergesellschaften von US-Unternehmen geplant, die im Ausland operieren. Für prominente Demokraten wie die Senatorin Elizabeth Warren ist Amazon der größte „Steuersünder“: Erst vergangene Woche postete sie ein Video auf Twitter, in dem sie Amazon für die Ausnutzung von Steuerschlupflöchern kritisierte. 

Der Konzern wehrte sich über seinen Account Amazon News. „Sie machen die Steuergesetze...wir befolgen sie einfach. Wenn Ihnen die Gesetze, die Sie erstellt haben, nicht gefallen, ändern Sie sie doch“, konterte das Unternehmen. 2017 und 2018 hatte Amazon tatsächlich keine Bundessteuern gezahlt. Biden verspricht nun, solche Fälle endgültig in die Vergangenheit zu verbannen. „Ich werde dem ein Ende setzen“, sagte er. 

Arbeitsbedingungen

Im Pandemiejahr 2020 stellte Amazon mehr als 500.000 Mitarbeiter ein, parallel wurden die Rufe lauter, die Arbeitsbedingungen zu verbessern – auch, weil sich knapp 20.000 Angestellte mit dem Coronavirus infizierten. Mitarbeiter haben sich in der Vergangenheit mehrfach über die schlechten Konditionen beschwert und darüber, dass sie bei ihrer Arbeit die gesamte Zeit kontrolliert werden, damit sie ihre Produktionsziele erreichen.

Sieben Frauen klagten zwischen 2011 und 2019 gegen Amazon, weil sie angeblich entlassen wurden, nachdem sie in ihrer Schwangerschaft zu oft auf Toilette gingen. Es gibt auch Berichte über Mitarbeiter, die in Flaschen urinieren, weil sie Angst haben, sonst ihre Vorgaben zu verfehlen.

Amazon weist die Vorwürfe zurück und betont, dass das Unternehmen vielerorts deutlich mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zahlt. In den kommenden Tagen wird das Ergebnis einer Abstimmung in einem Amazon-Werk im Bundesstaat Alabama erwartet, das bahnbrechende Folgen haben könnte. Knapp 6000 Angestellte entscheiden darüber, ob sie sich einer Gewerkschaft anschließen.

Tausende Amazon-Mitarbeiter könnten sich demnächst gewerkschaftlich organisieren. AP

Gewerkschaft

Tausende Amazon-Mitarbeiter könnten sich demnächst gewerkschaftlich organisieren.

Es wäre das erste Mal, dass sich Amazon-Mitarbeiter in den USA gewerkschaftlich organisieren würden. Das könnte Signalwirkung für andere Werke und Konzerne haben. „Wenn das der Beginn einer breiteren Bewegung ist, wäre das eine große Sache für die gesamte US-Wirtschaft“, sagte Alex Colvin, Experte für Arbeitsrecht, dem Sender ABC. 

Nur zehn Prozent der Angestellten in den USA sind Mitglied in einer Gewerkschaft. Die Abstimmung wird überparteilich unterstützt, Biden selbst bezeichnete sie als „lebenswichtige Wahl“, der republikanische Senator Marco Rubio unterstützt das Vorhaben ebenfalls. Der Demokrat Bernie Sanders und mehrere Hollywoodstars reisten zum Werk nach Alabama. 

Regulierung

Seit Jahren arbeiten die US-Regierung und der Kongress daran, Tech-Riesen wie Amazon, Apple, Facebook und Google stärker zu regulieren und das Wettbewerbsrecht dem digitalen Zeitalter anzupassen. Mit dem wachsenden Druck aus Washington steht Amazon damit vor einer Zukunft, die der Konzern zum Teil nicht mehr kontrollieren kann.

„Noch nie war man sich überparteilich so einig, dass Big Tech stärker reguliert werden muss“, sagt die Expertin Lindsay Gorman von der Denkfabrik German Marshall Fund. Der nächste große Vorstoß könnte eine kartellrechtliche Klage der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) gegen Amazon werden.

Die 32-jährige Yale-Professorin Lina Khan, die für eine Aufspaltung von Amazon plädiert, wurde kürzlich von Biden für einen Platz in der fünfköpfigen FTC-Führung nominiert. Die FTC überwacht in den USA das Kartellrecht und den Verbraucherschutz. Mit Khan an der Spitze steigen die Chancen deutlich, dass es zur Klage kommt. 

Für das Unternehmen steht viel auf dem Spiel. Dabei konzentriert sich die Kritik bei den Arbeitsbedingungen auf einen Teil des Unternehmens, der nicht einmal die größte Einnahmequelle von Amazon ist. Die Beschwerden beziehen sich vor allem auf Amazon als Onlinehändler – und nicht auf das lukrative Cloud-Geschäft von Amazon Web Services (AWS). Im Cloud-Geschäft, in dem vor allem hochspezialisierte Softwareexperten und keine Mindestlohnangestellten arbeiten, ist von Problemen mit Mitarbeitern nichts zu hören. 

Der Onlinehandel machte 2020 den größten Anteil des Umsatzes aus, doch Gewinn macht der Konzern aus Seattle vor allem mit AWS. Das Cloud-Geschäft ist mit 45 Milliarden Dollar für zwölf Prozent des Umsatzes verantwortlich, trägt aber mit 13,5 Milliarden Dollar fast zwei Drittel des Gewinns bei.

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Damit ist das Geschäft mit den Internetdiensten eine wichtige Säule, um das internationale Geschäft querzufinanzieren, das zuletzt immer wieder verlustträchtig war. Wie wichtig das Cloud-Geschäft für die Zukunft von Amazon ist, haben zuletzt auch die Personalien im Konzern gezeigt: Als Gründer Jeff Bezos als CEO zurückgetreten ist, hat er seinen Posten an den bisherigen AWS-Chef Andy Jassy abgegeben.

Der Konzern geht in die Offensive

Amazon wehrt sich zunehmend gegen die Welle der Kritik. Der Konzern reagierte auf Twitter direkt auf Bidens Rede vom Donnerstag: So nutze man unter anderem Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung – ein Thema, das für die Biden-Regierung oberste Priorität hat. In verschiedenen Statements erklärte Amazon, man habe in der Covid-Krise massiv in Schutzausrüstung, Schnelltests und Reinigung investiert.

In Bezug auf die Gewerkschaftsabstimmung in Alabama verteidigt sich der Konzern, dass man dort mindestens 15 Dollar pro Stunde zahle – obwohl der gesetzliche Mindestlohn nur die Hälfte betrage. „Die Wahrheit ist, dass wir mehr als eine Million unglaubliche Mitarbeiter auf der ganzen Welt haben, die stolz sind auf das, was sie tun, und die großartige Löhne und eine Krankenversicherung vom ersten Tag an haben“, betonte Amazon auf Twitter.

Über den Kurznachrichtendienst ging der Konzern in den vergangenen Tagen spürbar in die Offensive. „Sie glauben doch nicht wirklich diese In-die-Flasche-pinkel-Sache, oder?“, twitterte Amazon News und erntete dafür heftige Kritik und eine Reaktion eines Mitarbeiters, der diese Flasche nach eigenen Angaben entdeckt haben will.

Und Dave Clark, CEO von Amazons Consumer Operations, betonte in einer Reihe von Tweets, dass Amazon „linker“ sei als Bernie Sanders. Der Bundesstaat des Senators, Vermont, schreibe lediglich 11,75 Dollar pro Stunde vor. „Erst mal vor der eigenen Tür kehren“, kommentierte Clark. 

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