Ohne ausländische Hilfe kommt Venezuelas Machthaber längst nicht mehr aus. Aber er hat geopolitisch ein attraktives Angebot für seine Verbündeten.
Nicolás Maduro
Venezuelas Präsident ist bei seiner Geldpolitik auf die Unterstützung aus dem Ausland angewiesen.
Bild: dpa
Salvador Es gibt keine Zweifel daran, wie die Parlamentswahlen an diesem Sonntag in Venezuela ausgehen werden: Die Opposition boykottiert die Wahlen. Ausländische Wahlbeobachter sind nicht zugelassen. „Das Regime wird einen Erdrutschsieg erringen“, sagt Phil Gunson von International Crisis Group. „Überraschungen sind ausgeschlossen.“
Zumal Nicolás Maduros sozialistische Regierung alles tut, um die Venezolaner zu den Urnen zu bekommen. „Wer nicht wählt, der bekommt nichts zu essen“, erklärte jetzt Diosdado Cabello, die Nummer zwei des Regimes. Nur wer wählt, hat Aussicht auf Lebensmittelhilfen. Einmal an der Wahlurne, stimmen die Menschen tendenziell für die Regierung. Denn das elektronische System gilt als manipuliert. Die Venezolaner fürchten Repressalien, wenn sie ungültig oder für Oppositionspolitiker stimmen.
Dem Regime liegt viel an einem Sieg mit hoher Wahlbeteiligung. Maduro will den Fehler von 2015 nicht wiederholen. Damals gewann die Opposition überraschend die Mehrheit der Abgeordnetenmandate. Maduro hatte im zweiten Jahr seiner Amtszeit als Nachfolger des verstorbenen Hugo Chávez, seine gesunkene Popularität und die Organisationskraft der Opposition unterschätzt.
Das Parlament in der Hand der Opposition konnte den in Kuba ausgebildeten Gewerkschafter zeitweise heftig in Bedrängnis bringen. Vor allem als sich der Oppositionsführer Juan Guaidó im Januar 2019 zum legitimen Präsidenten Venezuelas ernannte - mit dem Argument, dass die Parlamentswahl von 2015 die letzte „saubere“ Abstimmung ohne umfassende Manipulationen gewesen sei.
50 Staaten weltweit – darunter auch Deutschland - erkannten Guaidó als Präsidenten Venezuelas an. Zeitweise sah es so aus, als seien Maduro und sein Regime so angeschlagen, dass dessen Ablösung nur noch eine Frage der Zeit sein würde. Doch der Versuch Guaidós, das Militär auf seine Seite zu ziehen, scheiterte im Mai 2019.
Seitdem konnte Maduro sich und sein Regime weiter festigen. Die Opposition ist zerstritten, Guaidós Ruf angeschlagen: Es gibt Verbindungen zwischen ihm und einem Trupp von US-Söldnern, die vor einem halben Jahr angeblich eine Attacke auf Maduro versuchten, aber abgefangen wurden. Im August unterstützte ihn noch knapp ein Viertel der Venezolaner. Guaidó ruft nun zu einem Boykott der Wahlen auf und will parallel eine Internetabstimmung abhalten, um Maduros Regime als illegitim darzustellen.
„Guaidó soll aufhören im Internet Regierung zu spielen!“ – kritisiert ihn der Oppositionspolitiker Henrique Capriles, der bei den Präsidentschaftswahlen 2014 knapp gegen Maduro verloren hatte. Capriles wollte sich der Wahl am Nikolaussonntag stellen, aber mit unabhängigen Wahlbeobachtern aus der EU. Doch Maduro ließ sich nicht auf den Deal an. Und so rief Capriles vor einem Monat ebenfalls zum Wahlboykott auf.
„Wegbleiben und nicht wählen – das hat der Opposition noch nie etwas gebracht“, kritisiert Luís Vicente de Leon von Datanalisis in Caracas. Ein klarer Wahlsieg stärke Maduro gegenüber seinen ausländischen Alliierten wie Russland, China und Iran – und schwäche die Opposition noch zunehmend.
Gegenüber diesen Regimes möchte Maduro als jemand dastehen, der seinen Laden zusammen halten kann. Die ausländische Unterstützung ist inzwischen existenziell geworden für Maduro. Denn die Wirtschaftskraft Venezuelas ist unter seiner Regierung seit 2014 auf ein Fünftel geschrumpft.
Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 1700 Dollar in diesem Jahr – so schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut Econanalítica – ist nur das Einkommen der Haitianer in Lateinamerika noch geringer. Nach einer Untersuchung von drei privaten Universitäten sind 80 Prozent der Venezolaner „extrem arm“. 30 Prozent der unter Fünfjährigen leiden an Fehl- oder Unterernährung.
Fünf Millionen Venezolaner haben das Land verlassen. Das ist nach der Massenflucht aus dem Kriegsgebiet Syrien der größte Exodus weltweit.
Der Hauptgrund für den wirtschaftlichen Absturz: Venezuela kann wegen Misswirtschaft und Korruption seinen Reichtum nicht nutzen. Der Karibikstaat ist das Land mit den größten Ölreserven weltweit. Doch im Oktober förderte es nur noch 473.000 Fass Öl am Tag – nur Kongo, Libyen, und Gabun produzieren unter den OPEC-Mitgliedern noch weniger. Vor wenigen Jahren war es noch fünfmal so viel.
Inzwischen ist Venezuela sogar Nettoölimporteur. Neuester Lieferant ist Iran, welches dem Land im Oktober 800.000 Fass verkauft hat. Vermutlich gegen Gold und andere Bodenschätze, welche Militärs mit verschiedenen paramilitärischen Gruppen im Amazonasgebiet Venezuelas schürfen sollen.
Die Wirtschaftsbeziehungen mit dem iranischen Regime haben sich auch sonst intensiviert: So hat die iranische Supermarktkette Megasis im August eine große Filiale in Caracas eröffnet. Geplant ist ein mehr oder weniger regelmäßiger Flugfrachtverkehr zwischen Caracas und Teheran. In offiziellen Kommuniqués der beiden Regierungen stilisieren sie sich zu Partnerländern, welche durch die harten US-Sanktionen solidarisch geeint seien.
Für Iran ist Venezuela aus geopolitischen Gründen ein willkommener Alliierter. Drei Flugstunden entfernt von Miami ist Venezuela - ähnlich wie Kuba im Kalten Krieg vor 50 Jahren - der perfekte Ort, um die USA zu stören. Maduro bietet seine geopolitische Lage allen an, die Interesse daran haben, die USA an ihrer Südflanke unter Druck zu setzen.
Das gilt genauso für China und Russland, die weiterhin zu den wichtigsten Unterstützern Maduros zählen. Daran dürfte auch eine mögliche Milderung der harten Sanktionen gegenüber Venezuela unter Präsident Biden in den USA wenig ändern.
Raúl Gallegos von der Strategieberatung Control Risk rechnet damit, dass Biden flexibler gegenüber Venezuela auftreten könnte, um im Gegenzug US-Ölkonzernen neue Aktivitäten zu erlauben. Doch der Sicherheitsexperte erwartet nicht, dass das Regime darüber hinaus zu Entgegenkommen bereit sei.
Für den nordamerikanischen Lateinamerika-Experten Abraham Lowenthal bedeutet der Abgang Trumps jedoch, dass die Opposition sich neu orientieren müsse. „Die Androhung einer militärischen Invasion unter Trump gab der Opposition die Illusion, dass es eine Lösung geben könnte, ohne verhandeln zu müssen“, sagt Lowenthal.
Aber einen Wechsel könne es nur geben, wenn die Mitglieder der Maduro-Regierung Aussichten hätten, sich eine bessere Zukunft verhandeln zu können. „Die Opposition muss akzeptieren, dass sie einen Dialog mit Mitgliedern der autoritären Regierung führen muss.“
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