Jair Bolsonaro kandidiert erneut für das Amt des Präsidenten. Siegessicher scheint er aber nicht, denn er bereitet sich bereits auf eine Wahlniederlage vor – inklusive Machtkampf.
Jair Bolsonaro
Der Rechtspopulist liegt aktuell in den Umfragen hinten.
Bild: AP
Rio de Janeiro Es war großes politisches Tamtam, das der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro am Sonntag veranstaltete. In der kleineren Arena neben dem Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro sangen Schlagerstars die Nationalhymne. Evangelikale Pastoren beteten gemeinsam mit rund zehntausend Anhängern. Bolsonaros Gattin warnte in der Eröffnungsrede vor der kommunistischen Gefahr in Brasilien, sollte ihr Mann nicht wiedergewählt werden.
Bei der über alle sozialen Medien verbreiteten Veranstaltung ließ sich der Rechtspopulist als Kandidat der Liberalen Partei für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Oktober küren. Es ist die neunte Partei, für die Bolsonaro in seiner politischen Laufbahn kandidiert.
Bei der Veranstaltung wirkte es so, als würde Bolsonaro sich bereits auf eine Niederlage vorbereiten – und auf Möglichkeiten, dennoch an der Macht zu bleiben. So rief er seine Anhänger dazu auf, am 7. September – dem 200. Unabhängigkeitstag Brasiliens – „ein letztes Mal“ auf die Straßen zu gehen.
Bereits im vergangenen September hatte der brasilianische Präsident seine Anhänger zum Sturm auf das Oberste Gericht angestachelt – ähnlich wie der Sturm auf das US-Kapitol Anfang 2021 nach den Präsidentschaftswahlen durch Unterstützer des unterlegenen Präsidenten Donald Trump. Im Gegensatz zu den USA fand ein solcher in Brasilien allerdings nicht statt.
Außerdem scheint der amtierende Präsident einen Sieg seines linken Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva schon im Voraus anzweifeln zu wollen. Erst vor einer Woche kritisierte Bolsonaro vor ausländischen Botschaftern erneut das elektronische Wahlurnensystem als unzuverlässig und argumentierte mit Unterstellungen, Halbwahrheiten und offensichtlich unrichtigen „Tatsachen“. Beweise legte er keine vor.
In den jüngsten Umfragen führt Lula mit 47 Prozent weit vor Bolsonaro mit 28 Prozent. Besonders schlecht schneidet Bolsonaro bei Frauen und Jugendlichen ab, sowie den sozial schwachen Bewohnern in Brasiliens Nordosten, wo etwa ein Fünftel der Wähler leben.
Um in dieser Gruppe Stimmen zu gewinnen, hat die Regierung bereits ein großes Sozialpaket aufgelegt. Das sprengt zwar den gesetzlichen Ausgabenrahmen für das Staatsbudget, wurde aber mit einem angeblichen „nationalen Notstand“ legitimiert.
Unter anderem bekommen nun 30 bis 40 Millionen Menschen mit niedrigem Einkommen einen monatlichen Zuschuss von umgerechnet 100 Euro. Als die Regierung Bolsonaro zu Beginn der Pandemie die Sozialhilfe ähnlich breit verteilte, steigerte dies Bolsonaros Popularität unter der ärmeren Bevölkerung rapide.
Luiz Inácio Lula da Silva
Der ehemalige brasilianische Präsident durfte bei der letzten Wahl nicht antreten.
Bild: Reuters
Allerdings hatte Bolsonaros Gegner Lula auch bei den jüngsten Wahlen vor vier Jahren in den Umfragen geführt. Der zweifache Ex-Präsident durfte jedoch nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aufgrund von Korruptionsfällen während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 nicht an den Wahlen teilnehmen. Inzwischen wurde das Urteil jedoch aus formalen Gründen für ungültig erklärt und Lula politisch rehabilitiert
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Noch ist es gut möglich, dass Lulas Vorsprung in den kommenden Wochen schrumpfen wird. Bisher gab sich der Ex-Präsident immer zuversichtlich, bereits im ersten Wahldurchgang zu gewinnen. Das erscheint nun nicht mehr realistisch.
Der ehemalige Arbeiterführer hat Schwierigkeiten, Allianzen in wichtigen Bundesstaaten zu schließen. Zwar stehen die Kommunistische Partei und die Grünen Brasiliens sowie seine eigene Arbeiterpartei PT hinter ihm. Doch um seinen Vorsprung zu halten oder auszubauen, braucht er mehr verbündete Parteien aus der politischen Mitte. Diese zögern allerdings wegen Bolsonaros großzügiger Ausgabenpolitik, sich deutlich hinter Lula zu stellen.
Noch ist nicht klar, wer neben Bolsonaro und Lula den Wahlkampf bestreiten wird. Erst am 15. August müssen die Kandidaten ihre offizielle Kandidatur anmelden.
Derweil nimmt der Wahlkampf an Aggressivität zu: Bei einer Veranstaltung Lulas in Rio explodierte eine Bombe. Immer wieder stoßen Anhänger der beiden Kontrahenten bei Demonstrationen gewaltsam aufeinander.
Unterstützung findet Bolsonaro nicht nur auf der Straße, sondern auch unter den Militärs. In der Regierung besetzen sie zahlreiche Schlüsselpositionen. Immer wieder ermitteln sie gegen das elektronische Wahlsystem, obwohl ihre Meinung oder Expertise nach der Verfassung nicht vorgesehen ist.
Inzwischen fürchten viele Brasilianer, dass die Militärs ein mögliches politisches Vakuum nach einer angezweifelten Wahl füllen könnten – um Bolsonaro und auch sich selbst die Macht zu sichern.
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