An Bord des Verlegeschiffes „Audacia“
Der Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2.
Bild: dpa
Die USA kämpfen weiter gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2. Der US-Botschafter in Deutschland übt Druck auf deutsche Firmen aus.
Berlin Zum Jahresanfang erhalten die Vorstände deutscher Unternehmen viele höfliche Briefe – mit in der Regel ernst gemeinten Glückwünschen fürs neue Jahr. Das Schreiben, das US-Botschafter Richard Grenell am 3. Januar verschickte und kurz darauf bei BASF-Chef Martin Brudermüller in Ludwigshafen und der Führung des Energiekonzerns Uniper in Düsseldorf ankam, hat aber rein gar nichts von so einem „Neujahrsbrief“ (hier im Wortlaut dokumentiert) – die Empfänger empfinden ihn vielmehr als unverhohlene Drohung.
Grenell bekräftigte in dem Brief die Kritik an der von Gazprom geplanten neuen Ostseepipeline Nord Stream 2 und warnte die Adressaten, die sich beide an dem Projekt beteiligen: „Wir betonen weiterhin, dass Firmen, die Exportpipelines für russische Energie betreiben, sich an Aktivitäten beteiligen, die einem erheblichen Sanktionsrisiko unterliegen“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt.
„Im Namen meiner Regierung ersuche ich Ihr Unternehmen daher, sich der Gefahr bewusst zu sein, die dieses Projekt für die europäische Energiesicherheit darstellt, sowie die damit verbundenen Kosten und Sanktionsrisiken“, so Grenell. Zuerst hatte die „Bild am Sonntag“ über den Brief berichtet.
Nord Stream 2 soll parallel zur bereits bestehenden Ostseepipeline zusätzliches Gas direkt aus Russland über die Ostsee nach Deutschland bringen. Der Bau der 1200 Kilometer langen Pipeline ist schon weit fort geschritten. Das Projekt stößt schon lange auf Kritik. Vor allem die Ukraine fürchtet weiter an Bedeutung als Transitland für russisches Gas zu verlieren – und so noch größerem Druck in der politischen Auseinandersetzung mit dem Nachbarland ausgesetzt zu sein.
Aber auch andere osteuropäische Staaten wie Polen kritisieren die neue Transportroute und EU-Politiker warnen vor einer noch höheren Abhängigkeit Europas von russischem Gas. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump macht aber auch die US-Regierung massiv Front gegen das Projekt.
BASF und Uniper sehen dagegen in Nord Stream 2 eine wichtige Transportroute, um den steigenden Importbedarf Europas zu decken, Sie wollen sich gemeinsam mit der niederländisch-britischen Shell, Engie aus Frankreich und OMV aus Österreich an dem von Gazprom geplanten Projekt beteiligen. Die westlichen Partner wollen die Hälfte der Kosten von knapp zehn Milliarden Euro übernehmen.
Die USA hatten auch schon mehrfach mit Sanktionen gedroht – auch gegen Zulieferfirmen. Mit dem direkten Schreiben Grenells hat der Konflikt aber eine neue Qualität erhalten. Das Schreiben sei eine unverhohlene Drohung, heißt es in Kreisen der beteiligten Konzerne. Die Unternehmen wandten sich an das Auswärtige Amt, um sich zu erkundigen, wie sie auf den Brief reagieren sollten. Dort sei ihnen geraten worden nicht zu antworten.
Im Auswärtigen Amt wird das Schreiben als Provokation aufgefasst. Vor allem in der Wirtschaftsabteilung ist man der Auffassung: Es reicht. Denn es ist nicht das erste Mal, dass Grenell die Bundesregierung verärgert. Schon mit seiner Twitter-Agitation gegen das Atomabkommen mit Iran und seiner Solidarisierung mit rechtspopulistischen Kräfte in Europa hat Grenell Berlin gegen sich aufgebracht.
Diplomaten zürnen seit längerem hinter vorgehaltener Hand: Der US-Botschafter verstehe es als seine Aufgabe, die Außenpolitik Deutschlands in zentralen Fragen zu hintertreiben. Seine Rolle als diplomatischer Vertreter seines Heimatlands scheine er nicht zu verstehen.
Außenminister Heiko Maas und Außenstaatssekretär Andreas Michaelis haben Grenell deutlich zu verstehen gegeben, dass sie einen anderen Umgang miteinander wünschen. Vier mal war der Botschafter schon im Auswärtigen Amt. In den Gesprächen zeigte sich Grenell einsichtig. Doch in der Öffentlichkeit fand er schnell in die Rolle des Provokateur zurück.
Das Auswärtige Amt hat daraus Konsequenzen gezogen. Statt den Botschafter offiziell einzubestellen und so die Beziehungskrise zu den USA zu verschärfen, sind die Diplomaten dazu übergegangen, ihre Kontakte direkt über das Außenministerium in Washington laufen zu lassen. Trotz unterschiedlicher Auffassungen bei Themen wie Iran und Nord Stream 2 verliefen diese Gespräche „professionell“, heißt es. Das Kalkül ist klar: Die Berliner Botschaft soll marginalisiert, Grenell die kalte Schulter gezeigt werden.
Offiziell will sich das Auswärtige Amt darum bisher auch nicht zu den Briefen des Amerikaners äußern. Wie zu hören ist, will man Grenell nicht den Gefallen tun, die Sache weiter aufzuwerten. Auch die betroffenen Firmen hielten sich zunächst bedeckt.
Außenminister Heiko Maas hatte am vergangenen Donnerstag aber öffentlich auf den zunehmenden Druck der US-Regierung reagiert auf den zunehmenden Druck der US-Regierung reagiert und die Kritik an Nord Stream 2 scharf zurückgewiesen.
„Fragen der europäischen Energiepolitik müssen in Europa entschieden werden, nicht in den USA“, sagte Maas beim Neujahrsempfang des Ost-Ausschusses Osteuropavereins der deutschen Wirtschaft: „Nord Stream 2 mit einseitigen Sanktionen zu belegen ist jedenfalls nicht der richtige Weg.“ Würden deutsche und europäische Unternehmen aus dem Projekt herausgedrängt, werde es zudem niemanden mehr geben, der darauf poche, dass der russische Gastransit durch die Ukraine erhalten bleiben müsse. Maas‘ Äußerungen wiederum wurden von Vertretern der US-Botschaft kritisiert.
Zum Brief an die deutschen Konzerne sagte ein Sprecher Grenells jetzt nach Angaben der „Bild am Sonntag“: „Der Brief ist nicht als Drohung aufzufassen, sondern als klare Botschaft der US-Politik.“
Immer unverhohlener drohen die USA mit Sanktionen – und zielen auf einen neuralgischen Punkt des Projekts. Berlin versucht, auf die Trump-Regierung einzuwirken.
Die ist aber unmissverständlich: „Die Pipeline hat ernste geostrategische Konsequenzen für unsere europäischen Verbündeten und Partner“, heißt es in dem Brief. Nord Stream 2 und die parallel geplante Pipeline Turkstream durch das Schwarze Meer würden es Russland erleichtern, die Ukraine als Transitroute für Gas nach Europa zu umgehen. Damit wiederum ginge ein „wichtiges strategisches Abschreckungsmittel“ für das aggressive Verhalten Russland gegenüber der Ukraine verloren. „Unternehmen, die den Bau der Pipeline unterstützen, beteiligen sich damit aktiv darin die Sicherheit der Ukraine und Europas zu untergraben.“
In Branchenkreisen wird den USA aber auch vorgehalten, eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Die USA wollen eigenes Gas zunehmen in verflüssigter Form exportieren – und haben dabei auch den europäischen Markt im Blick. Hier wiederum steht es in Konkurrenz zu russischem Gas. Auch auf andere europäische Firmen übt die US-Regierung Druck wegen deren Beteiligung am Pipeline-Bau aus, wie das Handelsblatt am vergangenen Wochenende berichtet hatte.
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