PremiumMoskau setzt der Nato zufolge seinen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine fort. Jüngste Äußerungen des Kremls nähren die Sorgen der Allianz.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Das Verteidigungsbündnis bleibt skeptisch, ob sich Russland wirklich vom Grenzgebiet zur Ukraine zurückzieht.
Bild: dpa
Moskau, Brüssel Die am Dienstag aufgekeimte Hoffnung auf eine Entspannung des Konflikts mit Russland trübt sich wieder: Die Nato sieht bisher keine Anzeichen dafür, dass sich russische Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine zurückziehen. „Wir haben die Signale aus Moskau vernommen, dass man bereit ist, die diplomatischen Bemühungen fortzusetzen“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel. „Bislang haben wir jedoch keine Deeskalation feststellen können. Im Gegenteil, es scheint, dass Russland seine militärische Aufrüstung fortsetzt.“
Zuvor hatte Moskau angekündigt, einen Teil seiner Truppen abzuziehen. Die russische Regierung veröffentlichte Videos von Panzern und anderen Militärfahrzeugen, die angeblich von der Halbinsel Krim abgezogen wurden. Westliche Aufklärungssatelliten scheinen aber bisher nicht zu bestätigen, dass es sich um größere Truppenverlegungen handelt. „Der russische Truppenaufmarsch ist weiterhin besorgniserregend“, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei ihrer Ankunft in Brüssel. Es sei daher wichtig, weiter „sowohl auf Dialog als auch auf Abschreckung“ zu setzen.
Äußerungen aus dem Kreml stärken die Beunruhigung der Nato. Kremlsprecher Dmitri Peskow hob am Mittwoch die Gefahr eines Angriffs der ukrainischen Streitkräfte auf die abtrünnigen, von Russland unterstützten Donbass-Republiken im Osten des Landes hervor. Bei seinen Gesprächen mit ausländischen Partnern habe Präsident Wladimir Putin stets auf die gefährlich hohe Konzentration der ukrainischen Truppen nahe der Frontlinie hingewiesen, betonte Peskow. Diese Gefahr sei nicht kleiner geworden.
Schon am Dienstag hatte Putin nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) davon gesprochen, dass in der Ostukraine ein „Völkermord“ stattfinde. Die Nato-Partner befürchten, dass die russische Führung auf diese Weise versuchen könnte, eine Invasion zu rechtfertigen.
Karen Donfried, Europa-Staatssekretärin im US-Außenministerium, sagte am Mittwoch in einem Pressegespräch, man prüfe „diese Art von Äußerungen“ sehr genau. „Unsere Sorge ist, dass Russland einen Vorwand im Donbass konstruiert und diesen benutzt, um in der Ukraine einzufallen.“ Ob sich Putin zu einem Angriff entschlossen habe, sei allerdings weiter unklar.
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Die USA hatten vergangene Woche davor gewarnt, dass ein russischer Angriff auf die Ukraine unmittelbar bevorstehen könnte - und diesen Mittwoch als mögliches Datum genannt. Präsident Joe Biden betonte am Dienstagabend, dass es zu früh sei, Entwarnung zu geben und ein Angriff „eindeutig möglich“ bleibe.
Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied, orientiert sich aber nach Westen und wird von den Europäern und den Amerikanern militärisch unterstützt. Dass die USA die Ukraine mit eigenen Soldaten verteidigen, hat Biden allerdings ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Konflikt mit der Atommacht Russland könnte schnell außer Kontrolle geraten.
In der Ukraine herrscht gespannte Ruhe. Etliche europäische Länder sind dem Beispiel der USA gefolgt und haben ihre Botschaften in Kiew evakuiert. Die Bundesregierung hat deutsche Staatsbürger dazu aufgerufen, die Ukraine zu verlassen. Die ukrainische Regierung dagegen warnt vor einer Panik. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt von seinen westlichen Partnern „Beweise“ gefordert und für diesen Mittwoch einen „Tag der Einheit“ ausgerufen.
Daher wurde über öffentlichen Gebäuden die ukrainische Flagge gehisst. Selenski forderte seine Landsleute auf, Einheit zu demonstrieren. So unterschiedlich die Ukrainer auch seien, sie eine der Wunsch, glücklich und friedlich in ihrer Heimat zu leben. „Niemand wird unser gemeinsames Haus so lieben wie wir – und niemand, außer wir alle zusammen, wird dieses Haus verteidigen“, sagte er in einer kurzen Ansprache.
Ukrainer in Odessa singen die Nationalhymne am Tag der Einheit
Der Grundkonflikt mit Russland bleibt ungelöst.
Bild: AP
Auch der ostukrainische Oligarch Rinat Achmetow meldete sich zu Wort: „Ein glückliches Donezk, einen glücklichen Donbass kann es nur in einer geeinten Ukraine geben“, sagte er bei einem Besuch seines Stahlwerks in Mariupol, wenige Kilometer von der Frontlinie zu den Separatistengebieten entfernt.
Der Weg zu einer Entspannung ist noch weit. Das ukrainische Innenministerium berichtete am Mittwoch über eine der bisher größten Cyberattacken auf staatliche Einrichtungen und Banken. Zugleich startete das ukrainische Verteidigungsministerium das Militärmanöver „Schneegestöber 2022“, offenbar, um die eigene Kampfbereitschaft zu demonstrieren.
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