PremiumDie Regierung um Präsident Ramaphosa ist für ihre Haltung im Ukrainekrieg in Kritik geraten. Der Besuch von Kanzler Scholz offenbart die Misere des Landes.
Kanzler Scholz in Südafrika
Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa.
Bild: dpa
Johannesburg In Südafrika kursiert seit Längerem das Gerücht, dass Staatschef Cyril Ramaphosa Treffen mit westlichen Diplomaten derzeit tunlichst zu vermeiden sucht – so verbreiten es zumindest seit einiger Zeit die Medien vor Ort. Demnach sei der Präsident fest entschlossen, sich nicht auf die Forderungen von Geschäftsleuten oder Diplomaten einzulassen, Russlands Staatschef Wladimir Putin endlich für seinen Angriffskrieg zu verurteilen und Russland zu isolieren. Zu eng, so scheint es, sind die Bande des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) mit seinem alten Verbündeten aus dem Kalten Krieg.
Umso erstaunlicher mutet es an, dass Ramaphosa den heutigen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) protokollarisch plötzlich von einem Arbeitsbesuch zu einem offiziellen Besuch hochstufte – eine eher ungewöhnliche Maßnahme bei nur so wenigen Stunden Aufenthalt, wie Scholz sie einlegte. Schon am Dienstagabend fliegt der Kanzler nach Gesprächen mit Ramaphosa, einem Besuch des südafrikanischen Verfassungsgerichts sowie der Teilnahme am Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika von Johannesburg nach Berlin zurück.
In der Delegation des Kanzlers dürfte die neue Einstufung des Besuchs die Hoffnung wecken, dass Südafrika womöglich doch mehr Verständnis für die Anliegen des Westens in der Ukrainekrise hat und stärker auf dessen harte Linie gegenüber Putin einschwenkt. Bislang hatte Präsident Ramaphosa einen eher unkritischen Ton gegenüber Russland angeschlagen und diesen erst zuletzt zumindest leicht verschärft.
Für die südafrikanische Regierung bedeutet der Besuch von Scholz einen schwierigen Balanceakt zwischen der Loyalität zu Russland und den Beziehungen zu den europäischen Staaten. Schließlich ist Europa nach wie vor der wichtigste Handels- und Wirtschaftspartner des Landes. Beide Seiten betonten in der Vergangenheit immer wieder, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.
Auch deshalb dürfte es in Berlin nicht gut angekommen sein, dass sich unter den weltweit 35 Staaten, die sich bei der UN-Resolution zum Ukrainekrieg der Stimme enthielten, auch Südafrika befand. Allerdings hatte Südafrika schon unter der Regierung Nelson Mandelas enge Kontakte zu Staaten wie Libyen, Kuba und dem Iran, die neben der Sowjetunion den Befreiungskampf des bis heute sozialistisch orientierten ANC finanzierten.
Die Haltung der südafrikanischen Regierung im Ukrainekrieg könnte dem Land gefährlich werden. William Gumede von der School of Government an der Universität Witwatersrand befürchtet, dass die Rückendeckung für Putin Südafrika zum globalen Außenseiter machen und Bemühungen um mehr Investitionen konterkarieren könne.
Gleichzeitig zählt Südafrika wegen des enormen Preisanstiegs der im Land geförderten Rohstoffe zu den Profiteuren des Ukrainekriegs. Völlig unerwartet liegen die Steuereinnahmen der vergangenen beiden Jahre um fast 300 Milliarden Rand (rund 18 Milliarden Euro) über den Erwartungen der Regierung. Im Gegenzug verkehrte sich die Leistungsbilanz von einem Defizit von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen Überschuss von 3,7 Prozent, was die Landeswährung Rand deutlich stärkte.
Gesprächsgegenstand beim Treffen von Scholz und Ramaphosa dürfte auch der schwer überschuldete und vom ANC heruntergewirtschaftete staatliche Stromkonzern Eskom gewesen sein. Seit 2008 hadert das Land mit immer stärkeren Stromausfällen. Die vielen Abschaltungen in diesem Monat zählen zu den schlimmsten in den vergangenen 14 Jahren.
Gegenwärtig wird der Strom für bis zu sieben Stunden am Tag gekappt, was direkte Auswirkungen auf die mehr als 600 in Südafrika tätigen Firmen aus Deutschland hat, darunter der Flugzeugsitzhersteller Recaro in Somerset West bei Kapstadt. Wie viele andere Unternehmen war Recaro gezwungen, aus Eigenmitteln einen Großgenerator zu kaufen, was die bereits stark gestiegenen Produktionskosten weiter erhöhte.
Die Stromausfälle in jüngster Zeit sind ein deutliches Indiz dafür, wie prekär Südafrikas Stromversorgung ist – so prekär, dass einige Analysten bereits orakeln, das Land könnte bald bis zu zwölf Stunden am Tag ohne Strom sein. Bislang wird das Netz nur durch ständige präventive Stromabschaltungen vor einem Kollaps bewahrt. Diese sind nach Ansicht von Experten eine Folge der sträflichen Vernachlässigung vieler Kohlekraftwerke und der verheerenden Personalpolitik des Staates, der bei Eskom seit Jahren politische Mitglieder ohne die notwendige Expertise lukrativ unterbringt.
Beobachter befürchten, dass die massiven Stromausfälle der bereits schwer angeschlagenen Wirtschaft am Kap mit einer offiziellen Arbeitslosenrate von 35,3 Prozent noch weiter zusetzen werden. Eskom selbst rechnet zwischen Juni und September mit bis zu 100 Tagen mit Stromausfällen. Ob Scholz und die mit ihm reisenden Vertreter der deutschen Energiewirtschaft daran etwas zu ändern vermögen, muss nach den Erfahrungen früherer Kanzlerbesuche eher bezweifelt werden.
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