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04.02.2023

21:15

Spionageverdacht

Ballon-Eklat löst diplomatische Krise zwischen China und den USA aus

Von: Annett Meiritz, Sabine Gusbeth

PremiumUS-Außenminister Blinken sagt seine Peking-Reise ab. China entschuldigt sich für den Eintritt des Ballons in US-Luftraum. Die US-Regierung schließt den Ballon über dem Atlantik ab.

Der US-Außenminister wird vorerst nicht nach China reisen. AP

Antony Blinken

Der US-Außenminister wird vorerst nicht nach China reisen.

Washington, Peking Ein mutmaßlicher chinesischer Spionageballon über amerikanischem Gebiet hat eine diplomatische Krise zwischen China und den USA ausgelöst. Die US-Regierung bezeichnete das Flugobjekt als „Überwachungsballon“ und wirft der Volksrepublik Spionage vor. US-Außenminister Antony Blinken verschob kurzfristig seine Reise nach Peking, die für Sonntag und Montag geplant war. Am Samstag schoss die US-Regierung den Ballon über dem Atlantik ab.

Blinken bezeichnete den „chinesischen Überwachungsballon“ im US-Luftraum als „unverantwortlich“ und „inakzeptabel“. Das habe er auch dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi in einem Krisentelefonat gesagt. China wies die US-Spionagevorwürfe als verunglimpfend zurück. Man akzeptiere „keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache“, sagte Wang chinesischen Angaben zufolge im Gespräch mit Blinken.

Dem chinesischen Außenministerium zufolge handle es sich bei dem Flugobjekt um ein „ziviles Luftschiff“ für „meteorologische und andere wissenschaftliche Forschung“. Er habe eine begrenzte Lenkfähigkeit und sei durch Windböen „weit von seinem geplanten Kurs“ abgekommen. China bedauere den „unbeabsichtigten Eintritt“ des Ballons in den US-Luftraum.

Die US-Regierung kritisierte die „klare Verletzung unserer Souveränität sowie des Völkerrechts“. Die US-Behörden sind davon überzeugt, dass der Ballon Teil eines umfassenderen chinesischen Spionageprogramms ist. Bereits während der Trump-Regierung wären immer wieder Flugobjekte über amerikanisches Gebiet geschickt worden, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Eingeweihte. Da Ballone langsamer sind als beispielsweise Spionage-Satelliten, können sie länger über dem Zielgebiet verweilen und es überwachen.

US-Regierung schießt Ballon über dem Atlantik ab

Die USA schossen nach eigenen Angaben den Ballon am Samstag vor ihrer Küste ab. Präsident Joe Biden habe den Abschuss durch das Militär gebilligt, erklärten Regierungsvertreter. Verteidigungsminister Lloyd Austin teilte mit, die Luftwaffe habe den Ballon vor der Küste des Bundesstaats South Carolina gestoppt. Eine Operation zur Bergung der Trümmerteile lief an. Fernsehbilder zeigten am Samstag eine kleine Explosion, anschließend fiel der Ballon in Richtung Wasser.

Zuvor hatte die US-Bundesluftfahrtbehörde FAA vorübergehend den Luftraum über der Küste der beiden Carolinas gesperrt. Die Küstenwache wies Schiffe an, die Gegend umgehend zu verlassen. Als Grund wurden US-Militäroperationen genannt, „die eine bedeutende Gefahr darstellen“.

Biden lehnte einen Abschuss des Ballons über Land auf Anraten des Verteidigungsministeriums ab. Dort wurde befürchtet, die Trümmer könnten Menschen am Boden verletzen. Als Reaktion auf eine Reporterfrage sagte Biden am Samstag knapp: „Wir werden uns darum kümmern.“

Unterdessen wurde laut US-Angaben ein weiterer möglicher Ballon über Lateinamerika gesichtet. „Wir sind dabei herauszufinden, ob es sich dabei um einen weiteren chinesischen Überwachungsballon handelt“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder.

Beide Seiten riefen sich gegenseitig zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Differenzen, sowie zu Dialog auf. Man versicherte sich gegenseitig, dass die Gesprächskanäle weiterhin offen sein. Außenpolitik-Experte Richard Haass kritisierte die Absage der Blinken-Reise. Gerade jetzt sei es wichtig, mit China zu sprechen, sagte der Präsident des US-Thinktanks Council on Foreign Relations dem TV-Sender CNN.

USA warnen vor Spionage durch China

Die kurzfristige Absage von Blinkens Reise nach Peking zeigt, wie angespannt das Verhältnis zwischen den USA und China ist. Das Pentagon hatte China früh vorgeworfen, mit dem  „Überwachungsballon“ sicherheitsrelevante Informationen zu sammeln. Die USA warnen schon länger vor Spionagebemühungen der Chinesen. 

Der Ballon, der laut US-Verteidigungsministerium seit 28. Januar im US-Luftraum befindet, sei „so groß ist wie drei Busse“. Er hatte die US-Behörden in Alarmbereitschaft versetzt. Denn in Montana lagern 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman III. Mehrere US-Politiker forderten einen Abschuss des Flugobjekts. Laut Pentagon-Sprecher Pat Ryder hätten die USA am Mittwoch, als der Ballon gesichtet wurde, mehrere F-22-Kampfjets mobilisiert. 

China hat den Vorwurf der Spionage zurückgewiesen. dpa

Chinesischer Ballon über den USA

China hat den Vorwurf der Spionage zurückgewiesen.

Allerdings sei von dem Ballon nie eine direkte Gefahr ausgegangen, wie das Pentagon erklärte. Chinesische Überwachungssatelliten, die im Weltraum über den USA schweben, hätten eine weitaus größere Spionagekapazität. Auch für Flugzeuge sei der Ballon aufgrund seiner großen Flughöhe ungefährlich. Der Zwischenfall unterstreicht jedoch, wie sehr sich die Beziehungen zwischen den USA und China verschlechtert haben.

Noch kein neuer Termin für Blinken-Reise nach Peking

Bidens Topdiplomat Blinken war an diesem Wochenende zur ersten Visite eines US-Außenministers seit 2018 in Peking erwartet worden. Nach Informationen mehrerer westlicher Medien hätte Blinken dabei auch Chinas Staatschef- und Partei Xi Jinping treffen sollen. Das wäre ein bemerkenswertes Signal der Annäherung von Seiten der chinesischen Staatsführung gewesen. 

Donald Trumps Außenminister Mike Pompeo war 2018 nicht von Xi empfangen worden. Durch den Ballon-Eklat verschlechtert sich das Verhältnis zwischen den beiden Weltmächten jedoch weiter. Ein neuer Termin für die Blinken-Reise ist bislang nicht bekannt. 

Biden hatte zu Beginn seiner Amtszeit erklärt, den Kontakt zu China nicht abreißen lassen zu wollen. AP

Xi Jinping (links) und Joe Biden

Biden hatte zu Beginn seiner Amtszeit erklärt, den Kontakt zu China nicht abreißen lassen zu wollen.

Biden hatte zu Beginn seiner Amtszeit versprochen, den Dialog mit Peking aufrechterhalten zu wollen. Der US-Präsident will mit China pragmatisch in der Klimapolitik oder im Nordkorea-Konflikt zusammenarbeiten. Doch gleichzeitig setzt Biden auf Abgrenzung, besonders im Tech-Bereich. Er will chinesische Firmen aus kritischen Zukunftsbranchen ausschließen und beschließt eine Blockade nach der anderen.

In ihrer nationalen Sicherheitsstrategie sehen die USA China als „größte geopolitische Bedrohung“ und warnen vor Pekings atomarer Aufrüstung. So befürchtet die US-Regierung etwa eine chinesische Invasion in Taiwan, der selbstverwalteten Insel, die China als sein Territorium beansprucht.  

CIA-Direktor William Burns hatte erst am Donnerstag davor gewarnt, das Szenario einer Eskalation nicht zu unterschätzen. Xi Jinping habe sein Militär angewiesen, bis 2027 für einen Einmarsch in der demokratischen Inselrepublik bereit zu sein, so Burns. Chinas Staats- und Parteichef pocht auf eine „Vereinigung“ mit Taiwan, notfalls auch mit Gewalt.

Anti-China-Rhetorik prägt US-Wahlkampf

Der Ballon-Vorfall wirft auch ein Schlaglicht auf den nahenden Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Es wird erwartet, dass sich Demokraten und Republikaner mit Anti-China-Rhetorik überbieten werden. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sprach im Zusammenhang mit dem Ballon von einer „dreisten Missachtung der US-Souveränität“. McCarthy bekräftigte in dieser Woche, er wolle mit einer Kongressdelegation nach Taiwan reisen. Ein Besuch der früheren Sprecherin Nancy Pelosi war in Peking als Affront verurteilt worden. 

In der US-Politik sei China inzwischen ein „toxisches Thema“, heißt es aus westlichen Diplomatenkreisen in Peking. Mit einer China-freundlichen Politik sei dort nichts zu gewinnen. Dies sei eine gefährliche Entwicklung.

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