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20.03.2023

22:48

Staatsbesuch in Moskau

Xi und Putin bauen am Bollwerk gegen den Westen

Von: Sabine Gusbeth, Mareike Müller

PremiumWladimir Putin und Xi Jinping wollen eine Weltordnung ohne Vorherrschaft der USA. Doch Chinas Präsident wird das Treffen in Russland auch für einen anderen Schritt nutzen.

Begrüßung von Xi Jinping und Wladimir Putin im Kreml. via REUTERS

„Liebe Freunde“

Begrüßung von Xi Jinping und Wladimir Putin im Kreml.

Peking, Riga Erst spielt das russische Militärorchester die chinesische, dann die russische Nationalhymne: Es ist genau 13 Uhr Ortszeit, als Chinas Staatschef Xi Jinping die Regierungsmaschine an Moskaus Flughafen Wnukowo verlässt. Drei Tage will Xi in Russland bleiben – sein erster Besuch bei seinem Amtskollegen Wladimir Putin seit Beginn des groß angelegten russischen Angriffs auf die Ukraine vor über einem Jahr.

Wenig später begrüßt ihn Putin per Handschlag im Kreml, gegenseitig nennen sie sich „lieber Freund“, die Stühle der beiden stehen kaum einen Meter voneinander entfernt, nur ein Tischchen mit Blumenschmuck trennt sie. Mussten westliche Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz vor Beginn des Ukrainekrieges noch am Sechs-Meter-Tisch Platz nehmen – ein Abstand, der auch zu den inhaltlichen Differenzen passte – sitzt Xi nun ganz dicht neben dem Kremlchef. Für Chinas enormen Entwicklungssprung der vergangenen Jahre beneide man das Land sogar ein wenig, schmeichelt Putin seinem Gast.

Xi dürfte das Treffen unter anderem nutzen, um sich im Ukrainekrieg als Vermittler darzustellen. Dabei will er sich vor allem im globalen Süden, bei den Schwellen- und Entwicklungsländern, als Alternative zu den USA darstellen. Noch wichtiger ist den beiden Staatschefs aber ein anderes Ziel: Sie streben danach, eine Weltordnung ohne Vorherrschaft der USA aufzubauen. Das Treffen in Moskau nutzen sie, um ihren Schulterschluss zu bekräftigen.

Kurz nach der Landung veröffentlichten Chinas Staatsmedien eine schriftliche Erklärung Xis. Er freue sich auf einen ausführlichen Meinungsaustausch mit Putin, heißt es dort. Xi zeigte sich zuversichtlich, dass der Besuch zu „fruchtbaren Ergebnissen“ führen werde und der „umfassenden strategischen Partnerschaft der Zusammenarbeit“ zwischen China und Russland neue Impulse verliehen werden.

In den Gesprächen soll es auch um „internationale und regionale Fragen von gemeinsamem Interesse“ gehen. Der Krieg in der Ukraine wird nicht explizit erwähnt. In der zweiten Tageshälfte traf Xi mit Putin zusammen, zunächst bei einem Vieraugengespräch, später folgte ein gemeinsames Sechs-Gänge-Menü.

Die Stühle der beiden stehen ziemlich nah bei einander. AP

Im Kreml

Die Stühle der beiden stehen ziemlich nah bei einander.

Als Hauptgericht standen nach Berichten russischer Staatsmedien Weißlachs und Rentier zur Wahl, flankiert von Meeresfrüchten, einem Pfannkuchen mit Wachteln und Pilzen und der russischen Fischsuppe Ucha. Zum Nachtisch gab es ein Granatapfel-Sorbet und Pawlowa, ein Sahne-Früchte-Baiser, dazu Weine des russischen Edel-Winzerguts Diwnomorskoje. Nach Kreml-Angaben endete das Treffen gegen 20.15 Uhr Ortszeit.

Am Dienstag seien offizielle Gespräche der Delegationen geplant, unter anderem mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Außerdem soll Xi nach Angaben von Putins außenpolitischem Berater Juri Uschakow am Dienstagmorgen den russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin treffen. Xi wird unter anderem begleitet von Cai Qi, Nummer fünf in der Hierarchie der Kommunistischen Partei, KP-Topdiplomat Wang Yi, sowie Außenminister Qin Gang.

Vom großen zum kleinen Bruder

Bereits im Vorfeld des Besuchs hatten Xi und Putin in Gastbeiträgen in Zeitungen des jeweils anderen Landes die Bedeutung der bilateralen Beziehungen betont. Der politische Analyst Manoj Kewalramani vom indischen Thinktank Takshashila verweist jedoch darauf, dass Putin in seinem Namensbeitrag die Bedeutung der Beziehung viel stärker betone als Xi.

Das macht deutlich, wie stark sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten gewandelt hat. Zu Sowjetzeiten nahm Russland stets die Rolle eines größeren Bruders gegenüber China ein, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. Heute sind die Rollen umgekehrt, auch weil Russland aufgrund der westlichen Sanktionen immer stärker von China abhängt.

Die inhaltlichen Differenzen waren so groß wie der Sechs-Meter-Abstand zwischen beiden Politikern. IMAGO/ITAR-TASS

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. Februar 2022 im Kreml

Die inhaltlichen Differenzen waren so groß wie der Sechs-Meter-Abstand zwischen beiden Politikern.

In seinem Gastbeitrag in der Staatszeitung „Renmin Ribao“ poltert Putin zudem gegen den Westen und lässt so offen durchblicken, dass die Partnerschaft mit China in erster Linie auf einem gemeinsamen Feindbild beruht. Xi verurteilt in seinem Artikel, der vom Amtsblatt der russischen Regierung sowie der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti veröffentlicht wurde, „Hegemonie, Vorherrschaft und Schikane“, ohne die USA beim Namen zu nennen. Kein einzelnes Land sollte „die internationale Ordnung diktieren“, fordert er.

Damit wird klar, was das eigentliche Ziel der Reise ist. Xi und Putin hatten sich kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine eine „Partnerschaft ohne Grenzen“ zugesichert. Damals verabschiedeten die beiden Staatschefs ein Strategiepapier, das gegen eine vermeintliche Vorherrschaft der USA gerichtet ist. „Versuche, die Rolle des Hegemons zu spielen, stellen eine ernsthafte Bedrohung für den globalen und regionalen Frieden und die Stabilität dar und untergraben die Stabilität der Weltordnung“, heißt es darin.

Bilaterale Beziehungen

Xi zu Besuch bei Putin in Moskau

Bilaterale Beziehungen: Xi zu Besuch bei Putin in Moskau

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Trotz des Ukrainekriegs hält die chinesische Staatsführung an dieser Partnerschaft fest und betont immer wieder, die Beziehungen zu Russland weiter stärken zu wollen. Nachdem der Internationale Strafgerichtshof am vergangenen Freitag Haftbefehl gegen Putin erlassen hatte, forderte China das Gericht zu Respekt vor Staatsoberhäuptern auf. Dennoch bezeichnet Chinas Staatsführung ihre Position als „neutral“.

Zudem habe sich China stets „aktiv für Friedensgespräche eingesetzt“, schreibt Xi in seinem Namensbeitrag. Dabei verweist er unter anderem auf das Zwölfpunktepapier für „eine politische Lösung der Ukrainekrise“, das China am Jahrestag des Kriegsbeginns veröffentlicht hatte. Darin werden unter anderem ein Waffenstillstand und Friedensgespräche gefordert. Putin erklärte am Montag gegenüber Xi, man habe die chinesischen Lösungsvorschläge „sorgfältig geprüft“. „Natürlich werden wir die Gelegenheit haben, dieses Thema zu diskutieren“, sagte er weiter. Allerdings enthält das Dokument weder konkrete Vorschläge, wie ein Friedensplan aussehen könnte, noch geht daraus hervor, welche Rolle China bei der Vermittlung spielen könnte.

Chinas Präsident Xi Jinping kurz nach seiner Ankunft am Moskauer Flughafen Wnukowo. via REUTERS

Begrüßungskomitee

Chinas Präsident Xi Jinping kurz nach seiner Ankunft am Moskauer Flughafen Wnukowo.

Deutlich ist hingegen der Aufruf an den Westen, die Sanktionen gegen Russland zu beenden, sowie der Appell, den Export von Getreide sicherzustellen. Eine mögliche Verlängerung des Schwarzmeer-Getreideabkommens über 60 Tage hinaus wäre auch ein Erfolg, für den Xi insbesondere im globalen Süden Zuspruch erhalten würde. Am Samstag hatte Russland zwar einer Verlängerung des Abkommens zugestimmt, bislang ist jedoch nicht bekannt, für wie lange.

USA halten Vermittlungsbemühungen Chinas für wenig glaubhaft

Von den USA und anderen westlichen Ländern werden Pekings Vermittlungsbemühungen um einen Frieden in der Ukraine jedoch als nicht glaubwürdig angesehen. Die USA haben Xi jüngst aufgefordert, auch mit der ukrainischen Seite zu sprechen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, sagte dem Sender „Fox News“ zudem, jeglicher Aufruf zu einem Waffenstillstand, der aus dem Treffen von Putin mit Xi hervorgehe, sei inakzeptabel, weil er nur die bisherigen russischen Landnahmen bestätigen und Moskau Zeit verschaffen würde, sich neu auszurüsten, aufzustellen und eine neue Offensive zu planen.

Bei seinem Besuch in Moskau tauscht sich Xi zwar bereits zum fünften Mal seit Kriegsbeginn persönlich mit Putin aus. Mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski hat er dagegen seither nicht gesprochen. Insidern zufolge soll nach der Russlandreise ein Telefonat geplant sein. Das berichtete das „Wall Street Journal“ vergangene Woche. Die chinesische Seite hat dies jedoch nicht bestätigt.

Zwar soll es bei den Gesprächen auch um den Ukrainekrieg gehen. Im Zentrum des Treffens stehe aber eine Stärkung der bilateralen Beziehungen, betont der Chinaexperte Alexander Gabuev vom US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace. Dabei gehe es etwa um eine vertiefte militärische Zusammenarbeit, Exporte von Chips und Technologie aus China nach Russland sowie von Öl und Gas nach China.

Mit Sorge blicken die USA und andere westliche Staaten auf die Partnerschaft zwischen China und Russland. Sie haben die chinesische Staatsführung in den vergangenen Wochen wiederholt davor gewarnt, Russland im Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die USA und die EU haben Peking vor „ernsthaften Konsequenzen“ gewarnt, sollte China Waffen an Russland liefern.

Innenpolitische Themen spielten im öffentlichen Teil des Treffens keine Rolle - mit einer Ausnahme: Xi zeigte sich zuversichtlich, dass Putin die Wahl im kommenden Jahr gewinnen werde. „Ich weiß, dass im nächsten Jahr in Ihrem Land die Präsidentenwahl ist“, sagte Xi. Dank Putins starker Führung habe Russland in den vergangenen Jahren „bedeutende Fortschritte“ gemacht. „Ich bin überzeugt, dass das russische Volk Sie unterstützt bei Ihren guten Vorhaben“, fuhr er laut russischer Übersetzung fort.

Die Aussage ließ Medien aufhorchen, weil Putin seine Kandidatur für die Wahl im kommenden März bisher noch gar nicht erklärt hat. Auf Xis Worte reagierte Putin nicht. Der Kreml wies kurz darauf zurück, dass Xi damit gesagt habe, dass Putin antrete. Xi habe lediglich „die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Russen Putin unterstützen, und hier kann man seine Überzeugung nur teilen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

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