PremiumDer Streit zwischen Regierung und Parlament in dem südamerikanischen Land ist eskaliert. Nachdem der Staatschef den Kongress auflösen wollte, hat dieser ihn nun aus dem Amt gejagt.
Pedro Castillo
Der peruanische Präsident wurde abgesetzt und festgenommen.
Bild: AP
Lima Der vom Parlament abgesetzte peruanische Präsident Pedro Castillo ist festgenommen worden. Er wurde mit einem Helikopter in ein Gefängnis gebracht und dort weiter vernommen, berichtete die Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Zuvor hatte der Kongress des südamerikanischen Landes für die Amtsenthebung Castillos gestimmt.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Landes vor. Gegen ihn werde wegen Rebellion ermittelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch (Ortszeit) nach der Festnahme Castillos mit.
101 Kongressmitglieder hatten zuvor für den Misstrauensantrag votiert, sechs dagegen und zehn enthielten sich. Die Verfassung sieht für diesen Fall vor, dass Vizepräsidentin Dina Boluarte die Amtsgeschäfte übernimmt. Seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren hatte Castillo bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden. Castillos Gegner im Kongress werfen ihm „dauerhafte moralische Unfähigkeit“ zur Führung des Andenstaats vor.
Nun ist Vizepräsidentin Boluarte am Mittwoch als erste Frau an der Spitze des südamerikanischen Landes vereidigt worden. Boluarte rief zu einem politischen Waffenstillstand auf, um die Krise zu überwinden, und kündigte die Bildung eines neuen Kabinetts an, in dem alle politischen Richtungen vertreten sein sollen. Sie bezeichnete Castillos Vorgehen, wenige Stunden zuvor den Kongress aufzulösen, als „versuchten Staatsstreich“.
Kurz vor der Abstimmung hatte Castillo die Auflösung des Kongresses und eine Neuwahl des Parlaments angekündigt. Er werde das Parlament vorübergehend auflösen und eine Notfall-Regierung einsetzen, hatte der Staatschef in einer Ansprache am Mittwoch gesagt.
Zudem hatte er eine Neuwahl des Kongresses angekündigt. Die Parlamentarier sollten dann innerhalb von neun Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten. „Bis der neue Kongress seine Arbeit aufnimmt, werden wir mit Dekreten regieren“, hatte Castillo angekündigt.
Der Präsident verhängte eine landesweite Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 4 Uhr und kündigte eine Reform des Justizwesens an. „Der Kongress hat den Rechtsstaat, die Demokratie und das Gleichgewicht zwischen den Staatsgewalten zerstört“, sagte Castillo. „Wir rufen alle Institutionen der Zivilgesellschaft und alle sozialen Gruppen dazu auf, die Entscheidung zu unterstützen.“
Castillo versuchte damit den Abgeordneten zuvorzukommen, die eine neuerliche Debatte zu seiner Amtsenthebung planten. Der Kongress hielt die Abstimmung aber dennoch ab und votierte für seine Absetzung.
Freude unter den Abgeordneten
Reaktionen kurz nach der Amtsenthebung Castillo.
Bild: AP
Vizeministerin Boluarte und die Opposition verurteilten die Auflösung des Kongresses als Staatsstreich. Auch der Generalstab und die nationale Polizei erklärten, die Auflösung des Kongresses sei nicht verfassungsgemäß.
Zahlreiche Minister traten nach Castillos Ankündigung zurück. „Weil der Rechtsstaat verletzt wurde und im Einklang mit meinen demokratischen Grundsätzen reiche ich hiermit meinen unwiderruflichen Rücktritt als Minister für Wirtschaft und Finanzen ein“, schrieb Finanzminister Kurt Burneo auf Twitter.
Auch Außenminister César Landa und Justizminister Felix Chero stellten ihre Ämter zur Verfügung. Generalstaatsanwältin Patricia Benavides sagte: „Wir weisen den Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung auf das Schärfste zurück.“
Eduardo Gamarra, Professor für Politologie und internationale Beziehungen an der Florida International University, sagte, der Kongress könne den Präsidenten absetzen und der Präsident könne den Kongress auflösen. „Formalrechtlich ist es kein Putsch“, sagte er. Die Verwirrung liege „in den 15.000 Interpretationen“ darüber, wer Vorrang habe. Wer gewinne, sei derjenige mit mehr Macht, sagte Gamarra.
Abgeordnete in Lima nach der Absetzung des Präsidenten
Castillos Gegner im Kongress werfen ihm „dauerhafte moralische Unfähigkeit“ zur Führung des Andenstaats vor.
Bild: AP
Die Regierung des Linkspolitikers Castillo befand sich in einem permanenten Machtkampf mit dem Parlament. Zuletzt verweigerte der Kongress dem Staatschef die Erlaubnis, zum Gipfel der Pazifik-Allianz nach Mexiko zu reisen, und ließ das Treffen damit platzen.
Der Machtkampf in der Hauptstadt Lima erfolgt inmitten der schlimmsten Dürre seit einem halben Jahrhundert, in der Tausende Kleinbauern ums Überleben kämpfen. Zudem sind einer Vogelgrippe mindestens 18.000 Seevögel zum Opfer gefallen, mindestens ein Geflügelproduzent ist ebenfalls betroffen. In der vergangenen Woche bestätigte die Regierung, dass das Land von einer fünften Corona-Welle erfasst wurde.
Seit 2016 folgt in Peru eine politische Krise auf die nächste. Der ab 2018 regierende Präsident Martín Vizcarra löste 2019 den Kongress auf und ordnete eine Neuwahl an. Der neue Kongress setzte Vizcarra im Folgejahr ab. Der nächste Präsident, Manuel Merino, war nur knapp eine Woche im Amt, sein Nachfolger, Francisco Sagasti, wurde nach neun Monaten von Castillo abgelöst.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×