Nicht nur in den USA gerät die Gründerszene aus dem Takt. Auch den verwöhnten Hightech-Firmen Israels gelingt es immer seltener, sich mit billigem Kapital zu versorgen.
Platz im Zentrum von Tel Aviv
Israels Hauptstadt ist in den vergangenen Jahren zu einer Tech-Metropole geworden. Doch die Start-ups geraten in die Krise.
Bild: Reuters
Tel Aviv Noch im vergangenen Jahr eilten Israels Start-ups von Rekord zu Rekord. Nie zuvor hatte die Tech-Industrie mehr Kapital angezogen, mehr Leute angestellt oder höhere Werbeausgaben budgetiert. Doch der Hype ist vorerst vorbei. Höhere Zinsen sowie der Krieg in Europa, lassen die Stimmung in der Gründerszene kippen.
Beliefen sich im vergangenen Jahr die Investitionen in Israels Hightech-Industrie auf 25 Milliarden Dollar, was gegenüber 2020 mehr als eine Verdoppelung war, hat sich das Investitionstempo in diesem Jahr deutlich verlangsamt. Im ersten Quartal lag es 14 Prozent unter den durchschnittlichen Quartalswerten des Vorjahres, zeigt eine Statistik des israelischen Finanzdienstleisters Leumi Tech. Seither habe sich die Lage kaum verbessert, schätzen Insider.
Ernüchterung auch bei den Stars der Tech-Szene, die im vergangenen Jahr bei ihren Börsengängen in New York noch im Höhenrausch waren. Ihre Notierungen liegen inzwischen deutlich unter den Anfangswerten. Ironsource (Spiel-Apps) hat seit Januar 70 Prozent verloren, Monday.com (Workflow-Software) 60 Prozent und Sentinel One (Cybersicherheit) rund 55 Prozent.
Bis vor einigen Monaten war der gravierende Mangel an Arbeitskräften das größte Problem der Tech-Branche. Insbesondere fehlte es an Softwareingenieuren, sagt Amir Mizroch, ein PR-Berater für israelische Technologie-Start-ups. Es gab nicht genug Talente, trotz oder vielleicht gerade wegen des enormen Zustroms von globalem Kapital.
Um die vorhandenen Mitarbeiter nicht an die Konkurrenz zu verlieren, hatten einige Unternehmen riesige Partys auf den Dächern von Tel Aviv veranstaltet. Noch Ende 2021 habe ihn die ausgelassene Stimmung, die dort herrschte, an „die letzten Tage von Rom“ erinnert, sagt Mizroch.
Noch Ende 2021 hat mich die Partystimmung an die letzten Tage von Rom erinnert. Amir Mizroch, PR-Berater für israelische Technologie-Start-ups
Aber jetzt seien kleine und große Tech-Firmen zunehmend desillusioniert. Viele Start-ups drosseln die Ausgaben und stellen das Marketing ein. Da die Angestellten der Branche in der Regel jung sind, erleben viele ihre erste Krise – und müssen schnell lernen, mit den neuen Bedingungen umzugehen.
„Die Investoren sind wählerischer geworden“, sagt Natali Refuah, Partnerin bei einem der führenden Technologiefonds des Landes mit einem verwalteten Vermögen von vier Milliarden Dollar. Für kleine Firmen sei es schwieriger als im vergangenen Jahr, sich Kapital zu beschaffen. „Um zu überleben, müssen vielleicht einige von ihnen aufgekauft werden“, sagt Refuah.
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Tatsächlich fragen sich junge Tech-Unternehmen, ob sie auch unter den neuen Rahmenbedingungen Kapital aufnehmen können. Nach einer Umfrage des Start-ups Snapshot, einer Plattform, die Daten von Jungunternehmern der Tech-Branche sammelt, waren im April 74 Prozent der befragten Firmen entsprechend „besorgt“, im Vormonat hatten lediglich 35 Prozent Bedenken geäußert.
Nebeneffekt der Flaute: Die Personalsituation entspannt sich. Einige Unternehmen haben die Belegschaft abgebaut, wenn auch noch nicht massiv. Gleichzeitig haben große Unternehmen wie Facebook und Uber einen Einstellungsstopp
Ballon des israelischen Start-ups High Hopes Labs
Das Unternehmen will mit Ballons das Klimagift Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre binden. Erhalten die hochfliegenden Pläne jetzt einen Dämpfer?
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Die Krise sei in Israel zwar noch nicht so ausgeprägt wie in den USA, wo alles schneller und brutaler ablaufe, sagt Shmuel Chafets. Der Gründer und Chairman von Target Global, einer gesamteuropäischen Risikokapitalfirma mit Sitz in Berlin, hat beobachtet: „In den israelischen Wagniskapitalfonds ist immer noch viel Kapital vorhanden.“ Das liege vor allem auch an Geldern, die noch im letzten Jahr ins Land geflossen seien.
Aktien israelischer Hightech-Firmen, die an der New Yorker Börse gehandelt werden, sind zwar in den vergangenen Monaten im Gleichschritt mit anderen Titeln gefallen. Allerdings gibt es Firmen, die dem negativen Trend getrotzt haben.
Dazu gehören zum Beispiel Titel der auf elektronische Rüstungsgüter spezialisierten Firma Elbit Systems, die von den erhöhten Verteidigungsbudgets profitiert, oder die Aktien des Halbleiterherstellers Tower Semiconductor, der Übernahmegespräche mit Intel führt.
Andere Aktienwerte sind zwar gefallen, aber deutlich weniger als der Nasdaq-Index. Das trifft zum Beispiel auf Solar Edge (Solarenergie) und Radcom (auf Cloud-Technologie basierende Telefonsysteme) zu, die im Vergleich zum Januarwert lediglich um fünf Prozent geschrumpft sind. Die Cyberfirma Check Point hat seit Januar sogar um rund drei Prozent zugelegt.
Niedrigere Bewertungen einzelner Technologieunternehmen würden sie indes nicht beunruhigen, weil sie eine notwendige Korrektur widerspiegelten, sagt Estie Rosen, Kommunikationschefin des Branchendienstes Start-up Nation Central (SNC). Israels Hightech-Firmen seien in Bereichen wie Cyber-, Gesundheits-, Mobilitäts-, Lebensmittel- und Finanztechnologie prominent vertreten, sagt Rosen.
Nach der Abkühlung des letztjährigen Hypes ändere sich nun der Fokus. Anstatt allein auf den Wert ihrer Firmen zu achten, würden sich die Unternehmer verstärkt mit dem Umsatz beschäftigen, den sie generieren. „Dies ist eine gesunde Korrektur, und langfristig gesehen ist dieser Ansatz viel nachhaltiger“, so Rosen.
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