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25.02.2022

07:51

Strafmaßnahmen gegen Russland

EU-Gipfel bringt Strafmaßnahmen auf den Weg – Swift-Sanktionen verhindert Olaf Scholz bislang

Von: Christoph Herwartz

Der EU-Gipfel hat die geplanten Sanktionen wegen Putins Angriffskrieg beschlossen. Dass Europa nicht härter auf Russland reagiert, liegt vor allem an Deutschland.

Olaf Scholz und Ursula von der Leyen auf dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Lage in der Ukraine. dpa

Brüssel

Olaf Scholz und Ursula von der Leyen auf dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Lage in der Ukraine.

Brüssel Die größte Stärke des Westens, so heißt es seit Wochen, ist seine Geschlossenheit. Nach dem Ende des EU-Gipfels in der Nacht zum Freitag zeigen sich die Bündnispartner jedoch weiterhin uneinheitlich über den Ausschluss Russlands vom Zahlungssystem Swift – eine Sanktion, die Deutschland nicht mittragen will.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz habe dazu „klar Stellung bezogen“, sagte der österreichische Kanzler Karl Nehammer am Rande des Gipfels in Brüssel. Scholz selbst sagte, nach Swift gefragt, man müsse sich weitere Sanktionen vorbehalten „für eine Situation, wo es notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun“.

Damit wies er die deutlichen Forderungen nach dieser Option zurück. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor erklärt, wer gegen einen Ausschluss Russlands sei, werde „das Blut unschuldiger ukrainischer Männer, Frauen und Kinder an seinen Händen kleben haben“.

Zuvor hatten die USA mit Rücksicht auf die EU darauf verzichtet, Russland aus dem Zahlungssystem Swift zu drängen. „Europa will das derzeit nicht“, erklärte US-Präsident Joe Biden.

Balten und Briten werben für Swift-Ausschluss Russlands

In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Außenminister der drei baltischen EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen ebenfalls den Rauswurf Russlands. Ebenso warb der britische Regierungschef Boris Johnson bei einer Schalte der G7 für den Schritt.

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Swift verbindet Banken untereinander und gilt als die wichtigste Institution im weltweiten Zahlungsverkehr. Die Firma hat ihren Sitz in Brüssel. Belgien oder die EU könnten sie darum anweisen, Partner in Russland von seinen Diensten auszunehmen.

Warum das nun nicht passiert, dazu gibt es widersprüchliche Erklärungen.

Auf der einen Seite fürchten Beteiligte offenbar harte Konsequenzen: Denn selbst der Handel innerhalb Russlands würde auf diese Weise gestört. Damit könnte die Versorgung der Bevölkerung gefährdet sein, die man explizit nicht treffen will. Auch europäische Staaten seien dann stark betroffen. Außerdem stünden dem Westen nach diesem harten Schritt keine weiteren Möglichkeiten der Verschärfung mehr zur Verfügung.

Deutschland hat sich gegen eine Kappung des Swift-Systems für Russland ausgesprochen. via REUTERS

Bundeskanzler Olaf Scholz

Deutschland hat sich gegen eine Kappung des Swift-Systems für Russland ausgesprochen.

Auf der anderen Seite wird die Bedeutung von Swift aber heruntergespielt: Die beschlossenen Finanz-Sanktionen gingen in ihrer Schärfe sogar über einen Swift-Ausschluss hinaus, sagte Biden. Und Nehammer verwies auf russische und chinesische Zahlungssysteme, auf die russische Banken leicht ausweichen könnten.

Dass Swift-Sanktionen nicht vorbereitet werden, hatte sich schon vor Wochen abgezeichnet. Dass sie in einem dritten Sanktionspaket enthalten sein werden, ist aber nicht ausgeschlossen. Das ließe sich vorbereiten, sagte ein EU-Diplomat, wenn es denn von den Staats- und Regierungschefs gewünscht werde.

CDU-Chef Friedrich Merz sagte dazu am Freitagmorgen im Deutschlandfunk: „Wenn die EU-Kommission einen solchen Vorschlag machen sollte, sollte Deutschland ihn nicht verhindern.“

Gipfel verabschiedet das vorbereitete Paket

Einstweilen einigte sich der Gipfel auf das Paket, das seit Wochen vorbereitet wurde:

  • Der Zugang der wichtigsten russischen Banken zu den europäischen Kapitalmärkten wird blockiert.
  • Guthaben von bestimmten Russen in Europa werden eingefroren.
  • Güter für die Energiewirtschaft dürfen nicht mehr nach Russland geliefert werden. Das soll verhindern, dass Russland seine Raffinerien auf den Stand der Technik bringen kann. Die betroffenen Exporte aus der EU seien einzigartig und könnten nicht durch Lieferungen aus anderen Staaten ersetzt werden, so von der Leyen.
  • Auch Flugzeuge und Flugzeugteile sollen nicht mehr nach Russland verkauft werden. Drei Viertel der in Russland verwendeten Flugzeugteile kämen aus der EU, aus Großbritannien, Kanada oder den USA.
  • Dasselbe gilt für Chips und Halbleiter, die für die Produktion von einer Vielzahl von Produkten benötigt werden.
  • Russische Diplomaten und Geschäftsleute profitieren bei der Visa-Vergabe nicht mehr von Privilegien.

Dass diese Sanktionen ohne große Kontroverse verabschiedet wurden, kann als Zeichen für eine besonders gute Vorbereitung gewertet werden – oder für eine unzureichende. Denn angesichts der massiven Invasion, die offensichtlich das Ziel hat, die gesamte Ukraine zu besetzen, wären auch schärfere Sanktionen denkbar gewesen. Viele unterschätzten die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios aber offensichtlich und bereiteten sich lediglich darauf vor, dass Russland in die abtrünnigen Gebiete im Osten der Ukraine einmarschiert.

Denkbar wären neben einem Swift-Ausschluss oder weiteren Exportverboten auch ein Importverbot für Rohstoffe. Dies würde Russland direkt und hart treffen. Denn der Export von Öl und Gas sorgt für die größten Einnahmeposten im russischen Haushalt. Auch mit anderen Rohstoffen verdient Moskau gut. Ein großer Teil davon geht nach Europa.

Die EU hat sich darauf vorbereitet, auch ohne russisches Gas durch den Rest dieses Winters zu kommen. Derzeit legen im Schnitt täglich vier mit Flüssiggas beladene Tanker an europäischen LNG-Terminals an und gleichen die geringen Lieferungen aus Russland aus. In Deutschland sorgt eine Ölreserve dafür, dass die Bevölkerung 90 Tage lang auch ohne Importe versorgt werden kann.

Aber die Kosten für eine Versorgung über andere Lieferanten sind für Europa enorm. Wirtschaftsminister Robert Habeck listete am Donnerstag auf, wie abhängig die deutsche Energiewirtschaft von russischen Lieferungen ist: 35 Prozent der Ölimporte kommen aus Russland, 55 Prozent der Gasimporte und 50 Prozent der Kohleimporte. Dafür andere Quellen zu finden, wäre extrem teuer.

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