Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

04.05.2021

18:43

Subventionen

Abschied vom Mantra offener Märkte: EU wehrt sich gegen unfaire Konkurrenz

Von: Christoph Herwartz, Till Hoppe

Die Europäische Union will den chinesischen Staat aus ihrem Binnenmarkt verbannen. Wer von Peking Geld kassiert, soll in der EU keine Firmen übernehmen dürfen.

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission will europäische Unternehmen gegen unfaire Konkurrenz schützen. AFP

Margrethe Vestager

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission will europäische Unternehmen gegen unfaire Konkurrenz schützen.

Brüssel, Berlin Die EU-Kommission wird an diesem Mittwoch einen weiteren Ansatz vorstellen, europäische Unternehmen gegen unfaire Konkurrenz zu schützen. Sie geht davon aus, dass sich besonders chinesische Firmen mit staatlicher Unterstützung einen Vorteil auf dem Binnenmarkt verschaffen und so den Wettbewerb zum Nachteil der Europäer verzerren.

Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission, will das Wettbewerbsrecht so ausweiten, dass sie gegen solche Praktiken vorgehen kann. Dafür sollen Vestagers Inspekteure sogar in ausländische Firmenzentralen geschickt werden, um möglichen Verstößen gegen die Regeln nachzugehen.

Mit dem Vorschlag entfernt sich die EU-Kommission einen weiteren Schritt vom bisherigen Mantra offener Märkte. Zudem will die Brüsseler Behörde deutlich die Gangart gegenüber Peking verschärfen. China unterstützt seine Unternehmen stark darin, auf dem Weltmarkt zu expandieren.

Zudem fördert Peking heimische Anbieter über die „Seidenstraßen-Initiative“ systematisch, in anderen Ländern Aufträge für den Bau von Infrastrukturen zu ergattern. Aber auch andere Länder wie die USA dürften den weiteren Fortgang des Gesetzesvorhabens aufmerksam beobachten.

In einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bejahten 78 Prozent der befragten Unternehmen, dass die chinesische Konkurrenz wegen der Subventionen einen Wettbewerbsvorteil habe. „Aus der Kombination von technologischem Aufholen und stärker werdenden Wettbewerbsverzerrungen durch China auf dem Weltmarkt könnte für Deutschland auf längere Sicht eine Gefahr für den Wohlstand entstehen“, heißt es in der Analyse.

Ärger mit China ist absehbar

Die bisherigen Instrumente der Europäer reichen offenbar nicht aus, um das zu verhindern. Die Kommission kann dagegen vorgehen, wenn aus China Produkte zu Dumpingpreisen exportiert werden. Die Bundesregierung untersagte 2018 die Übernahme des westfälischen Maschinenbauers Leifeld durch ein chinesisches Unternehmen. Dazu musste sie aber auf nationale Sicherheitsinteressen verweisen. Bei der Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den üppig subventionierten Konzern Midea konnte die Bundesregierung 2016 aber nur zusehen.

Künftig will sich die EU-Kommission Firmen genauer ansehen, die so hohe Subventionen beziehen, dass sie den Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt verzerren. Dabei geht es nicht nur um Übernahmen, sondern auch um Angebote von Waren und Dienstleistungen zu Dumpingpreisen und um allzu günstige Gebote bei öffentlichen Aufträgen.

Der Ärger ist absehbar. Denn ab wann der Wettbewerb gestört ist, werden die Beamten von Fall zu Fall entscheiden müssen. Die Höhe der Subvention soll eine Rolle spielen sowie der betreffende Markt und einige andere Indikatoren. Genau definieren lässt sich so etwas aber nicht.

Entsprechend wird es in der Praxis unterschiedliche Auffassungen darüber geben, welche Entscheidung die richtige ist. Die Wettbewerbshüter kennen das: Die Diskussion, wie viel Marktkonzentration in Europa erlaubt ist, um im weltweiten Wettbewerb besser bestehen zu können, flammt immer wieder auf.

Die Kommission plant, staatlich subventionierten Unternehmen aus Drittstaaten die Übernahme von Firmen aus der EU zu untersagen. AP

China und die EU

Die Kommission plant, staatlich subventionierten Unternehmen aus Drittstaaten die Übernahme von Firmen aus der EU zu untersagen.

Hinzu kommt, dass nicht transparent ist, wie viele Subventionen chinesische Unternehmen erhalten. Sie können auf unterschiedliche Arten und über verschiedene Stellen fließen. Im Vorschlag der EU-Kommission ist die Rede von direkten Zahlungen, Schuldenerlass und der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen.

Sie können von der Zentralregierung kommen, von anderen staatlichen Ebenen, von staatlichen Auslandsvertretungen oder von privaten Institutionen, die eng an den Staat angebunden sind. Das lässt erahnen, wie schwierig es wird, überhaupt nachzuweisen, dass eine Subvention geflossen ist – oder wie leicht es für Staaten sein kann, die Subventionen auf indirekten Kanälen zu gewähren, die von außen schwer zu analysieren sind.

„Es bleibt abzuwarten, wie die Regeln in der Praxis durchgesetzt werden können, wenn Beweise für Subventionen aus Drittstaaten fehlen“, sagt die Juristin Jana K. Dammann de Chapto von der Kanzlei Latham & Watkins. Die Kommission könne andere Staaten schließlich nicht zwingen, Beweise offenzulegen.

Die Kommission wird ihren Vorschlag an diesem Mittwoch vorlegen. Damit er Gesetz wird, muss er vom EU-Parlament und vom EU-Rat bestätigt werden. Eine vorläufige Version liegt dem Handelsblatt vor. Darin sind drei Instrumente beschrieben, wie die Kommission vorgehen will.

► Das erste Instrument nimmt Firmen ins Visier, die europäische Firmen übernehmen wollen. Diese müssen ab einem Jahresumsatz von 500 Millionen Euro in der EU eine geplante Investition den Behörden melden, wenn sie innerhalb von drei Jahren mehr als 50 Millionen Euro an ausländischen Subventionen erhalten haben. Stellen die Behörden eine Wettbewerbsverzerrung fest, können sie den Deal stoppen.

► Das zweite Instrument zielt auf staatlich subventionierte Bieter, die sich für öffentliche Aufträge in der EU bewerben. Sie müssen ab einem Auftragsvolumen von 250 Millionen Euro offenlegen, ob sie von Hilfen profitiert haben. Hegen die Behörden oder auch andere Bieter den Verdacht, dass die Angaben nicht stimmen, können sie eine offizielle Untersuchung einleiten. Dem Unternehmen droht dann der Ausschluss von der Vergabe.

► Das dritte Instrument erlaubt es der EU-Kommission, auch in anderen Situationen und bei niedrigeren Werten eine Untersuchung einzuleiten. Die Untergrenze liegt dabei bei einer Subventionshöhe von fünf Millionen Euro binnen drei Jahren – was darunterliegt, wird als unproblematisch betrachtet. Zuvor hatte die Kommission eine Schwelle von 200.000 Euro angesetzt,wollte aber die bürokratischen Lasten mindern.

„Investoren nicht fernhalten“

Die Kommission will für die Prüfung selbst zuständig sein und die Mitgliedstaaten nicht einbeziehen. Dies sei angemessen, um eine einheitliche Durchsetzung überall in der EU zu gewährleisten.

In der Industrie trifft das Ansinnen der Brüsseler Behörde auf grundsätzliche Zustimmung. „Europäische Unternehmen sehen sich im Binnenmarkt zusehends Wettbewerbsverzerrungen durch massiv subventionierte Unternehmen aus Drittstaaten ausgesetzt“, sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Dabei müsse aber die richtige Balance gefunden werden, um Offenheit der EU für Investitionen weiter zu gewährleisten.

Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer hält das Anliegen für richtig, kritisiert die Herangehensweise aber als zu komplex: „Ich befürchte, dass die neuen Instrumente in der Praxis nur schwer zu handhaben sein und unseren Unternehmen weitere Bürokratie aufbürden werden“, sagt der Leiter der Abteilung Außenwirtschaft beim VDMA, Ulrich Ackermann.

Allessandro Gasparotti, Experte des Centrums für Europäische Politik (CEP), hält ein einziges Instrument für den besseren Weg: „Damit würde Brüssel unter anderem Überschneidungen in den Anwendungsbereichen und somit Rechtsunsicherheit vermeiden.“
Die FDP warnt davor, dass die Maßnahmen protektionistisch wirken: „Die Kommission muss den Spagat schaffen, Wettbewerbsverzerrungen durch unfaire Subventionen entgegenzuwirken, ohne grundsätzlich Investoren vom europäischen Markt fernzuhalten“, sagt die Europaabgeordnete Svenja Hahn.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×