PremiumDie Präsidentin des US-Repräsentantenhauses ist die ranghöchste Politikerin, die Taiwan seit 25 Jahren besucht. Peking hat immer wieder vor der Reise gewarnt – und auch bereits reagiert.
Taipeh
Nancy Pelosi nach ihrer Ankunft.
Bild: AP
Denver, Peking, Tokio Die Videobotschaft war schon Stunden vor ihrer Landung eingespielt. „Welcome to TP, Speaker Pelosi“, stand auf Taiwans höchstem Gebäude, Taipeh 101. Und: „Taiwan loves USA.“ Zeitgleich berichtete das chinesische Staatsfernsehen, dass Kampfflieger vom Typ Su-35 den Meeresweg der Taiwanstraße überflögen.
Ungeachtet aller Drohungen aus China ist die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. Am Dienstagnachmittag (MESZ) landete die Boeing des Typs C-40 Clipper, einer militärischen Version der Boeing 737-700C, mit der Flugnummer SPAR19 in Taipeh. Dort soll Pelosi sich mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen treffen.
Der Aufenthalt der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses ist für die demokratische Inselrepublik der ranghöchste Besuch aus den Vereinigten Staaten seit einem Vierteljahrhundert.
Nach ihrer Ankunft sicherte Pelosi Taiwan weitere Unterstützung zu. „Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht“, so die 82-Jährige.
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In der „Washington Post“ schrieb sie: „Wir können nicht zusehen, wie die (chinesische kommunistische Partei) CCP Taiwan – und die Demokratie selbst – bedroht. Wir bekräftigen, dass die Freiheiten Taiwans – und aller Demokratien – geachtet werden müssen.“
Schon im Vorfeld hatten sich die Spannungen mit China verschärft. Peking sieht Taiwan als Teil der Volksrepublik an. Offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh lehnt es entschieden ab.
Nach der Landung reagierte das Land umgehend und kündigte Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um die demokratische Inselrepublik an. Wie das Verteidigungsministerium in Peking laut Staatsfernsehen mitteilte, beginnen die Manöver bereits an diesem Dienstag und sollen bis Sonntag dauern.
Das Außenministerium in Peking sprach von einem „sehr gefährlichen Spiel mit dem Feuer“. China werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen“.
Die USA rechnen mit Vergeltungsmaßnahmen Chinas erst nach Pelosis Abflug. Erst dann werde China seine militärische Präsenz in der Region erhöhen, prognostizierte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Dienstag. Denkbar seien chinesische Manöver mit scharfer Munition. Darüber hinaus stellten die USA sich auf wirtschaftlichen Druck seitens der Chinesen ein. Die USA würden die Reise Pelosis aufmerksam beobachten und ihre Sicherheit sicherstellen.
Unterdessen berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, Vizeaußenminister Xie Feng habe mit großer Dringlichkeit den US-Botschafter Nicholas Burns einbestellt. Xie Feng habe gegen den Taiwan-Besuch Pelosis protestiert.
Videowall in Taipeh
Willkommensbotschaft für die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in der Hauptstadt Taiwans.
Bild: dpa
Die 82-jährige Demokratin hatte in den vergangenen Tagen auch im Westen Kritik für ihre Reisepläne einstecken müssen, selbst von US-Präsident Joe Biden, wie Pelosi ein Demokrat. Pelosis Besuch gilt als hochriskant mit wenig direktem Nutzen, angesichts der heftigen Reaktionen aus Peking ist die Reise zur Machtprobe mit China geworden.
Biden selbst hatte Pelosi nicht stoppen können und auf die amerikanische Verfassung verwiesen. Pelosi dürfe im Zuge der Gewaltenteilung unabhängig vom Willen des Präsidenten entscheiden, wohin sie reise und wohin nicht – ein Argument, das bei der chinesischen Regierung auf wenig Verständnis stieß.
Pelosis Präsenz signalisiert Unterstützung für Taiwans Kurs. Nach ihrer Landung sagte sie, ihr Besuch unterstreiche das „unerschütterliche Engagement der USA für die Unterstützung der lebendigen Demokratie in Taiwan“. „Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht.“
Die Mehrheit der 23 Millionen Taiwaner versteht sich längst als unabhängig und will zumindest den Status quo bewahren. Seit der Wahl der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen im Jahr 2016 haben sich die Beziehungen zwischen Taiwan und China verschlechtert.
Taipeh
Unterstützer halten ein großes Willkommen-Banner vor dem Hotel, in dem die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Pelosi untergebracht werden soll.
Bild: dpa
Die Partei der Präsidentin, die Demokratische Fortschrittspartei, sieht Taiwan als de facto unabhängig an. Aber sie verzichtet auf eine offizielle Unabhängigkeitserklärung, weil China die als möglichen Grund für einen Angriff definiert hat. Xi Jinping sieht eine „Vereinigung“ mit Taiwan als „historische Mission“, die er noch in seiner Amtszeit vollziehen will, notfalls mit Gewalt.
Die Position der US-Regierung in der Taiwanfrage war zuletzt widersprüchlich: Drei Mal hatte Biden erklärt, Taiwan in einem militärischen Konflikt mit China zur Seite stehen zu wollen, zuletzt im Mai. Jedes Mal haben seine Mitarbeiter im Nachhinein die Aussagen des Präsidenten relativiert.
Offiziell ist die Position der Amerikaner auf „strategische Ambiguität“ ausgelegt: Washington legt sich nicht fest. Und Bidens Aussagen will das Weiße Haus nicht als Änderung seiner offiziellen Position verstanden wissen.
Der Besuch von Pelosi, einer langjährigen Chinakritikerin, kommt zu einem politisch heiklen Zeitpunkt für die chinesische Staatsführung. Es wird erwartet, dass Xi auf dem Parteikongress im Herbst eine dritte Amtszeit antritt – entgegen den politischen Gepflogenheiten in China, wonach maximal zwei Amtszeiten zu jeweils fünf Jahren vorgesehen sind, um Machtmissbrauch zu vermeiden.
Doch zuletzt wuchs auch in China die Kritik an Xi. Vor allem das Festhalten an der Null-Covid-Strategie, die große wirtschaftliche Schäden verursacht, wird zunehmend kritisch hinterfragt.
Man müsse auch die Frage stellen, inwieweit die Staatsführung den Besuch Pelosis im Vorfeld des Parteitags „nationalistisch nutzen wird“, sagt der Chef der europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke. Möglicherweise werde es darum gehen, „eine Geräuschkulisse zu kreieren, um von wirtschaftlichen Problemen abzulenken“.
Taiwanesische Soldaten bei einer Militärübung
Taiwan bereitet sich schon lange auf einen möglichen chinesischen Angriff vor.
Bild: Reuters
Er äußerte jedoch auch Unverständnis über den Zeitpunkt der Reise im Vorfeld des Parteitags im Herbst. Es sei unnötig, „dem Drachen im Auge herumzustochern“, sagte er. Damit sei auch Taiwan nicht geholfen. Wuttke rechnet im Umfeld des Besuchs mit „viel Dampf“, jedoch nicht mit einer Eskalation.
Allerdings werde der Besuch das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen den USA und China stark strapazieren. Shi Yinhong, Experte für internationale Beziehungen an der Renmin-Universität, warnte in der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“: „Die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Konflikts ist erheblich gestiegen.“
Offensichtlich als Warnung an Washington hatte Chinas Militär am Samstag in der Nähe Taiwans Manöver mit scharfer Munition durchgeführt. Am Dienstag erhöhte Chinas Volksbefreiungsarmee die Drohkulisse mit Manövern, Schießübungen, Militärflugzeugen und Kriegsschiffen nahe Taiwan und der Sperrung von Seegebieten.
In Chinas sozialen Medien kursierten am Dienstag Videos, die zahlreiche gepanzerte Fahrzeuge am Strand der Küstenstadt Xiamen zeigen sollten. Chinesische Kriegsschiffe und Flugzeuge sollen die sogenannte Mittellinie „gedrückt“ haben, ein ungewöhnliches Vorgehen, das als „sehr provokativ“ bezeichnet wurde. Taiwans Militär verschärfte seine Einsatzbereitschaft, wie die Nachrichtenagentur CNA berichtete.
Unterstützung für ihren Taiwanbesuch bekommt Pelosi ausgerechnet von den Republikanern. Senator Tom Cotton aus dem US-Bundesstaat Arkansas verwies darauf, dass Senatoren und Kongressabgeordnete, wenn auch nicht in Führungspositionen wie Pelosi, regelmäßig nach Taiwan reisen und enge Beziehungen zur Regierung pflegen. „Wir müssen Xi Jinping klarmachen, dass wir nicht zurückweichen“, so Cotton am Dienstag im US-Börsensender CNBC.
Auch ehemalige Minister standen Pelosi zur Seite, was die Situation in den USA wenige Monate vor den wichtigen Kongresswahlen nur noch zusätzlich anheizt. Mike Pompeo, Außenminister unter Trump, und Mark Esper, Trumps Verteidigungsminister, hätten Pelosi am liebsten nach Taiwan begleitet, wie sie im Vorfeld bekräftigten.
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