Die Pandemie wendet in Japan die Stimmung gegen die Spiele. Die Diskussionen könnten ein schlechtes Omen für die Fußball-Europameisterschaft sein.
Nationalstadion in Tokio
Ob die Olympischen Ringe in Tokio auch offiziell leuchten werden, ist immer ungewisser. In Japan hat nun doch eine Diskussion um die Absage der Spiele begonnen.
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Tokio, Düsseldorf Für die Organisatoren der Olympischen Spiele in Tokio wurde der Freitag unerwartet zum Großkampftag. Erst verneinte das Tokioter Organisationskomitee, dass das schon voriges Jahr wegen der Pandemie verschobene Sportfest wieder auf der Kippe stehe. Alle Partner seien „voll und ganz darauf konzentriert“, die Spiele wie geplant auszurichten.
Noch deutlicher wurde das australische Komitee, dessen Präsident John Coates der Verbindungsmann im Internationalen Olympischen Komitee für die Spiele in Tokio ist. „Leider muss ich unbegründete Gerüchte ansprechen, dass die Olympischen Spiele in Tokio abgesagt werden“, sagte Matt Carroll, der Chief Executive Officer des australischen Komitees. „Die olympische Flamme wird am 23. Juli 2021 entzündet werden.“
Doch die Dementi können nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass die schon einmal verprellten Gastgeber immer offener das Für und Wider des Sportspektakels in der Pandemie diskutieren. Die Corona-Pandemie droht auch den Traum einer paneuropäischen Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer zunichtezumachen.
Eigentlich sollte das Turnier in elf europäischen und einer asiatischen Stadt stattfinden. Nun aber prüft die Europäische Fußball-Union (Uefa) wohl derzeit alternative Szenarien. Eine Entscheidung darüber, wie und wo in diesem Sommer gespielt wird, soll Anfang März fallen.
Die Regierung in Japan ist noch nicht so weit. Sie hält offiziell an der Olympiade fest, für die das Land und die Unternehmen mindestens 11 Milliarden investiert haben, die bei einer Absage keinen olympischen Gewinn einfahren würden.
Einige Schätzungen gehen sogar von mehr als 20 Milliarden aus, wenn man alle Infrastruktur- und Hotelneubauten mitrechnet. Doch der olympische Optimismus von Regierungschef Yoshihide Suga ist längst keine Position mehr, mit der sich im Herbst in der anstehenden Unterhauswahl punkten lässt.
Nach der erneuten Ausrufung eines Corona-Notstands Anfang des Jahres ist die Zustimmung zu seinem Kabinett in einer Umfrage der Zeitung „Mainichi" auf nur noch 33 Prozent gefallen, die Hälfte des Werts bei seinem Amtsantritt im September 2019. Auch das Sportfest wirkt dabei toxisch: Schon seit Wochen ist in Meinungsumfragen deutlich mehr als die Hälfte der befragten Japaner dafür, wegen der Coronawelle die Spiele zu verschieben oder gar abzusagen und so weitere hohe Investitionen zu vermeiden.
Berichte über Wende der Regierung
Die hektischen sportdiplomatischen Dementi wurden am Freitag allerdings von einem Bericht der britischen Tageszeitung „The Times“ ausgelöst, nach dem die Regierung mit ihrem Volk übereinstimmt. Die Regierung sei „insgeheim zu dem Schluss gekommen“, dass die Olympischen Spiele in Tokio wegen des Coronavirus abgesagt werden müssten, berichtete das Blatt unter Berufung auf einen ungenannten hochrangigen Vertreter der Regierungskoalition in Tokio.
Dem Bericht zufolge bestehe in der Regierung Einigkeit darüber, dass die Spiele dem Untergang geweiht seien. Die Regierung suche nun nach einem gesichtswahrenden Weg zur Absage, um wenigstens die Möglichkeit offenzuhalten, sich später neu zu bewerben.
Ein Sprecher der Regierung erklärte umgehend, dass der Bericht nicht der Wahrheit entspreche und die Regierung schärfstens dementiere. Aber politisch konnte er damit das Thema nicht mehr einfangen.
Bereits am Donnerstag fragte Kazuo Shii, der Chef der Kommunisten, Regierungschef Suga provokativ, womit er sein Festhalten an den Spielen überhaupt begründe. Andere Oppositionspolitiker kritisierten die offizielle Haltung ebenfalls, unter anderem, weil bis dahin das Corona-Impfprogramm der Regierung keinesfalls abgeschlossen sein dürfte. Japan will nach gegenwärtigen Planungen erst Mitte Februar die Zulassung für den Impfstoff erteilen.
Pokal der Fußball-Europameisterschaft
Auch für die Uefa ist der Umgang mit der Pandemie keine einfache Angelegenheit.
Bild: Getty Images Sport/Getty Images
Rückendeckung erhielten die Kritiker dabei vom Chef des Tokioter Ärzteverbandes, Haruo Okazaki. Die Organisatoren sollten überlegen, die Spiele gänzlich ohne Zuschauer abzuhalten, erklärte er gegenüber der Zeitung „Asahi". Seine Sorge: Japans Gesundheitssystem stehe wegen der Pandemie unter Druck. Er hält es deshalb für nicht machbar, dass 10.000 Ärzte und Schwestern zur Versorgung von Athleten und Zuschauern an den Sportstätten bereitgehalten werden.
Zuschauerfreie Spiele sind zwar ein Szenario in der Planung der Veranstalter. Aber ohne Stimmung auf den Rängen und Ticketeinnahmen verliert das Fest auch innenpolitisch an Wert. Sugas zur Schau gestellter Optimismus wird daher offen angezweifelt. Der Regierungschef habe während der Parlamentssitzung am Donnerstag nicht mehr so ausgesehen, als wäre er erpicht darauf, die Spiele abzuhalten, kolportierte ein Oppositionspolitiker.
Auch für die Uefa ist der Umgang mit der Pandemie keine einfache Angelegenheit: Zum einen müsste die EM in einem Land stattfinden, in dem eine entsprechende Infrastruktur bereits vorhanden ist – also moderne Stadien, eine optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, kurze Wege. Zum anderen sollte die Coronakrise in dem austragenden Land nicht unkontrolliert wüten.
Experten sprechen da immer wieder auch von Deutschland als möglichem Gastgeber. Schließlich habe es das Land geschafft, dass mitten in der Pandemie die Fußballbundesliga weltweit als erste große Liga den geregelten Spielbetrieb wieder aufgenommen hat. Grundlage dafür war ein von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) entwickeltes Hygienekonzept, das sich viele Profiligen im Anschluss abgeschaut haben. Doch die finale Entscheidung trifft allein die Uefa.
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