Die USA und die EU wollen „sofort“ Gespräche über eine Rohstoff-Partnerschaft aufnehmen. Ein Deal könnte den Wettlauf um kritische Mineralien fundamental verändern.
Ursula von der Leyen und Joe Biden
Die EU-Kommissionschefin will mit den USA einen Kompromiss im Subventionsstreit finden.
Bild: Reuters
Washington Es sind die kleinen Gesten, die bei einem Spitzentreffen den Ton setzen. Im Oval Office des Weißen Hauses empfing US-Präsident Joe Biden die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Kaminfeuer und warmen Worten. Vor zwei Jahren habe er ihr am Telefon gesagt, dass sich die Zeiten ändern, erinnerte sich Biden. „Hoffentlich habe ich mein Wort gehalten“.
Unter Donald Trump waren die transatlantischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt, Biden versprach einen Neustart. Inzwischen seien die USA und die EU wieder „gute Freunde“, versicherte von der Leyen. „Wir lassen Russland für seinen grausamen Krieg bezahlen“, unterstrich sie, und die USA hätten der EU mit Flüssiggas „durch die Energiekrise geholfen“.
Doch bei allem demonstrativen Zusammenhalt müssen die beiden Partner einen großen Konflikt aus dem Weg räumen. Das amerikanische Subventionsprogramm für grüne Technologien, der Inflation Reduction Act (IRA), stellt das Verhältnis seit Monaten auf die Probe. Die USA pumpen damit 370 Milliarden US-Dollar in die Förderung klimafreundlicher Technologien, die Subventionen sollen unbegrenzt laufen.
Die EU-Kommission sieht den IRA als ernsthafte Gefahr für die europäische Industrie. Ein erheblicher Anteil europäischer Firmen erwägt bereits, Aktivitäten aus der EU in die USA zu verlagern. Außerdem sollen strenge Inhaltsanforderungen für Batterien europäische Hersteller von US-Kaufanreizen für Elektro-Autos ausschließen.
Jetzt gibt es eine Perspektive für eine Annäherung, die gleichzeitig den globalen Wettlauf um Rohstoffe grundlegend verändern könnte: So verständigten sich Biden und von der Leyen am Freitag auf Gespräche für eine neue transatlantische Rohstoff-Partnerschaft. „Wir werden sofort Verhandlungen beginnen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der USA und der EU. Ziel sei ein neues Lieferketten-Netzwerk für kritische Rohstoffe, Mineralien und seltene Erden, erklärte ein hochrangiger US-Regierungsbeamter – mit den G7-Staaten als Ankerpunkt und in Abgrenzung zu China.
>> „Handelspakt light“: Die Kooperation ist „sehr begrenzt“ auf kritische Mineralien für E-Autos und Batterien, erklärte der hochrangige US-Regierungsbeamte. Es gibt bislang keinen Vertrag, sondern nur eine Absichtserklärung für Verhandlungen. Ein traditionelles Freihandelsabkommen, das zum Beispiel Zölle abbaut und ratifiziert werden muss, ist nicht im Gespräch. Dafür sollen die Verhandlungen auch nur Wochen statt Monate oder Jahre dauern.
>> Türöffner im IRA: Wird die Rohstoffpartnerschaft besiegelt, könnten europäische Batteriehersteller gemäß der IRA-Bestimmungen doch noch von den US-Subventionen profitieren. Beispielsweise könnte ein in der EU ansässiges Unternehmen dazu beitragen, Lithium, Nickel oder andere Materialien für in Nordamerika hergestellte Elektrofahrzeuge zu liefern – und käme im Gegenzug in den Vorzug der Anreize.
>> Eine Frage der Sicherheit: Sogenanntes „Friendshoring“, das Gewinnen von Verbündeten für kritische Rohstoffe, ist ein Kern von Bidens Sicherheitspolitik. Ähnliche Gespräche führen die USA mit Japan und Großbritannien. Rohstoffe spielen auf beiden Seiten des Atlantiks eine immer stärkere Rolle für die nationale Sicherheit. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben entblößt, wie schnell Rohstoff-Lieferketten und die Energieversorgung gestört und missbraucht werden können.
>> Netzwerk der Bodenschätze: Vereinbarungen mit der EU, Japan und Großbritannien wären der erste Schritt zur Schaffung eines neuen „Käuferclubs“ für kritische Mineralien in der G7 – denn weder in den USA noch in der EU gibt es viele Bodenschätze. Deshalb sind mittelfristig Partnerschaften mit rohstoffreichen Länder in Afrika, Asien oder Lateinamerika das Ziel. Auch die Ukraine verfügt über große Reserven an kritischen Mineralien und seltenen Erden. Das Abkommen soll „die höchsten Standards“ bei Arbeitsbedingungen und im Umweltschutz berücksichtigen. Wie genau das überprüft werden soll, ist offen.
Die Ankündigung ist ein Versuch, im Streit um den IRA nach vorne zu blicken. „Die Saga um den IRA hat Spuren im transatlantischen Verhältnis hinterlassen“, kommentierte die Washingtoner Denkfabrik Atlantic Council das Treffen. „Die Aufgabe besteht nun darin, die Gefahr eines Subventionswettlaufs zu entschärfen und sich besser zu koordinieren“.
Im Vorfeld des Besuchs der Kommissionspräsidentin sickerten kaum Details über ihr Programm nach draußen, denn das geplante Abkommen ist diplomatisch heikel. In Brüssel und in Washington geht man davon aus, dass die Ankündigung in China, wo sich Staatspräsident Xi Jinping gerade eine dritte Amtszeit sicherte, genau verfolgt wird. Schließlich ist die Rohstoff-Kooperation eine Kampfansage an Chinas Dominanz auf dem Rohstoffmarkt. Der Atomenergiebehörde IEA zufolge verfügt China über mehr als 80 Prozent der globalen Raffineriekapazität für seltene Erden – das soll sich nach dem Willen der USA und der EU ändern.
Auf weitere Zugeständnisse im Streit um den IRA legen sich die USA allerdings nicht fest. „Wir erwarten und hoffen, dass Europa mit eigenen Plänen nachziehen wird“, sagte der US-Regierungsbeamte weiter. Kommende Woche will die EU Details zu einem grünen Industrieplan bekannt geben.
Viele Fragen der transatlantischen Rohstoff-Partnerschaft sind noch offen, in den USA droht Widerstand gegen die Pläne. Die mächtigen US-Bergbauverbände warnen seit Monaten davor, dass ausländische Autohersteller über Umwege doch noch Mineralien aus China oder Russland verarbeiten könnten.
Der demokratische Chef des Finanzausschusses im Senat, Ron Wyden, rief Biden auf, „den Kongress und der Senat in die Handelspolitik mit einzubeziehen“. Und der Demokrat Joe Manchin, Chef des Energieausschusses im Senat, blockierte die Bestätigung von zwei Biden-Kandidaten für Regierungsposten – als Zeichen des Protests gegen Zugeständnisse im IRA. Er forderte ein „Ende der politischen Spielchen“ und eine konsequente Umsetzung der Subventionen.
Zudem drängt sich die Frage auf, wie realistisch die selbst gesteckten Batterieziele der USA sind. 80 Prozent der kritischen Mineralien einer Batterie sollen ab 2027 aus den USA oder von US-Freihandelspartnern stammen, das sieht der IRA vor. Zur Perspektive: Derzeit stammen 59 Prozent der amerikanischen Lithium-Importe aus Argentinien, ein Land, mit dem die USA kein solches Abkommen unterhalten.
Die Ziele seien nur „für einen Teil der Batterietypen erreichbar“, schreibt Jennifer Dunn, Professorin für Ingenieurswesen, in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“. Außerdem ignoriere das Gesetz die „erhebliche Bedrohung der Umweltqualität für die Luft-, Wasser- und Bodenqualität“ durch Rohstoff-Schürfung und Batterieproduktion.
Doch in Washington sieht man die geplante Partnerschaft mit der EU nicht nur als pragmatischen Weg, Lieferketten umzuleiten. Der „Käuferklub“ der G7, so erklärte der US-Regierungsbeamter, sei ein „willkommenes Zeichen“, dass sich die EU von China emanzipieren wollen. „Die gegenseitigen Bedenken gegen China sind auf einem historischen Höchststand“, erklärte er.
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US-Geheimdienstchefin Avril Haines hatte China in dieser Woche als „führende und folgenreichste Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA“ bezeichnet. Anfang Februar hatte der Abschuss eines chinesischen Überwachungsballons über US-Luftraum eine diplomatische Krise ausgelöst. Die US-Regierung warnt zudem vor potenziellen Waffenlieferungen Chinas an Russland für den Ukraine-Krieg und versucht, internationale Unterstützer für Sanktionen gegen China zu gewinnen, darunter auch die EU.
In der Bundesregierung äußerte man zuletzt die Hoffnung, diesen Schritt vermeiden zu können. Denn solche Sanktionen mit europäischer Beteiligung wären angesichts der starken wirtschaftlichen Verflechtung mit China äußerst heikel. Bislang haben die USA keine Beweise für eine Waffen-Kooperation zwischen Peking und Moskau vorgelegt.
Die USA und die EU sind mit bislang 113 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 18 Milliarden US-Dollar die mit Abstand größten Geldgeber für die Ukraine. Allerdings könnte bereits im Sommer der Geldfluss aus Washington in Gefahr sein. Denn jedes neue Hilfspaket muss durch den US-Kongress, der seit den Zwischenwahlen im November gespalten ist.
Im Repräsentantenhaus dominieren die Republikaner mit wenigen Sitzen Vorsprung, von denen einige mit einer Blockade drohen. Das Thema wird zunehmend im US-Präsidentschaftswahlkampf diskutiert, so droht Trump mit einem sofortigen Ende der Ukraine-Hilfen, sollte er erneut für die Republikaner ins Weiße Haus einziehen.
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