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11.01.2023

11:30

Treffen in Davos

Eine Krise nach der anderen: Weltwirtschaftsforum sagt Ende der Globalisierung voraus

Von: Moritz Koch

Die Globalisierung hat den weltweiten Wohlstand erhöht, steht laut einer Studie aber vor dem Ende. Kurz vor dem Davos-Treffen zeichnen Entscheider ein düsteres Bild der Zukunft.

Der weltweite Handel hat den Lebensstandard vieler Menschen erhöht, doch nun könnte die Geopolitik der Globalisierung im Weg stehen. Bloomberg

Tiefwasser-Hafen von Shanghai

Der weltweite Handel hat den Lebensstandard vieler Menschen erhöht, doch nun könnte die Geopolitik der Globalisierung im Weg stehen.

Brüssel Einmal im Jahr trifft sich die globale Elite in Davos. Nichts symbolisiert den Überschwang der vergangenen Jahrzehnte so sehr wie das World Economic Forum in den Schweizer Bergen, das jährliche Treffen von Spitzenpolitikern, Managern und Experten. 

Daher lässt es aufhorchen, wenn ausgerechnet in Davos eine ökonomische Zeitenwende ausgerufen wird.

Im diesjährigen Global Risk Report warnt das Weltwirtschaftsforum davor, dass die Geopolitik die ökonomische Zusammenarbeit überlagert – mit weitreichenden Folgen: „Ein langfristiger Anstieg ineffizienter Produktion und steigende Preise werden wahrscheinlicher“, heißt es im Bericht, der auf einer Umfrage unter 1200 Entscheidungsträgern beruht.

Nachdem die Globalisierung trotz ihrer Schattenseiten Millionen Menschen aus der Armut gehoben und den Abstand zwischen Industrie- und Schwellenländern verringert hat, orakelt der neue Risikoreport düster: „Die neue ökonomische Ära“ könnte eine Ära „der wachsenden Kluft zwischen reichen und armen Ländern werden und den ersten Rückschritt in der Menschheitsentwicklung seit Jahrzehnten“ einleiten.

Das Thema der Konferenz, die am kommenden Dienstag beginnt, ist damit gesetzt. Die sogenannte Hyperglobalisierung, die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs begann, scheint ihrem Ende entgegenzugehen. Was auf sie folgt, klingt alles andere als verheißungsvoll. „Die nächste Dekade wird von ökologischen und sozialen Krisen gekennzeichnet sein“, so die Risikoprognose. 

Gerade einmal 20 Prozent der Befragten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft rechnen damit, dass sich die politische und ökonomische Lage innerhalb der nächsten zehn Jahre verbessert oder zumindest stabilisiert. Mehr als die Hälfte dagegen rechnet mit Krisen, Schocks und hoher Volatilität.

Weltwirtschaftsforum: Steigende Lebenshaltungskosten treffen die Ärmsten besonders hart

Als kurzfristig größte Gefahr benennen die Experten des Weltwirtschaftsforums die steigenden Lebenshaltungskosten. Die Ärmsten litten am stärksten unter den hohen Preisen für Energie und Nahrungsmittel, in ohnehin schon fragilen Ländern drohe sogar der Kollaps staatlicher Strukturen.

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Die steigenden Zinsen und die hohe Staatsverschuldung erschwerten es den Regierungen, die ökonomischen Härten abzufedern. Verschärft werde die soziale Ungleichheit durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, die gerade Jobs für ungelernte Arbeitskräfte überflüssig mache.

International treten Konflikte an die Stelle von Kooperation. Ökonomische Kriegsführung werde zur „Norm“, heißt es in der Studie, Wirtschaftspolitik diene zunehmend dazu, „Selbstversorgung und Unabhängigkeit von Machtrivalen“ zu stärken und zugleich den Aufstieg anderer Staaten zu hemmen. Einen „geoökonomischen Nullsummen-Krieg“ befürchten die Experten daher. Und es könnte noch erheblich schlimmer kommen.

Die russische Aggression gegen die Ukraine hat den großflächigen Landkrieg zurück nach Europa gebracht – und der Welt vor Augen geführt, wie fragil die globale Friedensordnung ist. Auch die Angst vor einer Konfrontation zwischen den USA und China wächst, nicht zuletzt wegen der Spannungen um Taiwan.

Warnungen aus Davos: Hohe Militärausgaben könnten finanziellen Spielraum weiter einschränken

„Sicherheitserwägungen und steigende Militärausgaben“ könnten den finanziellen Spielraum weiter einschränken, so die Warnung aus Davos. Gefährdete Länder drohten in eine „Dauerkrise“ zu geraten, „in der sie nicht in künftiges Wachstum, menschliche Entwicklung und grüne Technologien investieren können“.

Die vom Weltwirtschaftsforum befragten Experten blicken überwiegend pessimistisch in die nahe Zukunft. Reuters

World Economic Forum in Davos

Die vom Weltwirtschaftsforum befragten Experten blicken überwiegend pessimistisch in die nahe Zukunft.

Gegen Ende des Jahrzehnts könnten Regierungen und Unternehmen ökologischen Risiken nicht länger ausweichen, dem Klimawandel, aber auch dem Artensterben und dem Kollaps von Ökosystemen. Hier bewege sich die Menschheit auf einen „Kipppunkt“ zu. Weltweite Anstrengung seien erforderlich, um das Schlimmste zu verhindern. 

Gefragt nach den größten Risiken für die Welt in zehn Jahren, stehen der Klimawandel, Naturkatastrophen und der Verlust von Biodiversität bei den Befragten ganz oben. „Ein Scheitern bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen stellen fünf der zehn größten Risiken dar“, lautet das Ergebnis der Risikoanalyse.

Die globale Zusammenarbeit in diesen Fragen wird jedoch durch die zunehmenden Spannungen zwischen der demokratischen Welt und aufstrebenden Autokratien erschwert. George Soros, einer der Vordenker der Globalisierungsära, versuchte, die globale Elite schon beim letzten Davos-Treffen wachzurütteln: „Unsere Zivilisation wird womöglich nicht überleben.“

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