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16.09.2022

17:41

Treffen in Schanghai

Putins „lieber Freund“ oder Partner des Westens – Modi will weiter beides sein

Von: Mathias Peer

Russlands Präsident überhäuft Indiens Premier mit Herzlichkeiten. Dieser fordert „einen Weg des Friedens“ – lässt aber keine Zweifel an der Partnerschaft mit Moskau aufkommen.

Es ist das erste Treffen der beiden Politiker seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. via REUTERS

Narendra Modi und Wladimir Putin

Es ist das erste Treffen der beiden Politiker seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

Bangkok Fotos in freundschaftlicher Atmosphäre wollte Indiens Premierminister Narendra Modi bei dem Gipfeltreffen in Usbekistan offenbar um jeden Preis vermeiden. Zum Tagungsort der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) – eines Staatenbündnisses, das aus China, Indien, Russland, Pakistan und vier zentralasiatischen Ländern besteht – reiste Modi mit Verspätung an und verpasste so das informelle Willkommensdinner. Ziel war es offenbar in erster Linie, den Staats- und Regierungschefs aus China und Pakistan aus dem Weg zu gehen – beide Nachbarn sieht Indien als seine Rivalen.

Mit Russlands Präsident Wladimir Putin hat Modi hingegen keine Berührungsängste. Am Rande des Gipfels traf er sich am Freitag wie geplant zu einem Zweiergespräch mit dem Kremlchef. Es war das erste persönliche Aufeinandertreffen zwischen den beiden Politikern seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine – der von Indien bisher offiziell nicht verurteilt wurde.

Auch dieses Mal vermied Modi allzu deutliche Worte. Im öffentlichen Teil des Gesprächs sagte er lediglich: „Wir leben nicht in einem Zeitalter des Krieges. Wir haben heute die Gelegenheit, darüber zu sprechen, wie wir auf dem Weg des Friedens vorankommen können.“

Zweifel an der engen Partnerschaft mit Russland wollte Modi aber nicht aufkommen lassen. „Indien und Russland sind schon seit mehreren Jahrzehnten miteinander verbunden“, betonte er. Putin sagte, er kenne Modis Standpunkt zum Konflikt in der Ukraine und auch seine Bedenken. „Wir wollen, dass all dies so schnell wie möglich endet.“ Wie bereits in der Vergangenheit schob er der Ukraine die Schuld zu – für ihre angebliche Weigerung, mit Russland zu verhandeln.

Widerspruch bekam Putin dafür in Modis Beisein nicht. Für den indischen Premier hagelte es dafür Herzlichkeiten. Er wisse, dass sein „lieber Freund“ Modi morgen Geburtstag feiere, sagte Putin. Er wünsche ihm und der „freundlichen indischen Nation“ nur das Beste. Zudem lud er Modi zu einem Staatsbesuch in Russland ein.

Beziehung zwischen Russland und Indien

Für Putin war das Treffen eine weitere Möglichkeit zu demonstrieren, dass sein Land international bei Weitem nicht so isoliert ist, wie es der Westen gern hätte. Seine Botschaft lautete: Mit Indien und den anderen SCO-Staaten, die immerhin für rund 40 Prozent der Weltbevölkerung stehen, tritt eine ernst zu nehmende Alternative zum Westen hervor.

Der russische Präsident versucht, seine Unabhängigkeit vom Westen deutlich zu machen. via REUTERS

Wladimir Putin

Der russische Präsident versucht, seine Unabhängigkeit vom Westen deutlich zu machen.

Putin sagte in einer Ansprache: „Die wachsende Rolle neuer Machtzentren, die miteinander kooperieren, wird immer deutlicher.“ Die Gruppierung sei offen für die Zusammenarbeit mit der ganzen Welt. „Wir hoffen, dass andere Staaten aufhören, die Instrumente des Protektionismus, der illegalen Sanktionen und des wirtschaftlichen Egoismus zu benutzen.“

Putin fügte hinzu, er wünsche seinen „Freunden aus Indien jeglichen Erfolg“. Das Land übernahm von Usbekistan den SCO-Vorsitz. Das Zurschaustellen der anhaltenden indisch-russischen Partnerschaft ist für Indiens Premier Modi politisch nicht ungefährlich: Seit Beginn des Ukrainekriegs versucht der Regierungschef der weltgrößten Demokratie einen zunehmend schwierigen Balanceakt.

Er möchte die traditionell guten Beziehungen zu Russland – Indiens wichtigstem Rüstungslieferanten – aufrechterhalten. Gleichzeitig will er die Vertiefung der Partnerschaft mit den USA und Europa nicht gefährden. Die westlichen Staaten sieht Modi schließlich als Verbündete in der Rivalität mit China.

Bislang stieß Indien mit der Vorgehensweise bei Amerikanern und Europäern auf Verständnis. Aus Washington hieß es noch vor Kurzem, es sei logisch, dass Indien seine historische Verbundenheit zu Russland nicht wie einen Lichtschalter umlegen könne.

Nun machen die USA aber deutlich, dass die Toleranz auch Grenzen kennt: „Wir haben auf höchster Ebene unsere Besorgnis über Handlungen zum Ausdruck gebracht, die den internationalen Druck auf Russland untergraben könnten“, teilte das US-Außenministerium mit.

Energiepartnerschaft zwischen Indien und Russland

Vor allem wirtschaftlich half Indien zuletzt, den Druck auf Russland zu mildern. Während Russlands Energiegeschäft mit Europa einbrach, half das 1,4 Milliarden Einwohner große Schwellenland in Südasien, die Lücken zu füllen, und wurde bei russischen Ölkonzernen zum Großkunden. Indien bezieht auch deutlich mehr Kohle aus Russland.

Indien bezieht viel Öl aus Russland. dpa

Ölterminal Russland

Indien bezieht viel Öl aus Russland.

Der rasante Ausbau der Energiepartnerschaft schlägt sich auch in der Handelsbilanz nieder: In den ersten sieben Monaten des Jahres stiegen Indiens Importe aus Russland von zwei Milliarden Dollar im Vorjahr auf nun 13 Milliarden Dollar.

Auch eine Beteiligung an einem von den G7-Staaten geplanten Preisdeckel für russisches Öl lehnt Indien offenbar ab. Ein indischer Außenamtssprecher sagte dazu am Rande des SCO-Gipfels, Indien sei kein G7-Mitglied und indische Unternehmen würden sich Öl am freien Markt besorgen, um die Energieversorgung des Landes zu sichern.

Auch Russland betonte, die Geschäfte würden weitergehen. Denis Alipow, Russlands Botschafter in Indien, sagte: „Indien sieht sich nach den günstigsten Angeboten um, und Russland sucht nach neuen Märkten.“

Der Kreml hatte bereits angekündigt, kein Öl an Staaten zu verkaufen, die die Preisobergrenze umsetzen. Sollte sich Indien dem G7-Plan tatsächlich verweigern, droht das Land auch selbst in den Fokus von Sanktionen zu geraten.

Für Ärger sorgte bei Indiens Partnern zuletzt auch die Teilnahme indischer Soldaten an der russischen Militärübung „Wostok“. Besonders empört reagierte man darauf in Japan. Denn die Übung wurde unter anderem rund um eine Inselgruppe durchgeführt, um die sich Russland und Japan seit Jahrzehnten streiten.

Dass ausgerechnet Indien – Japans Partner im Sicherheitsbündnis Quad – da mitmischte, sorgte in Tokio für Irritationen. Die Frage, auf wessen Seite Indien wirklich steht, drängt sich für die Partner von Asiens drittgrößter Volkswirtschaft immer stärker auf.

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