Das Urlaubsparadies Antalya ist wie ausgestorben – denn die Touristen bleiben fern. Zu groß ist ihre Angst vor Terror und den Umbrüchen im Land. Viele Türken fühlen sich von den Deutschen im Stich gelassen. Ein Report.
Tourismus in Kemer
Die Hotelinhaberin Erendit Hamamcioglu begrüßt in ihrer Anlage in Kemer ihren Hund Alice. Auch sie leidet unter Erdogans Machtspielchen.
Bild: dpa
Antalya Die Leere hat sich manch ein Tourist vielleicht schon mal gewünscht, der sich bei 32 Grad mitten in der Hochsaison ein Plätzchen auf der Liege neben Hunderten anderen sichern musste. Verlassene Strände sind in diesem Jahr traurige Wirklichkeit in der Türkei. Das Land kommt nicht zur Ruhe: Auf Terroranschläge folgte ein Putschversuch – und nun auch noch der Ausnahmezustand. Pralle Sonne, stahlblauer Himmel, funkelndes Meer und gewaltige Berge: Weder die perfekte Urlaubskulisse noch die günstigen Preise oder der gute Service in den Hotels am Mittelmeer können so viele Touristen nach Antalya locken wie in den vergangenen Jahren.
„Der Tourismus in Antalya ist am Boden“, sagt Basak Yilmaz. An ihrer Bar am eigentlich so beliebten Lara Beach wartet alles auf die Besucher: Der Rasen wird gesprenkelt, die hölzernen Wege über dem heißen Sand sind gefegt. Während in Ankara der Nationale Sicherheitsrat und das Kabinett unter Leitung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in einer Sondersitzung die Verhängung des Ausnahmezustandes für drei Monate vorbereiten, stehen in Antalya die Liegen bereit, mit Handtuch reserviert ist keine. Auch die Sonnenschirme bleiben zusammengefaltet.
„Schade“, sagt Celal Kaya. Er wiederholt es immer wieder. Jedes Jahr kommt er mit seiner Frau Hafise her. Auch dieses Jahr sei das keine Frage gewesen, obwohl er am vergangenen Samstag beim Kofferpacken die Nachrichten sah und hörte: Teile der Streitkräfte in der Türkei haben geputscht. „In Antalya ist alles okay, alles ruhig“, sagt er mit fester Stimme und blickt aufs Meer. „Wenn man europäisches Fernsehen sieht, sieht man nur Krieg, nur Militär. Hier ist kein Krieg!“
Hafise mischt sich ins Gespräch. „Wir warten hier mit offenen Händen und Armen.“ Die Familie wohnt seit Jahren in der Schweiz, kommt aber aus der Türkei. Hier wird sie von Kellnern am Strand umgarnt: Es gibt „Tost“, Erdnüsse und Bier unterm Sonnenschirm. Die wenigen Kunden sind Könige.
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Familienvater Celal weiß, wie hart die Katastrophen-Nachrichten aus der Türkei die Branche getroffen haben. Seine Brüder leben wie viele Menschen an der Riviera im Süden des Landes vom Tourismus. Wie es weitergeht, wüssten sie nicht.
Für Birol Baykal bedeutet das Wegbleiben der Menschen: „30 Prozent weniger Lohn in diesem Monat.“ Wenn er nicht gerade mit Touristen spricht, hat er Sorgenfalten im Gesicht. Er wirbt wie der 27-jährige Halil für Wassersport. Für Halil ist es der Job für die heiße Jahreszeit, im Sommer hält er es in Istanbul nicht aus. Jetzt schlägt er mit seinen zwei Kollegen am Stand die Zeit tot. „Die Situation ist echt schlecht.“
Der junge Mann mit seinen Tattoos am Arm und den bunten Klamotten fällt auch Vanja und Gert Wöllhaf auf. Sie faulenzen in ihren Liegestühlen. Ihnen täten die Leute leid, die den Touristen alles böten, was das Herz begehre. „Das ist eine Katastrophe für das Land, eine Katastrophe für die Leute“, sagt Gert Wöllhaf.
Die Baden-Württemberger lassen es sich gutgehen. Verunsichert seien sie nicht – irritiert habe lediglich, als in der Nacht von Freitag auf Samstag plötzlich das Internet weg war. „Einfach stillgelegt“, sagt Wöllhaf. Dann kamen die SMS aus Deutschland. „Wie geht's euch?“ „Wir haben unseren Freunden geantwortet: Uns geht es gut, Panzer sind auch noch keine durchgefahren.“ Wöllhaf lacht, als er das sagt.
Die, die am Strand relaxen, sind entspannt. Doch viele sind gar nicht erst gekommen: Die staatliche Flughafenbehörde meldete für die erste Hälfte des laufenden Jahres einen Rekordrückgang der Zahl der Passagiere in Antalya von 47 Prozent im Vergleich zu 2015. Und auch eine Umfrage unter Deutschen spricht Bände: Die wenigsten geben an, dass sie die Türkei für ein sehr sicheres Reiseland halten. Jeder dritte Befragte sagt sogar: Die Türkei sei „sehr gefährlich“.
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Kommentare (72)
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21.07.2016, 12:59 Uhr
Schade, gute Hotels, am Vormittag Ski fahren und dann im Meer baden.
Alles aus, wohin nur mit dem sauer verdienten Geld.
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21.07.2016, 13:09 Uhr
Die deutsche Bundestagspolitik unter der Führung Merkels hat doch die Türkei erst als eine lupenreine Demokratie Urlaubsland ausgezeichent und einen Preis von 6 Milliarden Euro dafür an Hr. Erdogan vergeben. Also wenn die Merkel Bundestagspoltiik schon so großzügig ist und Erdogan demnächst zum Friedennobelpreis vorschlagen will, dann sollten wir dies zumindest mit einen Urlaub in der bombastischen Türkei mit unterstützen.
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21.07.2016, 13:10 Uhr
Die Türkei ist ein souveränes Land und Erdogan wurde demokratisch gewählt.
Wenn die Mehrheit der Türken es geil findet so regiert zu werden, ist das deren Sache. Genau so souverän sind wir in der Wahl unserer Urlaubsziele. Und dass man als Nicht-Türke mit einem klaren Kopf keinen Urlaub mehr in der Türkei machen kann, ist ja wohl selbstverständlich. Genauso erwarte ich von Herr Podolski, dass er genauso Cochones zeigt, wie sein Kollege Gomez und Adieu zu seinem türkischen Arbeitgeber sagt. Schlimm genug, dass wir über die Nato weiterhin an diese (!!) Türkei gekettet sind.