PremiumDer Bundeskanzler verspricht beim Treffen mit Ukraines Präsident Selenski Solidarität und Geld. Konkrete Aussagen zu Sanktionen oder gar zu Nord Stream 2 gibt es nicht.
Olaf Scholz und Wolodimir Selenski
Der Bundeskanzler besuchte am Montag die Ukraine und sicherte auf einer Pressekonferenz Unterstützung zu.
Bild: imago images/ITAR-TASS
Berlin, London, Moskau, New York Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte bei seinem Besuch in der Ukraine im Wesentlichen die bekannten deutschen Positionen. Einen Tag vor seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau sagte Scholz in Kiew, dass die „Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine“ nicht verhandelbar seien.
Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine schloss er erneut aus, die Festlegung auf einen Stopp der Ostseepipeline Nord Stream 2 im Fall einer russischen Invasion vermied er. „Wir wissen, was zu tun ist“, kündigte der Kanzler vage an.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich kurz vor dem Scholz-Besuch zu weiteren Gesprächen bereit. Trotz der Weigerung der USA und ihrer Verbündeten, auf die russischen Kernforderungen einzugehen, sollte der Dialog beibehalten werden, sagte er bei einem Treffen mit Putin. Die Möglichkeiten für Gespräche, so Lawrow, seien „bei Weitem nicht ausgeschöpft“.
Mit seinem Besuch stellt der Bundeskanzler zwar klar, dass er die Ukraine unterstützen wird, will aber keine Details zu den Druckmitteln, die er gegen Putin einsetzen könnte, preisgeben. Anders als Scholz sprach Selenski auch Nord Stream 2 direkt an.
Das wichtigste Signal, das Olaf Scholz aus Kiew an Wladimir Putin sandte, war die Tatsache, dass der Bundeskanzler zuerst in die ukrainische Hauptstadt gekommen war und erst danach nach Moskau reist. Ansonsten blieb Scholz bei seiner „strategischen Ambiguität“, die er nach seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski mit dem vagen Versprechen zusammenfasste: „Wir wissen, was zu tun ist.“
Statt einer klaren Ansage im Falle eines Einmarsches die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen, gab es Solidaritätsbekundungen und viel Geld. „Deutschland steht fest an Ihrer Seite“, versicherte Scholz dem Ukrainer und bekräftigte, dass Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine nicht verhandelbar seien.
Proteste beim Besuch von Olaf Scholz
Demonstranten kritisierten am Rande des Besuchs von Olaf Scholz in Kiew den Altkanzler Gerhard Schröder für seine Tätigkeiten in Russland.
Bild: imago images/Ukrinform
Das Wort „Nord Stream 2“ brachte Scholz auch in Kiew nicht über die Lippen. Ganz anders Selenski: „Wir betrachten Nord Stream 2 ausschließlich als Bedrohung. Wir verstehen das als geopolitische Waffe“, sagte er und wiederholte seine Forderung nach Waffenlieferungen.
Scholz blieb in der Frage der Waffenexporte bei der restriktiven Linie der Bundesregierung und kündigte stattdessen die beschleunigte Auszahlung einer Kreditlinie von 150 Millionen Euro und eine weitere Kredithilfe im gleichen Umfang an. „Kein Land der Welt hat die Ukraine finanziell mehr unterstützt als Deutschland“, betonte er und versprach, dass das auch so bleiben werde. Er forderte deutsche Unternehmen auf, weiter in dem osteuropäischen Land zu investieren.
Nicht nur Scholz machte bei seinem Besuch finanzielle Zusagen an die Ukraine. In einer Erklärung der Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G7) hieß es, die G7 wolle die Unabhängigkeit der Ukraine und die wirtschaftliche Stabilität des Landes erhalten. „Es kommt nicht oft vor, dass die G7 sich zu aktuellen diplomatischen Fragen äußert“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). „Jetzt ist es erforderlich.“
Selenski machte beim Scholz-Besuch gute Miene, verbarg aber nicht seine Enttäuschung darüber, dass seine Erwartungen nicht erfüllt wurden: „Ich weiß nicht, welche Sanktionen geplant sind. Die Frage konnte auch Herr Scholz mir nicht beantworten.“
Der Bundeskanzler setzt weiterhin auf „Deeskalation“ und will das mit Putin im Normandie-Format ausgehandelte Minsker Abkommen wiederbeleben. Bislang haben die Gespräche darüber kaum Fortschritte gebracht. Das Problem ist, dass Putin in dem Abkommen inzwischen einen Hebel sieht, um die Ukraine dem westlichen Einfluss zu entziehen, während Scholz darin die Grundlage erkennt, die Souveränität der Regierung in Kiew zu sichern. Er begrüßte, dass Selenski Gesetze vorlegen will, um das Abkommen zu erfüllen.
Das russische Parlament liebäugelt derweil mit dem offenen Bruch des Abkommens: Am Montag brachte die Kremlpartei „Einiges Russland“ einen Antrag in die Duma ein, die Separatistenregimes Donezker Volksrepublik (DVR) und Luhansker Volksrepublik (LVR) offiziell als selbstständig anzuerkennen. Die Ukraine habe acht Jahre lang Zeit gehabt, ihre Verpflichtungen in dem Friedensprozess zu erfüllen.
In Berlin wurde die Bedeutung des Treffens mit Putin am Dienstag nicht heruntergespielt, wohl aber die Erwartungen. Dass man sich nach dem Treffen „in einem völlig anderen Spiel“ befinde, sei unwahrscheinlich, hieß es.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte bei einem Treffen mit Präsident Putin, dass einige der russischen Truppenmanöver in Kürze abgeschlossen sein werden. Auch das Außenministerium schwenkte ein: Russland sei bereit, weiterzuverhandeln, teilte Außenminister Sergej Lawrow mit. „Ich glaube, unsere Möglichkeiten sind längst noch nicht ausgeschöpft“, sagte der Chefdiplomat.
Auf reges Interesse stieß die Aussage des ukrainischen Botschafters in London, der in einem BBC-Interview von der Möglichkeit gesprochen hatte, dass die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten könne, wenn dies einen Krieg verhindere. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte dies einen Schritt in die richtige Richtung. Selenski betonte, dass die Nato-Mitgliedschaft ein „langfristiger Traum“ der Ukraine bleibe. „Die Frage der Bündnismitgliedschaft steht jedoch nicht an“, unterstrich Scholz.
Unterdessen bleibt die Situation an der Grenze zur Ukraine angespannt. „Wir glauben nicht, dass Putin schon die Entscheidung getroffen hat einzumarschieren“, hieß es in europäischen Sicherheitskreisen. Aber mit der Zahl von 130.000 Soldaten habe Russland jetzt genug Kräfte zusammengezogen, um die Invasion jederzeit zu beginnen. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich um eine Invasionsarmee handele.
US-Außenminister Antony Blinken betonte in einem Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister Dmitro Kuleba, dass die USA zwar derzeit der Deeskalation die höchste Priorität einräumen, dass aber jede militärische Aggression vonseiten Russlands gegen die Ukraine eine schnelle, koordinierte und deutliche Antwort zur Folge hätte.
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