PremiumRussland kündigt einen Truppenrückzug an. Der Bundeskanzler spricht von „einem guten Zeichen“. Auch die Nato ist vorsichtig optimistisch, gibt aber noch keine Entwarnung.
Olaf Scholz und Wladimir Putin
Während einer Pressekonferenz informierten der Kanzler und der Kremlchef die Öffentlichkeit über die Ergebnisse ihres Treffens.
Bild: via REUTERS
Berlin, Brüssel, Moskau In der Ukrainekrise gibt es erstmals seit Wochen Hinweise darauf, dass ein militärischer Konflikt doch noch vermieden werden könnte. Das russische Verteidigungsministerium kündigte kurz vor dem Eintreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau einen Rückzug von Truppenteilen an der ukrainischen Grenze an.
„Die Einheiten der Wehrkreise Süd und West, die ihre Aufgaben erfüllt haben, sind schon zur Verladung auf den Eisenbahn- und Straßenverkehr übergegangen und beginnen heute mit der Abfahrt in ihre Garnisonen“, sagte der Sprecher des Ministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow. Das Ministerium nannte jedoch keine Details zur Anzahl der abziehenden Soldaten.
An den Finanzmärkten wurden die Entspannungssignale positiv aufgenommen. Die Aktienkurse stiegen am Mittwoch, der zuletzt sehr hohe Ölpreis ging zurück.
„Wir wollen keinen Krieg“, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin nach dem Treffen mit Scholz und betonte, er sei zu einem Dialog bereit. Zugleich verwies er aber auf russische Sicherheitsinteressen und forderte, dass die Nato jetzt und nicht erst in der Zukunft ausschließen müsse, dass die Ukraine Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden könne.
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Ein Händeschütteln war für Scholz zwar nicht drin: Russlands Präsident hielt den Bundeskanzler auf Abstand, nachdem dieser bei der Landung einen russischen PCR-Test abgelehnt hatte. Trotzdem stand die Visite des Bundeskanzlers unter besseren Vorzeichen als die anderer westlicher Vermittler.
Scholz nannte es ein „gutes Zeichen“, dass einige russische Truppenteile von der Grenze zur Ukraine abgezogen worden seien. Der Bundeskanzler betonte zugleich, dass es schwerwiegende Konsequenzen für Russland hätte, sollte es einen Angriff auf die Ukraine geben. „Es ist unsere verdammte Pflicht, für den Frieden einzutreten“, sagte der Kanzler nach dem fast vierstündigen Gespräch mit Putin. Deeskalation sei dringend geboten.
Auch Putin zeigte sich gesprächsbereit: Russland wolle „natürlich“ keinen Krieg. Die Rückverlegung eigener Truppen bedeutet jedoch nicht, dass Russland seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien aufgegeben hat. Das machte der Kremlchef noch einmal deutlich.
Gefragt, ob der begonnene Truppenabzug weitergehen werde, antwortete der Kremlchef: „Russland handelt nach Plan“, wie es weitergehe, hänge auch von den Verhandlungsergebnissen ab. Die bisher erhaltene Antwort „entspricht nicht den russischen Bedürfnissen“. Russland sei bereit, über die Fragen der europäischen Sicherheit, Raketenstationierung und Transparenz zu sprechen, aber nur im Gesamtpaket mit den wichtigsten Forderungen.
Die Regierung in der Ukraine und die Nato reagierten deshalb skeptisch auf die Ankündigungen aus Moskau. Der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, begrüßte die Signale aus Moskau zwar und sprach von einem „Grund zu vorsichtigem Optimismus“. Er betonte aber, dass es bisher keine konkreten Anzeichen für einen weiter gehenden Abzug der Truppen aus dem Grenzgebiet gebe. Die Angaben der russischen Seite müssten „in den nächsten Tagen verifiziert werden“, sagte Julianne Smith, US-Botschafterin beim westlichen Verteidigungsbündnis.
Verladung von Panzern nach beendetem Manöver in Südrussland
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Bilder, die den Rückzug einiger Truppenteile in die Stützpunkte beweisen sollen.
Bild: dpa
Im Dezember habe Moskau ähnliche Behauptungen aufgestellt, den Truppenaufmarsch dann aber fortgesetzt, anstatt zu einer Deeskalation beizutragen. „Erst wenn wir einen Abzug sehen, glauben wir an eine Deeskalation“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in Kiew.
Dass beide Seiten noch weit auseinander liegen, zeigte sich in Moskau vor allem bei der Frage einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Ein Moratorium sei keine Lösung, so der russische Präsident. „Was ändert das für uns, wenn die Ukraine nicht morgen, sondern übermorgen beitritt?“, fragte er. Russland wolle sich jetzt dagegen absichern, sonst sei es zu spät für die Sicherheit des Landes.
Scholz betonte zwar, dass eine Nato-Mitgliedschaft im Moment nicht zur Debatte stehe, unterstrich aber zugleich die Souveränität der Regierung in Kiew.
Der deutsche Kanzler setzt seine Hoffnungen weiter auf das Minsker Abkommen und das Normandie-Format, einer 2014 gegründeten Verhandlungsrunde aus Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine zu Fragen des Ukrainekonflikts.
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Das Versprechen des ukrainischen Präsidenten, bis zu den nächsten Verhandlungen die Gesetzesvorhaben der Regierung in Kiew zum Statut des Donbass, den Wahlen und der Verfassungsfrage vorzulegen, sei ein wichtiger Fortschritt. Dies müsse der Ausgangspunkt für eine friedliche Lösung sein, forderte der Kanzler.
Die Nato und die EU warnten Putin davor, die beiden abtrünnigen ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk als Volksrepubliken anzuerkennen. Ein solches Vorgehen wäre eine Verletzung des Völkerrechts, der territorialen Unversehrtheit und Autorität der Ukraine sowie der Minsker Friedensvereinbarungen, sagte Nato-Generalsekretär Stoltenberg.
Auch beim Thema Nord Stream 2 gab es in Moskau Differenzen. Der Kanzler betonte mit Blick auf die umstrittene Ostseepipeline, eine weitere Eskalation der Krise werde „schwere politische und wirtschaftliche Folgen haben, das haben alle verstanden“.
Putin warb dagegen noch einmal für das nach seiner Sichtweise „rein kommerzielle“ Pipeline-Projekt, das die Energiesicherheit Europas gewährleiste. Er sicherte der Ukraine zu, dass sie auch nach einer Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Transitland für russisches Gas bleiben solle.
Die deutschen Verbraucher würden für russisches Gas weniger bezahlen als auf dem Tagesmarkt, sagte Putin. Wer das anders sehe, solle sich an den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder wenden, der das Projekt vorangetrieben habe. Dass der Altkanzler möglicherweise in den Aufsichtsrat des russischen Gaskonzerns Gazprom eintrete, könne für Deutschland nur von Vorteil sein. „Schröder ist ein anständiger Mensch“, sagte Putin.
Scholz machte dagegen deutlich, dass sein Parteigenosse, der bereits für Russlands Staatskonzern Rosneft tätig ist, nicht für Deutschland spreche, sondern eine „Privatperson“ sei.
Putin bestätigte, dass man auch über die Deutsche Welle und den russischen Staatssender RT gesprochen habe, der in Deutschland keine Sendelizenz hat.
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