Das Parlament in Moskau billigt das Vorgehen von Staatschef Putin im Eilverfahren. Rückhalt kommt aber auch aus der russischen Bevölkerung.
Feuerwerk und russische Flaggen in Donezk
Menschen feiern die Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine durch Russland.
Bild: dpa
Moskau In der ostukrainischen Stadt Donezk ist mitten in der Nacht zum Dienstag lauter Donner zu hören. Doch es ist kein Geschützdonner, sondern der Lärm im Stadtzentrum stammt von Feuerwerkskörpern. Aus Lautsprechern dröhnt die russische Nationalhymne, während etwa 50 Männer und Frauen vor den Kameras russische Flaggen schwenken und jubeln.
Die für eine frühere Millionenstadt, seit 2014 unter Separatisten-Kontrolle, eher maue Beteiligung begründete die Reporterin des russischen Fernsehens damit, dass in Donezk immer noch eine nächtliche Ausgangssperre herrsche. Trotzdem sei es einer der glücklichsten Tage für den Donbass, das Donezbecken, in den vergangenen Jahren gewesen.
Davon sind auch Galina und Ludmila überzeugt. Die beiden Moskauer Rentnerinnen haben die Rede Putins im Fernsehen verfolgt und anschließend gemeinsam angestoßen. „Seit acht Jahren wussten die Menschen nicht, wohin sie gehören. Jetzt haben sie endlich Sicherheit“, meint Galina.
„Bereitet euch darauf vor, dass der Dollar bald 100 Rubel kostet“, meint dagegen der Unternehmer Ilja. Am Dienstag war ein Dollar noch für 80 Rubel zu haben. Er glaubt aber an einen schnellen Sieg über die ukrainische Armee. Wer soll sie denn schlagen, fragt sein Schachpartner Igor, fügt aber nachdenklich hinzu: „Unsere Jungs werden für das Ego von irgendwem sterben.“ Doch solche Zwischentöne sind eher selten.
Umfragen suggerieren eine Solidaritätswelle der Russen mit der Bevölkerung in den Separatistengebieten. Dem staatlichen Meinungsforschungsinstitut WZIOM zufolge waren 78 Prozent der Russen mit der Entscheidung, Flüchtlinge aus dem Donbass aufzunehmen, einverstanden. Umfragen im gesamten Land zur Anerkennung der Souveränität der abtrünnigen ukrainischen Gebieten gibt es noch nicht, doch in einer Umfrage in Tschita im russischen fernen Osten unterstützten 60 Prozent der Befragten das entsprechende Dekret von Staatschef Wladimir Putin.
Im russischen Parlament war das Stimmungsbild noch eindeutiger: Alle 400 anwesenden Duma-Abgeordneten stimmten am Dienstag für den „Vertrag über Freundschaft und gegenseitigen Hilfeleistung“ zwischen Russland, der „Donezker Volksrepublik“ (DVR) und der „Luhansker Volksrepublik“ (LVR), wie sich die Separatistengebiete nennen. Im Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments, war das Ergebnis ebenfalls einstimmig.
Kommunistenführer Gennadi Sjuganow erklärte nicht nur seine volle Unterstützung für die Anerkennung, sondern forderte sogar zum Umsturz in Kiew auf.
Ganz so weit gingen die übrigen Redner nicht. Trotzdem blieb offen, in welchen Grenzen Russland die beiden neuen Gebilde anerkennt. Die Vizechefin des Außenausschusses, Swetlana Schurowa, meinte dazu: „In den jetzigen Grenzen natürlich. Niemand hat vor, weiter zu gehen.“
Anders sah es der Chef des Ausschusses für die Zusammenarbeit ehemaliger Sowjetrepubliken (GUS), Leonid Kalaschnikow. Im Freundschaftsvertrag sei dazu zwar nichts geschrieben, „aber ich denke, dass die Staatlichkeit gemeint ist, die im Referendum festgelegt wurde, und das fand innerhalb anderer Grenzen statt.“ Damit machte er Ansprüche auf weitere, bisher von Kiew kontrollierte Gebiete – immerhin zwei Drittel des Donbass – geltend.
Vertreter der LVR und DVR erhoben umgehend ihre Ansprüche. Sowohl das Außenministerium als auch Kremlsprecher Dmitri Peskow ließen den Punkt bewusst offen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, die Frage werde „nach der Ratifizierung des Freundschaftsvertrags“ entschieden.
Kremlsprecher Peskow gab trotz acht konkreter Nachfragen keine endgültige Antwort. „Innerhalb der Grenzen, in denen sie ausgerufen wurden“, erkenne Russland die Republiken an, sagte er nur. Dabei wollte er weder den Zeitpunkt der Ausrufung (2014 oder 2022) präzisieren, noch ob beispielsweise die Hafenstadt Mariupol, die bislang von der Ukraine kontrolliert wird, zu den neuen Republiken gehören soll.
Offenbar dient diese Auslassung der weiteren Verhandlungstaktik des Kremls. So sollen der Westen und die Ukraine zu weiteren Zugeständnissen gezwungen werden.
Putin hatte bereits am Montag gedroht, nachdem die Nato Forderungen Russlands unbeantwortet gelassen hatte, dass Moskau das Recht habe, seine Sicherheit zu gewährleisten. Putin fügte hinzu, er werde nicht zulassen, dass die Ukraine zum möglichen Aufmarschgebiet der Nato werde. Dabei deutete er mehrfach mögliche Gebietsansprüche an, die vom gesamten Donbass bis hin zur gesamten Schwarzmeerregion der Ukraine reichen, die Putin „Neurussland“ nannte.
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