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25.01.2023

02:03

Ukraine-Krieg

Deutschland will Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in die Ukraine schicken

Von: Martin Greive, Larissa Holzki, Tom Körkemeier, Julian Olk, Martin Murphy, Frank Specht, Annett Meiritz

PremiumDie Panzer sollen aus Beständen der Bundeswehr stammen. Es geht zunächst um 14 Fahrzeuge. Auch die USA wollen offenbar ihren Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

Dem Bericht zufolge soll diese Version an die Ukraine geliefert werden. dpa

Kampfpanzer Leopard 2A6

Dem Bericht zufolge soll diese Version an die Ukraine geliefert werden.

Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an die Ukraine liefern. Die Entscheidung ist nach Informationen des Handelsblatts am Dienstag gefallen. Wie der „Spiegel“ zuerst berichtete, soll zunächst mindestens eine Kompanie mit der Version Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr ausgestattet werden. Demnach geht es um 14 Fahrzeuge.

Die Ukraine bittet seit Monaten um Kampfpanzer westlicher Bauart für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Die Frontlinie in der Ostukraine hat sich seit Wochen kaum noch bewegt. Mit den Kampfpanzern hofft die Ukraine, wieder in die Offensive zu kommen und weiteres Gelände zurückzuerobern. Gleichzeitig wird für das Frühjahr eine Offensive Russlands befürchtet.

Warschau hatte zuvor am Dienstag mit einem offiziellen Exportantrag die Bundesregierung um eine Genehmigung für die Lieferung der in Deutschland hergestellten Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine gebeten. Die Regierung in Warschau hatte deutlich gemacht, notfalls auch ohne deutsche Genehmigung liefern zu wollen und mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an Leopard-Panzern zu beginnen.

USA könnte Insidern zufolge Abrams-Panzer liefern

Das Weiße Haus reagierte in einer ersten Stellungnahme zurückhaltend. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt nichts zu verkünden“, erklärte Sprecherin Karine Jean-Pierre am Dienstag. „Wir stehen in ständiger Kommunikation mit der Ukraine über ihre Bedürfnisse auf dem Schlachtfeld“. Sie dementierte aber nicht die Berichte, dass die USA nun doch Abrams Panzer bereit stellen würden und ließ die Tür für eine offizielle Verkündung offen. „Wir haben Panzerlieferungen nie ausgeschlossen“, betonte sie.

US-Medien berichteten übereinstimmend, dass die US-Regierung den Beschluss am Mittwoch bekannt geben werde. Laut der „New York Times“ sind etwa 30 Panzer vom Typ M1-Abrams geplant, die die Ukraine künftig auf dem Schlachtfeld unterstützen sollen.

In der vergangenen Woche hatten Medien berichtet, dass Deutschland nur Leopard-Panzer an die Ukraine liefern wolle, wenn die USA ihrerseits Abrams-Kampfpanzer schickten. Die Bundesregierung bestritt, dass es ein solches Junktim gegeben habe. Wenn nun die Amerikaner aber doch zur Lieferung von Abrams-Panzern bereit sind, scheint es am Ende eine Verständigung gegeben zu haben.

Die USA sind AP zufolge bereit, das Modell der Ukraine zur Verfügung zu stellen. AP

US-Kapmfpanzer vom Typ M1 Abrams

Die USA sind AP zufolge bereit, das Modell der Ukraine zur Verfügung zu stellen.

Die geplanten Lieferungen wären eine abrupte Abkehr vom bisherigen Kurs der Biden-Regierung. In den vergangenen Tagen hatten der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus und das US-Verteidigungsministerium viele Gründe gegen amerikanische Panzerlieferungen vorgebracht.

Noch am Freitag hieß es aus dem Verteidigungsministerium: „Der Aufwand für die Wartung und die hohen Kosten eines Abrams sind immens. Es ergibt im Moment einfach keinen Sinn“. Regierungsbeamte hatten stets erklärt, es könne Monate oder gar Jahre dauern, bis Abrams-Panzer in der Ukraine voll einsatzfähig wären. Die amerikanischen Panzer verbrauchen wegen ihrer Gasturbinen viel Kerosin, der Betrieb bedarf aufwendiger Schulungen.

Offenbar, so berichtet das „Wall Street Journal“, zeigte sich US-Präsident Joe Biden offener für Panzerlieferungen als sein Verteidigungsminister Lloyd Austin, der bis zuletzt davon abriet. Nach Tagen der intensiven Verhandlungen zwischen Berlin und Washington, so die Zeitung, sei die Entscheidung schließlich zu Gunsten der Panzer gefallen.

Führende US-Republikaner hatten Biden zuletzt aufgefordert, die Panzer zu liefern, um Deutschlands Leopard-Entsendung zu beschleunigen. Allerdings ist unklar, wie lange die USA noch im jetzigen Umfang schweres militärisches Gerät ins Kriegsgebiet schicken. Teile der Republikaner, die seit Januar das Repräsentantenhaus im US-Kongress dominieren und damit den Haushalt blockieren können, wollen die Ukraine-Hilfen reduzieren.

Deutschland hat beim Leopard-Kampfpanzer eine Sonderrolle

Deutschland nimmt als Produktionsland in der Frage um die Leopard-Lieferung eine Schlüsselrolle ein. Werden Rüstungsgüter an andere Staaten verkauft, werden in die Verträge immer sogenannte Endverbleibsklauseln eingebaut. Darin ist geregelt, dass bei einer Weitergabe an dritte Länder die Bundesregierung zustimmen muss.

Olaf Scholz stand in der Frage der Leopard-Lieferungen seit Wochen in der Kritik – vorgeworfen wird ihm ein zu zögerliches Vorgehen. Auch in der eigenen Koalition gab es Unmut. Die Regierung begründete ihr Vorgehen unter anderem mit dem Risiko einer Eskalation und der nötigen internationalen Abstimmung.

FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber nannte die Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine am Dienstagabend richtig. „Nach elf Monaten kann die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen endlich starten“, teilte er mit. „Die konsequente und schnelle Umsetzung ist nun entscheidend und zugleich die wichtigste Herausforderung für den neuen Verteidigungsminister. Die Ukraine braucht die Panzer dringend, um die Invasionstruppen von der Heimreise zu überzeugen.“

Alle Details etwa zu Ersatzteilpaketen oder der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard sollen nach Angaben Fabers am Mittwoch Thema im Verteidigungsausschuss des Bundestags sein.

CDU-Chef Merz begrüßt Entscheidung

Unionsfraktionschef Friedrich Merz begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, warf Kanzler Scholz aber zugleich Zögerlichkeit vor. „Die Entscheidung ist richtig“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Letztlich entscheidet allein der Kanzler, ob Deutschland Kampfpanzer liefert. dpa

Außenministerin Baerbock, Kanzler Scholz, Verteidigungsminister Pistorius (v.l.)

Letztlich entscheidet allein der Kanzler, ob Deutschland Kampfpanzer liefert.

Zugleich kritisierte Merz, wenn der Bundeskanzler etwa am Sonntag beim deutsch-französischen Ministerrat zum 60. Jubiläum des Élysée-Vertrags in Paris „eine solche Entscheidung zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten (Emmanuel Macron) bekannt gegeben hätte, dann wäre dies gemeinsame politische Führung gewesen. So bleibt das Bild eines Getriebenen, der zu lange gezögert hat.“

Leopard-2-Kampfpanzer könnte Ukraine bei Gegenoffensiven helfen

Der Leopard bedeutet insofern eine neue Qualität, als er der Ukraine im Zusammenspiel mit ebenfalls zur Lieferung anstehenden Schützenpanzern und Artillerie auch Gegenoffensiven oder die Rückeroberung von Russland besetzter Gebiete erlauben könnte.

Wir haben 29 Leopard 2 fast fertig. Die könnten wir im März oder April an die Ukraine abgeben. Rheinmetall-Chef Armin Papperger

Wie FDP-Verteidigungsexperte Faber sagte, sollte man die geplante Lieferung von zunächst 14 Exemplaren nur als Anfang betrachten. Am Rande der Handelsblatt-Konferenz „Sicherheit und Verteidigung“ hatte Rheinmetall-Chef Armin Papperger am Dienstag die Unterstützung der Industrie angeboten: „Wir haben 29 Leopard 2 fast fertig. Die könnten wir im März oder April an die Ukraine abgeben“, sagte er. Auch da gelte: „Die Entscheidung liegt beim Bundeskanzler.“ Die ist jetzt offenbar gefallen.

Der Schmerz der Abgabe ist hoch, der chronische Schmerz kommt dann auf der Zeitachse. Alfons Mais, Heeres-Inspekteur der Bundeswehr

Denkbar ist nun, dass die Bundeswehr zunächst Leopard 2 aus dem eigenen Bestand abgibt, der dann von der Industrie wieder aufgefüllt wird. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte sein Ressort in der vergangenen Woche mit einer Bestandsaufnahme beauftragt. Ziel ist, der Ukraine möglichst Leopard-Versionen zu liefern, die mit denen aus anderen Ländern kompatibel sind.

Neben Polen hatte auch Finnland Bereitschaft bekundet, Leoparden zu liefern. Auch Schweden und Spanien könnten sich an einer Koalition der Willigen beteiligen. Großbritannien hat der Ukraine 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zugesagt.

Die kleineren Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag kritisierten am Dienstagabend die Entscheidung zur Leopard-Lieferung. „Die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, womit ein weiteres Tabu fällt, führt uns potenziell näher an den Dritten Weltkrieg als Richtung Frieden in Europa“, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch der Nachrichtenagentur dpa.

Die Bundeswehr, die über rund 320 Leopard-Panzer in fünf verschiedenen Versionen verfügt, würde eine Abgabe von Fahrzeugen durchaus schmerzen und auch die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte insgesamt betreffen. Liefere man Leoparden an die Ukraine, müsste man dem Land auch Ersatzteile und Munition zur Verfügung stellen, die dann wiederum für den Betrieb der bei der Truppe verbliebenen Fahrzeuge fehlen würden, sagte Heeresinspekteur Alfons Mais bei der Handelsblatt-Tagung. „Der Schmerz der Abgabe ist hoch, der chronische Schmerz kommt dann auf der Zeitachse.“

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