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06.07.2022

04:00

Ukraine-Krieg

Die Jagd nach dem Vermögen von Putins Getreuen

Von: Claudia von Salzen
Quelle:Tagesspiegel

Behörden müssen Konten, Immobilien und Jachten von Unterstützern Wladimir Putins aufspüren. In Bayern ging den Ermittlern ein russischer Politiker ins Netz. Eine Spurensuche.

Russlands Präsident Wladimir Putin AP

Wladimir Putin

Oligarchen, die dem russischen Staatspräsidenten nahestanden, wurden auf die EU-Sanktionsliste gesetzt.

Berlin Die Sache mit den Sanktionen schien dem russischen Abgeordneten anfangs keine Sorgen zu bereiten. Es gebe viele Länder, in die er noch reisen könne, sagte Roman L., nachdem ihn die Europäische Union auf ihre Sanktionsliste gesetzt hatte. Und er fügte hinzu: „Ich habe keine Auslandskonten.“

Tatsächlich läuft das Konto in Deutschland, das nun für den russischen Politiker zum Problem wird, auf den Namen seiner Frau. Dennoch ist Roman L. ins Visier deutscher Staatsanwälte geraten. Die Geschichte des russischen Abgeordneten zeigt, wie in Deutschland die Suche nach dem Vermögen der Getreuen von Russlands Präsident Wladimir Putin läuft.

Roman L. sitzt seit zwei Jahren für die Kommunisten in der russischen Staatsduma, doch lange vor seinem Einzug ins Parlament scheint er die Freuden des Kapitalismus für sich entdeckt zu haben. Er war mehrere Jahre in der Baubranche tätig und gründete zahlreiche Unternehmen, als deren Leiter er firmierte. Alle Duma-Abgeordneten sind verpflichtet, ihr Einkommen und ihr Vermögen offenzulegen, doch nicht alle antworten offenbar wahrheitsgemäß.

Roman L. gab in seiner Erklärung an, im Jahr 2021 rund 128 Millionen Rubel (damals etwa 1,5 Millionen Euro) verdient zu haben. Außerdem gehören ihm gemeinsam mit seiner Frau mehr als 30 Immobilien in Russland, vor allem Wohnungen und Grundstücke.

Zudem ist der Kommunist Eigentümer einer Immobilie in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von Vermögen in Deutschland ist in seiner Erklärung dagegen nicht die Rede – fälschlicherweise, wie sich später herausstellen sollte.

Am 22. Februar nimmt Roman L. an einer Abstimmung in der Duma teil, die für ihn ungeahnte Folgen haben würde. Das russische Parlament votiert geschlossen dafür, die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten anzuerkennen. Damit folgt die Duma dem Willen Putins.

Einen Tag später verhängt die Europäische Union Sanktionen gegen alle Abgeordneten, die auf diese Weise geholfen hätten, „die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben und die Ukraine weiter zu destabilisieren“.

Eine internationale Task Force sucht nach russischem Vermögen

Personenbezogene Sanktionen wegen Russlands Intervention in der Ukraine sind für die EU nichts Neues, schon nach der Annexion der Krim 2014 wurden die ersten Namen auf die Liste gesetzt. Heute umfasst diese Aufstellung mehr als 1000 Namen, darunter Politiker, Militärs und Oligarchen.

Für Betroffenen haben die Strafmaßnahmen in zweierlei Hinsicht Auswirkungen: Sie dürfen nicht mehr in Staaten der EU einreisen, und ihre Konten und anderen Vermögenswerte innerhalb der EU werden eingefroren, also praktisch gesperrt.

Die Behörden in den Mitgliedstaaten der EU müssen allerdings die Konten, Immobilien und Jachten der Russen, die das Regime in Moskau stützen, erst einmal finden. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde eine internationale Task Force eingerichtet, um die Suche nach dem Vermögen der sanktionierten Russen zu koordinieren. In dieser Arbeitsgruppe sind die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und die EU vertreten, aber auch Australien, Kanada und Japan machen mit.

Auf europäischer Ebene gibt es noch einmal eine eigene Arbeitsgruppe, in der sich die Mitgliedstaaten bei der Suche nach den Besitztümern von Putins Getreuen absprechen. In Deutschland sind ebenfalls zahlreiche Behörden mit der Umsetzung der Russland-Sanktionen befasst, die ihre Arbeit in einer Task Force unter Federführung von Bundesfinanz- und Wirtschaftsministerium koordinieren.

Doch bei aller Koordinierung bleibt die eigentliche Suche nach den sanktionierten Personen und ihrem möglichen Eigentum in Deutschland ein mühsames Geschäft. In Bayern glichen die Finanzbehörden beispielsweise die Steuerdaten mit den Namen auf der EU-Liste ab. Dabei erzielten sie einen Treffer – die Behörden wurden so auf den Abgeordneten Roman L. und seine Aktivitäten in München aufmerksam.

Dem kommunistischen Politiker und seiner Frau gehören drei Wohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt. Der Fall Roman L. landete auf dem Tisch der Staatsanwaltschaft München I, die zusammen mit dem Bundeskriminalamt die Ermittlungen aufnahm.

Für die drei Wohnungen in München kassieren Roman L. und Elena K. Miete, nach Angaben der Staatsanwaltschaft insgesamt etwa 3500 Euro im Monat. Die Einnahmen gehen auf das Konto der Ehefrau, die in München gemeldet ist.

Erstmals wurden Vermögenswerte beschlagnahm

Dass es sich tatsächlich um den Abgeordneten handelt und keine Verwechslung vorliegt, darauf deutet eine frühere Erklärung hin, die der Tagesspiegel einsehen konnte. Als Roman L. im Jahr 2014 für das Moskauer Stadtparlament kandidierte, gab er in einem Fragebogen an, eine 49 Quadratmeter große Wohnung und einen Parkplatz in München zu besitzen.

Weil der Abgeordnete auch nach seiner Aufnahme in die Sanktionsliste weiterhin Einnahmen aus seinen Immobilien erzielte, sieht die Staatsanwaltschaft München I den Verdacht eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Denn wer auf der Sanktionsliste steht und weiter von seinem Vermögen innerhalb der EU profitiert, macht sich strafbar. Die Staatsanwälte trafen also eine folgenreiche Entscheidung: Die drei Wohnungen und das Bankkonto wurden im Juni beschlagnahmt.

München imago images/Ulrich Wagner

Skyline der Stadt München

Unter den Immobilien des Oligarchen war auch eine Wohnung in der bayrischen Landeshauptstadt.

Es handele sich „bundesweit um den ersten Fall, bei dem nicht nur Vermögenswerte aufgrund der Sanktionen ,eingefroren“, sondern tatsächlich Immobilien beschlagnahmt wurden“, teilte die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding mit. Die Juristen waren zu dem Schluss gekommen, dass dieser Schritt „trotz des bisherigen Fehlens vergleichbarer Vorgänge und Rechtsprechung nach deutschem Recht möglich“ sei. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Russland-Sanktionen braucht man also Behörden, die akribisch suchen, und Juristen, die bereit sind, gegebenenfalls Neuland zu betreten.

Für die Mieter in den drei Wohnungen des russischen Paars ändert sich erst einmal nichts. Sie dürfen dort weiterhin wohnen. Die Miete fließt jetzt nicht mehr an die Frau des Abgeordneten, sondern wird beim Amtsgericht München hinterlegt. Gegen Roman L. und Elena K. laufen strafrechtliche Ermittlungen.

Luxusjacht „Dilbar“ gehört offiziell der Schwester eines Oligarchen

Nach derselben Methode wie die Finanzbehörden in Bayern gehen auch andere Bundesländer vor. Die Berliner Steuerverwaltung habe die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Sanktionsverordnungen ergriffen, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage. Vorhandene Steuerdaten würden kontinuierlich mit den Sanktionslisten abgeglichen. Vergleichbare Fälle wie in Bayern gebe es aber bisher nicht.

Insgesamt sind in Deutschland im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen Vermögen im Wert von 4,39 Milliarden Euro eingefroren oder mit einem Transaktionsverbot belegt worden, wie das Bundesfinanzministerium auf Anfrage mitteilte. Davon entfielen 2,26 Milliarden Euro auf eingefrorene Gelder, die von den Kreditinstituten an die Bundesbank gemeldet wurden.

Angaben zur Zahl der sanktionierten Personen machte das Ministerium nicht, aber bei diesem Geld dürfte es sich zum großen Teil um Guthaben der russischen Zentralbank handeln. „Nächstgrößter Einzelposten in der genannten Gesamtsumme sind bewegliche Vermögensgegenstände (geschätzt etwa 940 Millionen Euro) und Unternehmensbeteiligungen (über 1 Mrd. Euro, Kursschwankungen unterliegend)“, so das Bundesfinanzministerium.

Immobilien werden dagegen nicht eigens aufgeführt, machen also nur einen kleinen Teil der eingefrorenen Vermögenswerte aus. Die internationale Task Force teilte Ende Juni mit, bisher seien Guthaben der russischen Zentralbank im Wert von 300 Milliarden Dollar sowie weitere Konten und Vermögenswerte in Höhe von 30 Milliarden Dollar eingefroren worden.

Luxusjacht Dilbar imago images/TheYachtPhoto.com

Die Luxusjacht Dilbar

Das 160-Meter-Schiff war hinter einem komplizierten Offshore-Firmengeflecht versteckt.

Zum Symbol für die Jagd nach dem Vermögen von Putins Getreuen ist die Jacht „Dilbar“ im Hamburger Hafen geworden, die dem russischen Oligarchen Alischer Usmanow gehört. Usmanows Name wurde vier Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine auf die Sanktionsliste der EU gesetzt, weil er „besonders enge Verbindungen“ zu Putin habe und einer seiner Lieblingsoligarchen sei.

In der Begründung für die Sanktionen gegen ihn heißt es weiter, er habe in der Vergangenheit „als Strohmann für Präsident Putin gedient und seine geschäftlichen Probleme gelöst“. Usmanow bestreitet ein enges Verhältnis zu Putin.

Als die ersten Raketen auf Kiew fielen, lag Usmanows 156 Meter lange Luxusjacht gerade bei der Hamburger Werft Blohm & Voss im Trockendock. Doch die Durchsetzung der Sanktionen gestaltete sich schwieriger als gedacht. Denn wem die „Dilbar“ gehörte, war hinter einem komplizierten Offshore-Firmengeflecht versteckt.

Am Ende tauchte nicht Usmanows Name auf, sondern der seiner Schwester. Die Bundesregierung setzte sich deshalb in Brüssel dafür ein, auch die Schwester des Oligarchen mit Sanktionen zu belegen.

Erst als das im April geschehen war, konnten die deutschen Behörden handeln und die „Dilbar“ offiziell festsetzen. Der Oligarch und seine Schwester klagen nun gegen die Sanktionen. Die Luxusjacht darf den Hamburger Hafen nicht mehr verlassen.

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