Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

25.01.2023

04:00

Ukraine-Krieg

Die USA bewegen sich im Panzer-Streit

Von: Annett Meiritz

Die geplanten Panzerlieferungen der USA lösen die deutsche Blockade. Doch bis amerikanische Panzer in der Ukraine einsatzfähig sind, ist es ein weiter Weg.

Die Lieferung dieser Panzer könnte Monate dauern. AP

Abrams-Panzer

Die Lieferung dieser Panzer könnte Monate dauern.

Washington Die US-Regierung hat ungewöhnlich zurückhaltend auf Berichte reagiert, dass amerikanische Kampfpanzer an die Ukraine geliefert werden sollen. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt nichts zu verkünden“, erklärte Sprecherin Karine Jean-Pierre in der Nacht zum Mittwoch.

Auch das Verteidigungsministerium wollte sich zunächst nicht hervorwagen. Der Abrams-Panzer sei ein „komplexes Waffensystem, das schwierig zu warten ist“, teilte das Pentagon mit. „Das galt gestern, das gilt heute und wird in Zukunft gelten.“

Stunden zuvor hatte das „Wall Street Journal“ berichtet, US-Präsident Joe Biden habe sich entschlossen, die Ukraine im russischen Angriffskrieg gegen das Land mit Panzern des Typs M1-Abrams zu unterstützen. Das hatte die US-Regierung bislang abgelehnt. Laut der „New York Times“ werde die US-Regierung den Beschluss zu Panzerlieferungen am Mittwoch bekannt geben. Geplant sei die Lieferung von etwa 30 M1-Abrams.

Die abwartende Haltung der US-Regierung deutete auf Abstimmungsbedarf innerhalb der Biden-Regierung hin – und auf eine Koordination mit der deutschen Bundesregierung. Offenbar legte man Wert auf ein gemeinsames Vorgehen zwischen Washington und Berlin. Am Mittwoch wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.

In Deutschland ist die Entscheidung zugunsten Lieferungen von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 nach Informationen des Handelsblatts am Dienstag gefallen. Wie der „Spiegel“ zuerst berichtete, soll zunächst mindestens eine Kompanie mit der Version Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr ausgestattet werden. Demnach geht es um 14 Fahrzeuge.

Diplomatische Blockade gegen Panzerlieferungen

In Deutschland hatte es zuvor eine diplomatische Blockade gegeben: Die Bundesregierung hatte nahegelegt, man würde deutsche Panzer nur im Schulterschluss mit den USA liefern wollen. Das hatte diplomatische Verstimmungen ausgelöst.

In Deutschland ist die Entscheidung zugunsten Lieferungen von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 nach Informationen des Handelsblatts am Dienstag gefallen. dpa

Kampfpanzer Leopard 2 A7V

In Deutschland ist die Entscheidung zugunsten Lieferungen von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 nach Informationen des Handelsblatts am Dienstag gefallen.

Zuletzt hatte aber auch die US-Regierung konstant Gründe gegen amerikanische Panzerlieferungen vorgebracht. Noch am Freitag hieß es aus dem Verteidigungsministerium: „Der Aufwand für die Wartung und die hohen Kosten eines Abrams sind immens. Es ergibt im Moment einfach keinen Sinn.“

Die geplanten Lieferungen der Amerikaner wären daher eine Kehrtwende. „Der einzige Grund, warum die USA M1-Panzer in die Ukraine schicken, ist, Deutschland die politische Deckung zu geben, die es benötigt“, sagte der Verteidigungsexperte Mark Cancian der Nachrichtenagentur Reuters.

Die M1-Abrams stünden den Ukrainern dabei nicht sofort zur Verfügung. US-Regierungsbeamte hatten in den vergangenen Tagen betont, es könne „Monate oder gar Jahre“ dauern, bis Abrams-Panzer in der Ukraine voll einsatzfähig wären. Die amerikanischen Panzer verbrauchen wegen ihrer Gasturbinen viel Kerosin, der Betrieb bedarf aufwendiger Trainings.

Finanzierung bisher unklar

Zu klären wäre auch die Frage der Finanzierung. Da die USA gerade bereits ein 2,5 Milliarden Dollar schweres Waffenpaket für die Ukraine geschnürt haben, würden die Panzer nicht aus Haushaltsmitteln bezahlt, schrieb die Nachrichtenagentur AP.

Seit Ausbruch des Krieges haben die USA über 27 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen für die Ukraine genehmigt. Getty Images

Charkiw

Seit Ausbruch des Krieges haben die USA über 27 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen für die Ukraine genehmigt.

Stattdessen käme ein Fonds namens Ukraine Security Assistance Initiative (USAI) ins Spiel. Er ermöglicht es der US-Regierung, Waffen aus der Privatindustrie zu beziehen anstatt aus bestehenden US-Waffenbeständen. Dadurch könnte man zum Beispiel Abrams-Panzer von verbündeten Ländern wie Polen zurückkaufen, sie generalüberholen und dann in die Ukraine schicken.

Die Option des Ukraine-Fonds legt zudem eine Zwischenlösung nahe. Die USA kämen damit nicht in die Verlegenheit, sofort Panzer aus eigenen Beständen an die ukrainische Armee übergeben zu müssen – es ist quasi eine Zusage ohne akute Folgen.

Laut dem „Wall Street Journal“ zeigte sich US-Präsident Biden offener für Panzerlieferungen als sein Verteidigungsminister Lloyd Austin, der bis zuletzt davon abgeraten haben soll. Nach Tagen der intensiven Verhandlungen zwischen Berlin und Washington, so die Zeitung, sei die Entscheidung schließlich zugunsten der Panzer gefallen.

Vorangegangen war eine Woche des Ringens um eine neue Strategie des Westens für den Ukrainekrieg. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos und beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein am Freitag hatten die Nato-Partner darüber verhandelt, wie man die Ukraine bestmöglich auf eine drohende Winteroffensive Moskaus vorbereiten könne. Doch die Woche endete in Differenzen und Enttäuschung, es war eine erste größere Disharmonie des Westens im Ukrainekrieg.

Die USA als Führungsmacht

Die USA hätten sich „viel Kopfschmerzen und öffentliche Zwietracht ersparen können“, wenn die Biden-Regierung früher umgeschwenkt wäre, sagte der Sicherheitsexperte Peter Rough dem Handelsblatt. Rough leitet das Center on Europa an der Washingtoner Denkfabrik Hudson Institute. Doch die Entscheidung habe „Deutschlands Leoparden freigesetzt und den Ukrainern eine Chance für eine kämpferische Gegenoffensive gegeben. Es ist ein gutes Ergebnis nach einem schlechten Prozess“, sagte Rough.

Der frühere Berater von Ex-Präsident George W. Bush sieht in dem Hin und Her in der Panzerfrage eine „umfassende Lektion“. Anstatt „auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners zu agieren“, sollten die USA „vorangehen und einen Windschatten bilden, in dem sich Verbündete bewegen können“, betonte er.

Führende US-Republikaner hatten Biden aufgefordert, die Panzer zu liefern, um Deutschlands Leopard-Entsendung zu beschleunigen. Allerdings ist unklar, wie lange die USA noch im jetzigen Umfang schweres militärisches Gerät ins Kriegsgebiet schicken. Teile der Republikaner, die seit Januar das Repräsentantenhaus im US-Kongress dominieren und damit den Haushalt blockieren können, wollen die Ukraine-Hilfen reduzieren.

Bislang unterstützt eine Mehrheit der US-Bürger die Gelder für die Ukraine. Doch laut dem Forschungsunternehmen Ipsos sinkt der Rückhalt in der Öffentlichkeit langsam, aber stetig. Seit Ausbruch des Krieges haben die USA über 27 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen für die Ukraine genehmigt, darunter für Kampffahrzeuge, Militär-Trucks, minenresistente Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem Patriot.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×