Mit einem Importstopp für Gold will die EU Russland weiter schwächen. Doch tatsächlich sieht das Embargo Ausnahmen vor. Einzelne Goldhändler folgen bereits freiwillig strikteren Regeln.
Goldbarren
Das Verarbeiten zu Schmuck oder Umschmelzen zu Investmentbarren für Retailkunden verstößt nicht gegen die neuen EU-Sanktionen.
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Zürich, Brüssel Die 27 EU-Mitgliedstaaten wollen am Mittwoch einen Importstopp für russisches Gold beschließen. Damit setzen sie einen Beschluss des jüngsten G7-Gipfels um. Die anderen Partner USA, Großbritannien, Kanada und Japan haben bereits ein Goldembargo verhängt.
Wie andere Sanktionen, etwa im Bereich Energie, hat das Embargo jedoch Lücken. Laut der Beschlussvorlage der EU-Kommission soll der „direkte oder indirekte Import, Kauf oder Transfer“ von Gold aus Russland verboten werden. In einem Anhang wird spezifiziert, welche Formen von Gold betroffen sind und welche nicht.
So fallen unbearbeitetes Gold und Goldmünzen unter das Verbot, nicht aber Goldschmuck. Auch erstreckt sich das Importverbot nur auf neu geschürftes und raffiniertes Gold. Russisches Gold, das bereits im Handel ist, darf hingegen weiter gehandelt werden.
Mit diesen Einschränkungen bleibt die EU hinter der freiwilligen Branchenverpflichtung der London Bullion Markets Association (LBMA) zurück. Die LBMA hat russisches Gold, das nach dem Stichtag 7. März hergestellt wurde, de facto aus dem internationalen Gold-Großhandel ausgeschlossen.
Die russischen Goldraffinerien wurden von der sogenannten Good Deliveries List entfernt, um zu verhindern, dass die Barren in die Goldtresore in London gelangen.
Russland ist mit 330 Tonnen pro Jahr der zweitgrößte Goldproduzent nach China. Das entspricht zehn Prozent der weltweiten Minenproduktion. Das Edelmetall ist nach Energierohstoffen das wichtigste Exportgut des Landes und damit ein bedeutender Devisenlieferant. Vergangenes Jahr beliefen sich die russischen Goldexporte auf 17,4 Milliarden US-Dollar. Das meiste Gold wurde vor Kriegsausbruch nach London verschifft.
Inzwischen gehen Branchenexperten davon aus, dass die Goldlieferungen umgeleitet wurden, etwa nach China oder Indien, Länder, die Russland nicht sanktionieren. Die Auswirkungen auf den Goldpreis und die Verfügbarkeit des Edelmetalls sind daher gering.
Trotzdem hilft die Entscheidung der EU-Kommission dabei, Rechtsunsicherheit im Goldhandel zu beseitigen. Denn die Schweiz dürfte die Sanktionen – wie die vorherigen Pakete auch – eins zu eins übernehmen. Das Land ist das globale Zentrum der Weiterverarbeitung von Gold. Zwischen 40 und 70 Prozent des weltweit geförderten Goldes wird Branchenschätzungen zufolge in der Schweiz zu Goldbarren oder Halbzeugen für die Uhren- und Schmuckindustrie verarbeitet.
Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die Schweiz im Juni rund 278 Kilogramm russisches Gold importiert, das zuvor in Tresoren in London gelagert hatte. Im Mai waren es noch drei Tonnen gewesen. Wer hinter den Transaktionen steckt, ist unbekannt.
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Der Umgang mit russischem Gold hat in der Schweizer Goldbranche eine Debatte ausgelöst. Die Schweizer Vereinigung der Edelmetallfabrikanten (ASFCMP) hatte betont, „dass risikobehaftetes Gold keinen Platz in der Schweiz hat und dass sie von ihren Mitgliedern erwartet, mit äußerster Vorsicht zu handeln und im Zweifelsfall davon abzusehen“.
Der Branchenverband, dessen Mitglieder 90 Prozent des in die Schweiz importierten Goldes verarbeiten, erklärte weiter: „Jedes Risiko, sich durch den Kauf von russischem Gold an den Kriegsanstrengungen zu beteiligen, kann von der ASFCMP und ihren Mitgliedern nicht akzeptiert werden.“
Das Swiss Precious Metals Institute (SPMI), ein neu gegründeter Branchenverband, hatte in einer Erklärung darauf hingewiesen, dass die Schweizer Gesetze die Einfuhr und Verarbeitung von russischem Gold, das nach dem 7. März produziert wurde, nicht verbietet. Das SPMI forderte die Schweizer Regierung daher dazu auf, diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen.
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Mit der Übernahme der EU-Sanktionen dürfte sich diese Diskussion erledigt haben – zumal die von der Schweizer Vereinigung der Edelmetallfabrikanten vertretenen Unternehmen wie Argor-Heraeus, Valcambi oder Metalor nach eigenen Angaben ohnehin auf die Annahme von russischem Gold, das nach Kriegsausbruch produziert wurde, verzichten.
Allerdings löst auch das Gold-Embargo nicht das Problem, wie mit relativ neu produziertem Gold aus Russland umzugehen ist. Denn dass Russlands Präsident Wladimir Putin dem Westen mit seinen Kriegsplänen voraus war, zeigt sich auch am Goldmarkt: Brancheninsider berichten übereinstimmend, dass in den Monaten vor Kriegsausbruch große Mengen russisches Gold am Handelsplatz London verkauft wurden.
Raffinerien, die in dieser Zeit Gold zur physischen Auslieferung in London orderten, um daraus Schmuck oder Barren herzustellen, wunderten sich, dass sie aus der britischen Hauptstadt große Mengen russisches Material erhielten. Im Nachhinein erklären sich das Führungskräfte aus der Goldbranche so, dass Russland in Antizipation der Sanktionen vor dem Angriff auf die Ukraine viel Gold verkauft hat.
Doch wie soll die Branche mit diesen Barren umgehen? Das Verarbeiten zu Schmuck oder Umschmelzen zu Investmentbarren für Retailkunden verstößt nicht gegen Sanktionen. Gleichzeitig besteht wenig Zweifel daran, dass ein Teil dieses Goldes zur Finanzierung des Angriffskriegs gegen die Ukraine herangezogen wurde. Um eine Kriegsfinanzierung auszuschließen, nimmt das Unternehmen Argor-Heraeus beispielsweise grundsätzlich kein Gold mehr von Firmen oder Privatpersonen mit Verbindungen nach Russland an - auch kein nach Kriegsausbruch aus Russland exportiertes Gold.
Es gibt immer noch einige Länder, die den Export von russischem Gold nicht sanktionieren. Gold in diesen Ländern könnte zu Schmuck verarbeitet werden und so potenziell in der westlichen Wertschöpfungskette landen.
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