Großbritannien verhängt so scharfe Sanktionen wie nie zuvor, die Schweiz hält sich zurück und die USA zielen auf den Finanzsektor. Auch die EU hat ihr Paket nun geschnürt. Ein Überblick.
Boris Johnson im britischen Unterhaus
Großbritanniens Sanktionen sollen unter anderem russische Banken treffen.
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New York, London, Düsseldorf Die westliche Welt will den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht ohne Folgen lassen: Am Donnerstag beschlossen Großbritannien, die Schweiz, die USA und Kanada zahlreiche wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Russland, am frühen Freitagmorgen stellte die EU ihr Maßnahmenpaket vor.
Zuvor hatte Russland unter dem Vorwand, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen, das Nachbarland angegriffen. Inzwischen bedrängen russische Truppen das ukrainische Militär vom Norden, Osten und Süden aus. Teile des Landes sind bereits unter russischer Kontrolle, wie die Ukraine etwa für Teile des Südens im Land selbst bestätigt hat.
Zahlreiche Menschen fliehen vor den Kämpfen im ganzen Land gen Westen. Andere verteidigen das Land gegen den Angriff der russischen Armee.
Schon vor dem Einmarsch hatten westliche Staaten den Kreml vor schwerwiegenden Folgen gewarnt. Diese Drohungen setzen die Länder nun um – in unterschiedlicher Härte und mit einer Vielzahl an Zielen.
US-Präsident Joe Biden kündigte am Donnerstagabend mehrere Sanktionen gegen Russland an. So würden vier Großbanken von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten, die insgesamt mehr als eine Billion Dollar an Vermögenswerten auf sich vereinen. Darunter befindet sich auch die zweitgrößte, die VTB Bank. „Die Sanktionen würden genauso verheerend sein wie Panzern und Munition in der Ukraine“, gab sich Biden überzeugt.
Der US-Präsident sah allerdings davon ab, russische Finanzinstitute vom Zahlungsverkehrssystem Swift auszuschließen. Die verhängten Sanktionen seinen „schlimmer“ als ein Swift-Ausschluss. Biden verzichtete am Donnerstag auch darauf, Sanktionen gegen Russlands Energiebranche zu verhängen.
Joe Biden
Der US-Präsident sieht auch in Sanktionen gegen Putin persönlich „eine Möglichkeit.“
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Biden warb für Geduld: „Es braucht Zeit, bis die Sanktionen ihre Wirkung zeigen“, gab er zu bedenken. Die USA seien nicht davon ausgegangen, dass die Sanktionen Putin stoppen würden. „Sie werden aber sein Land deutlich schwächen, so dass er sehr schwere Entscheidungen treffen werden muss“, so Biden. Auch Sanktionen gegen Putin persönlich „seien eine Möglichkeit.“ Warum Putin nicht schon am Donnerstag sanktioniert wird, ließ er indes offen.
Das Nachbarland Kanada setzt alle Exportgenehmigungen nach Russland aus, wie der kanadische Premierminister Justin Trudeau am Donnerstag verkündete. Es würden keine neuen Genehmigungen erteilt, bestehende seien aufgehoben, sagte Trudeau weiter. Außerdem würden bestehende Sanktionen verschärft und unter anderem auf die Verteidigungs-, Finanz- und Justizminister Russlands ausgeweitet.
Trudeau bezeichnete das russische Vorgehen als größte Bedrohung der Stabilität in Europa seit dem zweiten Weltkrieg. „Russlands Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf Demokratie, das Völkerrecht, auf Menschenrechte und auf die Freiheit“, sagte Trudeau. Kanada werde außerdem Einwanderungsanträge von Menschen aus der Ukraine mit hoher Priorität bearbeiten, sagte er weiter.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben bei einem Krisengipfel nach dem Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland zugestimmt.
Die Strafmaßnahmen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visavergabe geben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschwor in der Nacht zu Freitag nach den rund sechsstündigen Beratungen, zu denen auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski zugeschaltet wurde, die Einheit der EU. „Unsere Einigkeit ist unsere Stärke“, sagte sie. Der russische Präsident Wladimir Putin versuche die Landkarte Europas neu zu zeichnen. „Er muss und er wird scheitern.“
So einig, wie von der Leyen es beschrieb, waren sich die Staats- und Regierungschefs aber nicht. Mehrere von ihnen forderten schon vor Beginn des Sondergipfels noch weitreichendere Maßnahmen. Dabei steht unter anderem das Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift im Zentrum. Ein Swift-Ausschluss hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute quasi vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden.
Eine Sanktion, die Deutschland nicht mittragen wollte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz habe dazu „klar Stellung bezogen“, sagte der österreichische Kanzler Karl Nehammer am Rande des Gipfels in Brüssel. Scholz selbst sagte, nach Swift gefragt, man müsse sich weitere Sanktionen vorbehalten „für eine Situation, wo es notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun“.
Premierminister Boris Johnson kündigte am Donnerstag die „schärfsten Wirtschaftssanktionen der Geschichte“ gegen Russland an. Putin habe sich „verkalkuliert“, sagte Johnson im britischen Unterhaus. Großbritannien werde zusammen mit seinen Partnern sämtliche Vermögenswerte der russischen Großbank VTB einfrieren. Auch werde der Zugang aller russischen Banken zum britischen Finanzsystem gestoppt.
Die Geldhäuser dürften nicht mehr in Pfund handeln und keinerlei Geschäfte in London abwickeln. Auch können russische Firmen und der Staat kein Kapital mehr in London sammeln – sei es durch Aktien oder Anleihen.
Das Vermögen von weiteren hundert Firmen und Einzelpersonen wird eingefroren, hieß es. Die Regierung nannte aber nur fünf weitere Oligarchen, nachdem sie vor einigen Tagen bereits drei Putin-nahe Milliardäre mit Sanktionen belegt hatte. Kritiker hatten gefordert, mindestens die Liste des russischen Regimekritikers Alexej Nawalny zugrunde zu legen. Dieser hatte Sanktionen gegen 35 Oligarchen gefordert.
Zudem werden alle russischen Fluggesellschaften, allen voran Aeroflot, aus dem britischen Luftraum verbannt. Auch soll es strikte Exportkontrollen auf Elektronik-, Telekom- und Raumfahrttechnikgüter geben.
Für die kommenden Monate versprach Johnson erneut eine Reform der Unternehmensgesetzgebung, um Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität in Großbritannien wirksamer zu bekämpfen. „Wir werden Russland Stück für Stück aus der Weltwirtschaft drücken“, sagte Johnson. Der britische Premier befürwortete zudem den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift. Dafür sei jedoch Einigkeit im G7-Kreis notwendig.
Die Schweiz wird nach einem Beschluss der Regierung keine Konten von russischen Amtsträgern einfrieren, die in der EU mit Sanktionen belegt worden sind. Sie werde aber Maßnahmen verschärfen, damit die Schweiz nicht als Umgehungsplattform für die von der EU erlassenen Sanktionen benutzt werden kann, hieß es am Donnerstag.
Bundespräsident und Außenminister Ignazio Cassis verwies zur Erklärung auf die Neutralität der Schweiz. Er verurteilte den russischen Einmarsch in der Ukraine gleichzeitig „aufs Schärfste“.
Beamte erläuterten anschließend, dass russische Staatsbürger mit Konten in der Schweiz, deren Gelder in der EU eingefroren sind, über ihr Geld in der Schweiz frei verfügen und es abziehen können. Geprüft werde, ob Richtlinien so verschärft werden, dass betroffene Personen keine neuen Gelder auf ihre Schweizer Konten überweisen können.
Die Neutralität bedeutet beinhaltet nach Angaben des Außenministeriums unter anderem, dass die Schweiz nicht an Kriegen teilnimmt und alle Kriegsparteien im Hinblick auf den Export von Rüstungsgütern gleich behandelt.
Mit Agenturmaterial
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