Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

20.01.2023

18:04

Ukraine-Krieg

Nach Ramstein-Treffen: Weiter keine Entscheidung über Kampfpanzer

Von: Frank Specht

Laut Verteidigungsminister Pistorius gibt es in der Kampfpanzer-Frage „kein einheitliches Meinungsbild“. Der ukrainische Präsident Selenski mahnt zur Eile.

Der Bundesverteidigungsminister äußert sich zu den Gesprächen auf der US-Air-Base. Reuters

Boris Pistorius spricht zu Journalisten in Ramstein

Der Bundesverteidigungsminister äußert sich zu den Gesprächen auf der US-Air-Base.

Berlin, Ramstein Die Bundesregierung hat noch keine Entscheidung über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine oder die Genehmigung von Lieferungen anderer Länder getroffen. Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erteilte seinem Ministerium aber einen Prüfauftrag, wie viele Panzer der Typen Leopard 1 und 2 aus Bundeswehr- und Industriebeständen verfügbar wären.

„Wir bereiten uns vor für den Fall der Fälle“, sagte Pistorius am Rande des Treffens der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein berieten am Freitag die Verteidigungsminister aus rund 50 Ländern über weitere Unterstützungsleistungen für das von Russland angegriffene Land.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin teilte nach dem Treffen mit, dass es bisher keine Neuigkeiten zur etwaigen Lieferung von Kampfpanzern gebe. Er verwies dabei auf die Äußerungen seines deutschen Amtskollegen. Gleichzeitig nannte er Deutschland aber einen „verlässlichen Verbündeten“, der schon viel zur Unterstützung der Ukraine beigetragen habe. Auf die Frage, ob Deutschland seiner Führungsrolle in Europa angesichts der Zögerlichkeit bei den Panzern gerecht werde, sagte Austin: „Ja, aber wir können alle mehr tun.“

An das Treffen waren hohe Erwartungen geknüpft, dass die Verbündeten bei den Waffenlieferungen an die Ukraine einen weiteren qualitativen Schritt machen und auch Kampfpanzer zur Verfügung stellen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, der sich per Videoschalte erstmals an die Kontaktgruppe wandte, mahnte zur Eile. „Wir müssen schnell handeln“, sagte er. „Der Kreml muss verlieren.“

Länder wie Großbritannien, Polen oder Finnland haben ihre Absicht erklärt, Kampfpanzer der Typen Challenger und Leopard zu liefern. Da die Leopard-Panzer aus deutscher Produktion stammen, müsste die Bundesregierung einer Weitergabe zustimmen. Die Regierung in Warschau hatte klargemacht, dass man notfalls auch liefern werde, ohne die erforderliche Genehmigung aus Berlin abzuwarten.

Laut Pistorius gibt es aber in der Kampfpanzer-Frage bei den Unterstützerländern der Ukraine „kein einheitliches Meinungsbild“. Der Eindruck, es gebe eine geschlossene Koalition und nur Deutschland stehe Lieferungen von Kampfpanzern im Wege, sei falsch, sagte Pistorius, der das Amt des Verteidigungsministers erst am Donnerstag übernommen hatte. „Es gibt gute Gründe für die Lieferung und es gibt gute dagegen.“

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kündigte bei der Eröffnung des Ramstein-Treffens neue Waffenlieferungen der Amerikaner im Volumen von 2,5 Milliarden Dollar an. Allerdings sind in dem Paket keine Kampfpanzer enthalten.

Es sei vielmehr an der Zeit, die Militärhilfen zu verstärken, sagte Austin und sprach von einem entscheidenden Moment für die Ukraine. AP

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein ukrainischer Amtskollege Oleksii Reznikov in Ramstein

Es sei vielmehr an der Zeit, die Militärhilfen zu verstärken, sagte Austin und sprach von einem entscheidenden Moment für die Ukraine.

Vor zwei Tagen hatten verschiedene Medien berichtet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nur dann Leopard-Panzer an die Ukraine liefern wolle, wenn die US-Regierung ihrerseits Abrams-Kampfpanzer bereitstellt. Dazu war die US-Regierung bisher nicht bereit.

Verteidigungsminister Pistorius hatte die Darstellung, es gebe diese Bedingung seitens der Bundesregierung, schon am Donnerstagabend zurückgewiesen. „Ein solches Junktim ist mir nicht bekannt“, sagte er in der ARD. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte am Freitag, es habe „zu keinem Zeitpunkt“ ein Junktim gegeben. Die Bundesregierung bleibe aber dabei, dass es bei allen Waffenlieferungen eine „enge internationale Koordinierung“ gebe, vor allem mit den USA.

Austin bestritt am Abend ebenfalls, dass es einen Zusammenhang zwischen möglichen deutschen und amerikanischen Panzer-Lieferungen gebe.

Zum Drängen der Polen, die der Ukraine 14 Leopard-2-Panzer überlassen wollen, sagte Hebestreit, ihm lägen keine Informationen darüber vor, dass die Regierung in Warschau schon einen Antrag auf Weitergabe der Panzer gestellt habe. Und er gehe davon aus, dass Polen auch Wert auf einen regelbasierten Umgang miteinander lege: „Alle unsere Partner wollen sich sicherlich gesetzestreu verhalten“, sagte er zu der Möglichkeit einer Weitergabe von Leopard-Panzern ohne erforderliche deutsche Genehmigung. Laut Pistorius wurde die Frage der Ausfuhrgenehmigungen in Ramstein besprochen, aber noch nicht entschieden.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums wollte sich am Freitag nicht dazu äußern, ob schon Anträge der Industrie für Panzerlieferungen an die Ukraine vorliegen. Das Handelsblatt hatte berichtet, dass der Konzern Rheinmetall innerhalb von 20 Monaten gut 100 Kampfpanzer liefern könnte. Die Sprecherin sagte nur, die Regierung sei in engem Austausch mit der Industrie und prüfe alle Beschaffungsoptionen.

Die Bundeswehr verfügt nur noch über gut 300 Leopard 2 und kann nicht viele davon abgeben, ohne die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung aufs Spiel zu setzen. Pistorius sagte, sein Ministerium werde nun prüfen, welche Stückzahl an Leopard 1 und 2 es in welchem Zustand bei der Bundeswehr und der Industrie gebe. Auch sei wichtig, dass in Frage kommende Panzer kompatibel mit Fahrzeugen sein müssten, die andere Nationen möglicherweise liefern könnten. Den Leopard 2 gibt es in diversen unterschiedlichen Versionen.

US-Verteidigungsminister Austin mahnte die westlichen Alliierten in Ramstein, in ihrer Unterstützung für die Ukraine jetzt nicht nachzulassen: „Das ist nicht der Moment sich zurückzulehnen.“ Es sei vielmehr an der Zeit, die Militärhilfen zu verstärken, sagte Austin und sprach von einem entscheidenden Moment für die Ukraine.

Treffen in Ramstein

USA fordern mehr Unterstützung für die Ukraine: „Wir müssen nachlegen“

Treffen in Ramstein: USA fordern mehr Unterstützung für die Ukraine: „Wir müssen nachlegen“

Ihr Browser unterstützt leider die Anzeige dieses Videos nicht.

Der ukrainische Präsident Selenski dankte den versammelten Vertretern westlicher Staaten für die bisherige Unterstützung seines Landes. „Wir sehen die Ergebnisse auf dem Schlachtfeld in der Ukraine.“ Den Verteidigern der Freiheit gingen aber langsam die Waffen aus. In Ramstein müssten konkrete Entscheidungen über die Lieferung etwa von Flugzeugen sowie Raketen und Artillerie mit großer Reichweite getroffen werden, um den russischen Terror beenden zu können.

Austin hob das neue US-Hilfspaket für die ukrainischen Streitkräfte hervor, das auch die Lieferung von 59 Schützenpanzern des Typs Bradley und 90 weiteren des Typs Stryker umfasst. Die US-Hilfen an die Ukraine summierten sich damit auf insgesamt 26,7 Milliarden Dollar, wie Austin ausführte. Auch dankte er Ländern, die Luftverteidigungssysteme, Artillerie oder Schützenpanzer bereitstellten. Die Allianz zeige sich geschlossen.

Bundesverteidigungsminister Pistorius betonte, die Unterstützung der Alliierten müsse am konkreten Bedarf der Ukraine ausgerichtet sein. Prioritär sei weiter die Luftverteidigung. Deutschland werde im Februar ein weiteres Abwehrsystem des Typs Iris-T und sieben weitere Flugabwehrpanzer Gepard zur Verfügung stellen.

Außerdem hatte die Bundesregierung zu Beginn des Monats angekündigt, bis zu 40 Schützenpanzer des Typs Marder zu liefern. Insgesamt habe das deutsche „Frühjahrspaket“ einen Wert von rund einer Milliarde Euro, sagte Pistorius. Seit Kriegsbeginn habe die Bundesrepublik die Ukraine damit mit Waffen im Gesamtwert von 3,3 Milliarden Euro unterstützt.

Mit Agenturmaterial.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×