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18.07.2022

18:00

Ukraine-Krieg

Oligarchen klagen wegen Sanktionen gegen EU – Brüssel erwägt Lockerungen

Von: Mareike Müller, Carsten Volkery

PremiumDie Sanktionsliste der EU wächst weiter, zugleich könnten aber einzelne Personen davon gestrichen werden. Abramowitsch und weitere Unternehmer ziehen indes vor Gericht – mit guten Aussichten.

Viele Oligarchen sind von den Sanktionen gegen Russland betroffen. IMAGO/ITAR-TASS

Roman Abramovich

Viele Oligarchen sind von den Sanktionen gegen Russland betroffen.

Brüssel Die EU wird diese Woche ihre Sanktionen gegen Russland erneut verschärfen. Unter anderem will sie Goldimporte aus dem Land verbieten und die Vermögen weiterer einflussreicher Russen einfrieren. Auch die Vorgaben für Dual-Use-Güter, die zivil wie militärisch genutzt werden können, werden ausgeweitet.

Die Entscheidung treffen am Mittwoch die 27 EU-Botschafter in Brüssel. Fünf Monate nach der russischen Invasion in die Ukraine scheint die EU jedoch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu stoßen. Nach dem wochenlangen Streit um das Ölembargo im sechsten Sanktionspaket gibt es vorerst kein Verlangen nach weiteren Energiesanktionen.

Stattdessen begnügen sich die Europäer mit Nachbesserungen der bisherigen Sanktionspakete, die in großer Eile entstanden waren. Die Verantwortlichen wollen daher auch nicht von einem siebten Sanktionspaket sprechen. In Brüssel ist man vorsichtig geworden.

Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge könnten sogar erste Namen von der Sanktionsliste gestrichen werden. In den ersten Monaten des Kriegs hatte die EU Hunderte Einzelpersonen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt.

Vergangene Woche informierte der juristische Dienst der EU-Kommission jedoch die EU-Botschafter, dass die Beweise in einigen Fällen wackelig seien. Ein Kommissionssprecher wollte dies am Montag nicht bestätigen. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu möglichen künftigen Sanktionsentscheidungen. Eine Reihe von Oligarchen hat bereits Beschwerde gegen die Sanktionen eingelegt.

Oligarchen wenden sich an EU-Komission

Manche, wie der Stahlmagnat Alexej Mordaschow und der Düngemittel-Unternehmer Andrej Melnitschenko, haben sich direkt an die Kommission gewandt mit der Bitte, sie von der Liste zu entfernen. Andere sind vor Gericht gezogen: Laut „Wall Street Journal“ haben die Milliardäre Roman Abramowitsch, Alisher Usmanow, Pjotr Awen und Michail Fridman Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EUG) in Luxemburg eingereicht.

Das EUG ist die Instanz, die dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgeschaltet ist. Die vier Männer, die ihr Vermögen mithilfe des russischen Präsidenten Wladimir Putin gemacht haben, bestreiten den Vorwurf der Kremlnähe und fordern die Aufhebung der Sanktionen.

Sanktionsrechtler räumen solchen Klagen gute Erfolgschancen ein. Zunächst hätten die Oligarchen wahrscheinlich Eilrechtsschutz beantragt, erklärt der Frankfurter Anwalt Viktor Winkler. Dies würde in der Regel abgewiesen, weil die Richter der Meinung seien, dass Milliardäre den ihnen entstandenen Schaden verkraften können.

Die auf den Bermudas registrierte Luxusjacht Eclipse, die dem russischen Oligarchen Abramowitsch gehören soll, liegt in einem Hafen im türkischen Marmaris. dpa

Luxusjacht in der Türkei

Die auf den Bermudas registrierte Luxusjacht Eclipse, die dem russischen Oligarchen Abramowitsch gehören soll, liegt in einem Hafen im türkischen Marmaris.

Im anschließenden Hauptsacheverfahren allerdings, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Sanktionen geht, hält Winkler die Chancen für „durchaus gut“, weil die Sanktionslisten teilweise handwerklich schlecht gemacht seien. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Formulierungen in einzelnen Fällen den Richtern zu vage sind“, sagt er.

„Die EU hat sich in vielen Fällen hier ohne Not angreifbar gemacht.“ Wenn der Staat etwa eine Begründung wie „Nähe zum Machtzirkel Putins“ benutze, sei eine Sanktion rechtswidrig, meint Winkler. „Da wird jeder Richter sagen: Wie soll ich das in tatsächlicher Hinsicht überprüfen?“ Der Jurist sieht noch andere Schwachpunkte.

Oligarchen wollen westlichen Lebensstil zurück

So seien die Sanktionen mit heißer Nadel gestrickt worden. Deshalb sei die Gefahr groß, dass Tatsachenbehauptungen nicht stimmten. Auch dürften Sanktionen eigentlich kein vergangenes Handeln bestrafen. Die Vorwürfe gegen Abramowitsch aber drehten sich praktisch nur um die Vergangenheit. „Das ist politisch überzeugend, rechtlich aber nicht“, so Winkler.

Maria Shagina, Sanktionsexpertin beim International Institute for Strategic Studies (IISS) in London, weist darauf hin, dass es viele Präzedenzfälle für erfolgreiche Klagen gegen EU-Sanktionen gebe. Als Beispiel nennt sie die 22 Oligarchen und Beamten, die die EU einst wegen Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine sanktionierte.

Heute stehe nur noch eine Handvoll auf der Liste. Die Motivation der klagenden russischen Oligarchen ist für Shagina klar: „Das ist ein Schritt zurück zu ihrem westlichen Lebensstil, den sie wegen der Sanktionen verloren haben.“ Die EU-Kommission hat die Entschlossenheit der Geschäftsleute derweil offenbar unterschätzt. „Die Erwartung war, dass niemand gegen seine Designation klagen wird“, sagt Winkler.

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