Wladimir Putin im Kreml bei seiner Ankündigung
Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerasimow lauschen den Befehlen ihres Präsidenten.
Bild: imago images/ITAR-TASS
Aus Moskau kommen die nächsten Drohgebärden. Der russische Präsident begründet den Schritt nicht nur mit den Sanktionen des Westens, sondern auch mit dem Verhalten der Nato.
Moskau Der russische Präsident Wladimir Putin hat angewiesen, die Abschreckungswaffen der Atommacht in besondere Alarmbereitschaft versetzen zu lassen. Das ordnete Putin am Sonntag in einem vom Kreml verbreiteten Video an. Er sprach von „Abschreckungswaffen“, nicht explizit von „Atomwaffen“.
„Wie Sie sehen können, ergreifen die westlichen Länder nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht unfreundliche Maßnahmen gegen unser Land“, sagte Putin im staatlichen TV. „Ich meine die illegalen Sanktionen, die jeder sehr gut kennt.“ Zudem erlaubten sich Spitzenvertreter der führenden Nato-Länder auch „aggressive Äußerungen gegenüber unserem Land“.
Die USA, Japan und die EU wollen bestimmte russische Banken vom Zahlungssystem Swift ausschließen. Zudem soll es andere Sanktionen gegen Russland geben.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Generalstabschef habe er angewiesen, die nuklearen Abschreckungskräfte in ein „spezielles Regime“ der Kampfbereitschaft zu versetzen, teilte er am Sonntag bei einem Treffen mit seinen Spitzenberatern mit. Seine Order bedeutet, dass russische Atomwaffen in eine erhöhte Startbereitschaft versetzt werden. Putin hatte in den vergangenen Tagen bereits mit furchtbaren Folgen gedroht, sollte ein Land im Ukrainekonflikt direkt intervenieren.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich in einer ersten Reaktion besorgt über Putins Entscheidung. „Das zeigt, wie ernst die Lage ist und warum wir wirklich zusammenstehen müssen (...)“, sagte er am Sonntag in einem BBC-Interview.
Dem TV-Sender CNN sagte er, Putins Aussagen seien eine „gefährliche Rhetorik“. Man sei nun mit einer „neuen Normalität“ für die eigene Sicherheit konfrontiert.
Zu einer möglichen Reaktion der Nato auf Putins Ankündigung machte er zunächst keine Angaben. Automatismen für einen solchen Fall gibt es nach Bündnisangaben nicht. Nato-Entscheidungen müssen von allen 30 Mitgliedstaaten im Konsens getroffen werden. Die Nato-Atommächte USA, Frankreich und Großbritannien könnten aber bereits reagieren.
Die amerikanische Uno-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte dazu live in einer US-Nachrichtensendung des Senders CBS, Putin eskaliere den Krieg in einer völlig inakzeptablen Art und Weise. Das müsse in der stärkstmöglichen Art und Weise verurteilt werden.
Die US-Regierung erklärt, dass Russland von der Nato zu keiner Zeit bedroht worden sei. Dass Präsident Wladimir Putin die Atomstreitkräfte jetzt in Alarmbereitschaft versetzt habe, folge einem Muster, sagt die Sprecherin des Präsidialamtes in Washington, Jen Psaki. Putin konstruiere Gefahren, die es nicht gebe, um damit eine russische Aggression zu rechtfertigen. „Wir werden dem entgegentreten“, sagt Psaki. „Wir haben die Fähigkeit, uns zu verteidigen.“
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte in Bezug auf die Gesamtlage: „Wir haben keine konkreten Hinweise, dass es tatsächlich dazu kommt, dass Putin ein Nato-Mitglied oder Nato-Länder angreift“, sagt die SPD-Politikerin in der ARD. Aber man müsse vorbereitet sein. Zudem seien die Menschen im Baltikum in Sorge.
Die FDP-Sicherheitspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wertete im Nachrichtenkanal Phoenix Putins Befehl, die Abschreckungsstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, als ein Zeichen dafür, dass der russische Präsident offensichtlich von der Geschlossenheit der Nato und der EU „komplett überrascht“ ist.
Die Ukraine wiederum sieht Putins Ankündigung als Versuch, „zusätzlichen Druck auf die ukrainische Delegation auszuüben“, sagte der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba am Sonntag vor Journalisten. Er bezog sich damit auf Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die noch am Sonntag beginnen sollten. „Aber wir werden diesem Druck nicht nachgeben.“
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri erklärte nach Putins Rede, dass es nicht damit rechne, dass der Ukrainekrieg zum Einsatz von nuklearen Waffen führen wird. „Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrscheinliche Folge dieser Krise ist“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith der Deutschen Presse-Agentur in Skandinavien. „Wenn Atomwaffen existieren, dann gibt es aber leider natürlich immer diese kleine Möglichkeit. Und das wäre katastrophal.“
In Moskau und anderen russischen Städten gingen schon vor der Ausstrahlung der Videobotschaft Putins im Fernsehen Menschen gegen die russische Invasion in die Ukraine auf die Straße, nach der Ansprache verstärkten sich die Proteste noch. Demonstranten riefen „Nein zum Krieg!“.
Anti-Kriegsprotest am Sonntag in Moskau
Eine Demonstrantin mit Plakaten, auf dem linken steht „Kein Krieg“.
Bild: Reuters
Die Antikriegsproteste hatten am Donnerstag begonnen, nachdem russische Truppen in die Ukraine einmarschiert waren. Hunderte Demonstranten wurden seitdem täglich festgenommen. Die Proteste am Sonntag scheinen kleiner als die am Donnerstag zu sein, als sich Tausende in Moskau und St. Petersburg versammelten. Das wahre Ausmaß war aber schwer einzuschätzen.
In St. Petersburg, wo sich Dutzende im Stadtzentrum versammelten, ergriffen Polizisten einen nach dem anderen und zerrten sie in Polizeifahrzeuge – obwohl die Demonstration friedlich verlief und es keine Zusammenstöße gab. Die Menschenrechtsgruppe OWD Info, die die Proteste beobachtet, teilte mit, bis Sonntagnachmittag habe es in 32 russischen Städten mindestens 356 Festnahmen bei Antikriegskundgebungen gegeben.
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