Immer mehr Unternehmen geben ihr Geschäft in Russland wegen der russischen Invasion in die Ukraine auf. Der Kreml will dies nicht unbestraft lassen.
McDonalds's-Filiale in Moskau
Auf den US-amerikanische Fast-Food-Konzern könnte schon bald eine Enteignung in Russland zukommen.
Bild: Reuters
Moskau Der McDonald’s an der Metrostation Baumanskaja im Zentrum Moskaus ist rappelvoll. In der Nähe gibt es gleich mehrere Universitäten, darunter mit der Bauman MSTU eine der größten technischen Hochschulen Russlands. Viele Studenten sitzen in der Mittagspause im Schnellrestaurant – vielleicht zum letzten Mal.
Darja an der Kasse hat alle Hände voll zu tun, um die Schlange abzufertigen. Bis zum 14. März wird sie hier noch arbeiten. Und dann? „Keine Ahnung“, sagt Darja kurz angebunden und winkt den nächsten Kunden heran.
Es ist ein brisantes Thema: Am Mittwoch hatte McDonald’s den vorläufigen Stopp seines Russlandgeschäfts verkündet. 850 Filialen betreibt der Konzern landesweit und beschäftigt dabei rund 60.000 Mitarbeiter. Darüber hinaus kooperiert McDonald’s eigenen Angaben nach mit 160 Zulieferern in Russland, an denen weitere 100.000 Beschäftigte hängen.
McDonald’s ist nur eines von inzwischen rund 400 Unternehmen, die nach der russischen Invasion in der Ukraine ihren Rückzug aus Russland verkündet haben. Betroffen sind alle Bereiche vom Öl- und Gassektor über die Bau- und Finanzbranche, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie bis hin zum Automobilbau, Luftfahrtsektor und den Branchen Telekom, Elektronik, Software und Internet.
Branchenriesen wie Visa und Mastercard, Coca-Cola, VW, Siemens, Apple, Cisco, Dell, Facebook, SAP und Canon kehren dem Land den Rücken. Und es folgen immer mehr: Der japanische Bekleidungseinzelhändler Uniqlo, dessen Besitzer Tadashi Yanai noch vor wenigen Tagen erklärt hatte, trotz der Sanktionen in Russland zu bleiben, hat nun die Schließung seiner Geschäfte nach dem 20. März verkündet.
Schon gleich zu Beginn der Auswanderungswelle der westlichen Unternehmen hatte Ex-Präsident Dmitri Medwedew den internationalen Konzernen mit einer Verstaatlichung ihrer Betriebe in Russland gedroht. Diese Ankündigung nimmt nun langsam Gestalt an: Die Regierung berät eine Gesetzesinitiative der Kremlpartei „Einiges Russland“ über die Einsetzung eines Insolvenzverwalters in den entsprechenden Unternehmen.
Diese Insolvenzverwaltung soll in zwei Fällen bestimmt werden können:
Im ersten Fall soll der Insolvenzverwalter für drei Monate eingesetzt werden, im zweiten für sechs Monate. Im zweiten Fall hätten die Eigner auch die Möglichkeit, die staatliche Maßnahme rückgängig zu machen, wenn sie vor Gericht erklären, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Als Insolvenzverwalter kommen demnach Vertreter der staatlichen Infrastrukturbank VEB oder der Agentur für Einlagensicherung infrage. Die Agentur kümmert sich allerdings nur um Finanzinstitute, alle anderen Unternehmen fallen in den Aufgabenbereich der VEB.
Die Insolvenzverwalter sollen den Kreml-Plänen nach die Weiterbeschäftigung der Angestellten sichern und Inventur machen. Ihre Hauptaufgabe bestünde darin, im Laufe eines Bankrottverfahrens auf Basis der alten Organisation eine neue zu schaffen.
Die Aktien des so entstandenen neuen Unternehmens sollen dann per Auktion verkauft werden. Findet sich kein Käufer, so wird der Betrieb verstaatlicht.
Auf einer ersten Liste der Betriebe, die verstaatlicht werden könnten, sind bislang rund 60 Unternehmen aufgetaucht. Darunter sind auch die deutschen Automobilbauer VW und Porsche.
VW betreibt seit 2007 eine Fabrik in der 170 Kilometer südwestlich von Moskau gelegenen Großstadt Kaluga, die sich auch dank der VW-Ansiedlung zu einem Automobilcluster in Russland entwickelt hat. In der Fabrik mit einer Kapazität von jährlich 225.000 Fahrzeugen liefen bis vor Kurzem noch die Modelle VW Tiguan, Polo und der Skoda Rapid vom Band. Daneben lässt der Konzern beim russischen Autobauer Gaz mit Sitz in Nischni Nowgorod montieren.
Insgesamt belaufen sich allein die deutschen Direktinvestitionen in Russland nach Einschätzung der Bundesbank mit Stand 2019 auf 24,6 Milliarden Euro. Deutsche Unternehmen gehörten damit bis zum Kriegsausbruch zu den größten ausländischen Investoren in Russland.
Doch das scheint Geschichte. Während das russische Wirtschaftsministerium die drohenden Enteignungen noch als Stimulus bezeichnete, der ausländische Konzerne dazu bewegen soll, ihren Rückzug aus Russland noch einmal zu überdenken, haben andere Politiker aus der russischen Führung schon Gefallen an der Enteignung gefunden.
Der Chef der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, jedenfalls gab sich beinahe euphorisch. Wenn McDonald’s schließen wolle, sei das kein Problem, schließlich seien 100 Prozent der Zutaten dort aus russischer Produktion. „Schon morgen sollte da dann aber kein McDonald’s, sondern ein „Onkel Wanja“ sein“, forderte er.
Dann könnten auch gleichzeitig die Preise gesenkt und könnte die Beschäftigung gesichert werden. „Das muss die Herangehensweise sein“, sagte Wolodin.
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