Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

11.03.2022

12:01

Ukraine-Krieg

Schröder überrascht mit Besuch in Moskau – Treffen mit Putin

Von: Martin Greive, Dietmar Neuerer, Marc Renner, Thomas Sigmund

PremiumOffenbar hat die Ukraine den Altkanzler um die Vermittlung gebeten. Bundeskanzleramt und SPD-Spitze waren über die Reise nicht informiert. Die Union sieht Schröders Aktion kritisch.

Der frühere Bundeskanzler soll den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau treffen. imago images/Jens Schicke

Gerhard Schröder

Der frühere Bundeskanzler soll den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau treffen.

Berlin Altkanzler Gerhard Schröder ist überraschend nach Moskau gereist, um Kremlchef Wladimir Putin zu treffen. Schröder wolle dort im Ukrainekonflikt vermitteln, berichtet das Nachrichtenportal „Politico“. Schröder und Putin sind seit Jahren eng befreundet. 

Schröder soll bereits vor Tagen von der Ukraine um Vermittlung gebeten worden sein, habe sich mit einer ukrainischen Delegation im türkischen Istanbul getroffen und werde nun in Moskau mit Putin über den Ukrainekrieg sprechen. Nach dpa-Informationen fand ein erstes Gespräch zwischen Schröder und Putin am Donnerstag statt. Ob weitere geplant sind, blieb zunächst unklar.

Dass Schröder tatsächlich in Moskau weilt, lässt ein Foto vermuten, das seine Ehefrau am Donnerstagabend auf ihrem Instagram-Account veröffentlichte. Es zeigt Soyeon Schröder-Kim in einem Zimmer mit Blick auf die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau. Sie faltet mit geschlossenen Augen die Hände frömmelnd zum Gebet. Einen Kommentar schrieb sie zu diesem Bild nicht.

In der türkischen Hafenstadt Antalya verhandelten zuvor die Ukraine und Russland ergebnislos über eine mögliche Waffenruhe. „Die Ukraine wollte offenbar nichts unversucht lassen und sehen, ob Schröder eine Brücke für den Dialog mit Putin bauen kann“, verlautete von einer mit der Sache vertrauten Person. 

Laut „Politico“ soll sich die ukrainische Seite über den Vorstandschef des Schweizer Verlagshauses Ringier, Marc Walder, an Schröder gewandt haben. Schröder war seit 2006 für Ringier tätig. Sein Beratermandat für den Verlag wurde kürzlich auf Eis gelegt.

Über Ringier soll Schröder demnach gebeten worden sein, am Montag zu einem Treffen mit einer ukrainischen Delegation nach Istanbul zu reisen. Schröders wichtigster Gesprächspartner während des Treffens sei der ukrainische Abgeordnete Rustem Umerov gewesen, heißt es in dem Bericht weiter.

Ukrainischer Botschafter weiß nichts von Moskau-Reise Schröders

Umerov habe erklärt, er sei vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski entsandt worden, verbunden mit der Hoffnung, Schröder könne zumindest helfen, einen Waffenstillstand mit Putin auszuhandeln. Schröder habe sich bereit erklärt zu vermitteln.

Schröders anschließende Bitte bei Putin um ein Treffen soll innerhalb von zehn Minuten positiv beantwortet worden sein. Am Mittwoch seien Schröder und Schröder-Kim dann mit einer russischen Maschine nach Moskau gebracht worden.

Eine offizielle Bestätigung für die Darstellung gab es zunächst nicht. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Mir ist davon nichts bekannt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass meine Regierung Schröder darum gebeten hat.“

Und auch Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte Gespräche von Schröder und Putin am Freitag nicht. Er sagte angesprochen auf ein mögliches Treffen der Agentur Interfax zufolge: „Ich habe keine Informationen zu Schröder. Ich kann Ihnen nichts sagen.“

Noch vor einer Woche hatte Melnyk vorgeschlagen, dass Schröder zwischen der Ukraine und Russland vermitteln solle. „Er ist einer der wenigen hier in Deutschland, die womöglich noch einen direkten Draht zu Herrn Putin haben. Es gibt keinen, der so etwas hat in Deutschland und den anderen europäischen Ländern“, sagte der Botschafter der „Bild“.

Die Bundesregierung und die Partei Schröders, die SPD, traf das völlig unvorbereitet. Nach Handelsblatt-Informationen waren weder das Bundeskanzleramt noch die Parteispitze über die Reise informiert, sondern sie haben nur aus der Presse davon erfahren. Man werde sehen, ob und was Schröder auf seiner Reise bewegen werde, hieß es.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde am Rande eines EU-Gipfels im französischen Versailles auf den Vorgang angesprochen. Er sagte dazu lediglich: „Ich möchte das nicht kommentieren.“

Heftige Kritik an Schröder wegen Putin-Nähe

Bei anderen Sozialdemokraten stieß die Aktion Schröders auf ein positives Echo. „Alles, was hilft, diesen grauenvollen Krieg in der Ukraine zu stoppen, ist gut“, sagte Parteichef Lars Klingbeil dem „Spiegel“.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), begrüßte die Bemühungen des Altkanzlers. „Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringen“, sagte Roth im ZDF. Die Menschen in der Ukraine hätten das verdient. „Deswegen drücke ich die Daumen.“

Der Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Roderich Kiesewetter (CDU), äußerte sich kritisch zu dem „Politico“-Bericht. Grundsätzlich gelte gerade in Bezug auf Russland „äußerste Vorsicht bei Nachrichten, Meldungen und den damit bezweckten Narrativen“, sagte Kiesewetter dem Handelsblatt. „Wir erleben gerade auch einen Informationskrieg Putins, das muss im Auge behalten werden.“

Gleichwohl seien eigentlich alle Bestrebungen und Versuche richtig, „Putin von seinem Irrweg abzubringen“. In Bezug auf das Engagement von Altkanzler Schröder bezweifle er aber, ob dies der Gesamtsituation dienlich sei, betonte Kiesewetter. „Putin hat Völkerrecht gebrochen, er bombardiert bewusst die Zivilbevölkerung der Ukraine, und Herr Schröder steht weiterhin in russischen Diensten.“



Der Altkanzler sei Lobbyist Russlands und habe mit zu der „problematischen Abhängigkeit im Energiesektor und zum jahrelang fragwürdigen Russlandbild beigetragen“. „Insofern sehe ich ihn nicht als glaubwürdigen Vermittlungspartner“, sagte der CDU-Politiker.

Schröder steht in der SPD-Spitze seit Wochen stark in der Kritik, dem Altkanzler droht sogar ein Parteiausschlussverfahren. Schröder arbeitet seit vielen Jahren als Gas-Lobbyist für Putin. Er engagiert sich für die Energieunternehmen Nord Stream 1 und 2 sowie den Ölkonzern Rosneft, wo er Aufsichtsratschef ist. Zudem soll Schröder einen Aufsichtsratsposten für Gazprom übernehmen.

Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt

Die SPD-Spitze hatte wiederholt Schröder aufgefordert, seine Mandate niederzulegen, und ihm ein Ultimatum gesetzt. „Die Uhr tickt“, hatte SPD-Parteichef Lars Klingbeil erklärt.

Diese Woche hatten Klingbeil und seine Co-Chefin Saskia Esken gemeinsam mit acht früheren SPD-Chefs in einem Brief Schröder abermals zur Distanzierung von Putin aufgerufen. „Handle und sage klare Worte“, forderten sie darin. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bezeichnete den Brief am Donnerstag als „deutliches Signal“. Über eine Antwort des früheren Parteivorsitzenden wurde bisher nichts bekannt.

Der SPD-Ortsverein Heidelberg hat bereits unabhängig davon ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt, das derzeit geprüft wird. Die SPD löschte Schröder zudem aus einer Online-Ahnengalerie.

Doch nicht nur in der SPD ist Schröder in Ungnade gefallen. Die Arbeiterwohlfahrt entzog Schröder dem im Jahr 2005 verliehenen Heinrich-Albertz-Friedenspreis, der Fußballverein Borussia Dortmund die Ehrenmitgliedschaft, die Stadt Hannover die Ehrenbürgerschaft. Und auch der Deutsche Fußball-Bund entzog Schröder an diesem Freitag einstimmig die Ehrenmitgliedschaft.

Gute Beziehung zu Putin und seinen Mandaten

Schröder verurteilte zwar den Krieg Russlands gegen die Ukraine, hielt aber an seiner guten Beziehung zu Putin und seinen Mandaten fest. Gegenüber Vertrauten soll er argumentieren, er sehe sich im Recht, und alle anderen hätten unrecht. Anrufe aus der SPD und von alten Weggefährten soll der 77-Jährige unbeantwortet lassen.

Öffentlich hatte sich am vergangenen Samstag seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim auf Instagram zu Wort gemeldet und in einem Post ihren Mann verteidigt. Sie sei entsetzt, mit welcher Eilfertigkeit die SPD in der Führung, aber auch in vielen Grundorganisationen eine Kampagne gegen ihren Mann unterstütze, schrieb Schröder-Kim in ihrem Beitrag.

„Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun, und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB.“

Schon zuvor hatte Schröder-Kim ihren Mann als möglichen Friedensvermittler ins Spiel gebracht, einen entsprechenden Post kurz darauf aber wieder gelöscht. Nun ist Schröder tatsächlich in Moskau. Ob er dort etwas bewegen kann, ist Stand jetzt völlig offen.

Mehr: Altkanzler Schröder verliert alle Mitarbeiter im Bundestagsbüro

Kommentare (8)

Selber kommentieren? Hier zur klassischen Webseite wechseln.  Selber kommentieren? Hier zur klassischen Webseite wechseln.

Account gelöscht!

10.03.2022, 16:44 Uhr

Beitrag von der Redaktion gelöscht. Unterstellungen und Verdächtigungen ohne Bezug oder glaubwürdige Argumente, die durch keine Quellen gestützt werden, sind nicht erwünscht.
https://www.handelsblatt.com/impressum/netiquette/

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×