Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

23.09.2022

17:43

Ukraine-Krieg

Schusswunden im Kopf: UN-Kommission bestätigt Kriegsverbrechen in der Ukraine

Von: Jan Dirk Herbermann

Ermittler der Vereinten Nationen haben eindeutige Beweise für Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen im Ukraine-Krieg gefunden. Russland verweigert eine Zusammenarbeit mit der Kommission.

Ukraine-Krieg, Ermittler in Charkiw dpa

Ermittler in Charkiw

Viele Kriegsverbrechen wurden in Gebieten begangen, die zeitweise von russischen Truppen besetzt gewesen sind.

Genf Das Ausmaß der Kriegsverbrechen in der Ukraine wird immer deutlicher. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (UN) hat am Freitag Zwischenergebnisse ihrer Ermittlungen über den russischen Angriffskrieg präsentiert: Bei den Verbrechen handelt es sich etwa um den illegalen Einsatz von Explosivwaffen in dicht besiedelten Gebieten, wahllose militärische Angriffe, Exekutionen, Folter, Misshandlungen sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt.

Der Vorsitzende der Kommission, der norwegische Richter Erik Mose, betonte vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf: „Wir sind besorgt über das Leid, das der internationale bewaffnete Konflikt in der Ukraine über die Zivilbevölkerung gebracht hat.“ Die Kommission ermittelte vor Ort in den Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy. Aufgrund der gesammelten Beweise sei die Kommission „zu dem Schluss gekommen, dass in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen wurden“, erklärte der Vorsitzende.

Mose fügte hinzu, dass die Kommission derzeit Exekutionen in 16 Städten und Siedlungen untersuche und glaubwürdige Anschuldigungen über viele weitere derartige Fälle erhalten habe. „Wir waren erstaunt über die große Zahl von Hinrichtungen in den von uns besuchten Gebieten.“ Die Opfer seien vorher inhaftiert worden und trügen sichtbare Zeichen der Hinrichtung: auf dem Rücken gefesselte Hände, Schusswunden im Kopf und aufgeschlitzte Kehlen.

Zeugen hätten der Kommission übereinstimmend von Misshandlungen und Folter während der Inhaftierung berichtet. Einige der Opfer gaben zu Protokoll, dass sie nach ihrer Festnahme in der Ukraine nach Russland verschleppt worden sein. Dort seien sie wochenlang eingesperrt und Folter und Misshandlung ausgesetzt gewesen.

Die Ermittler dokumentierten zudem Vergewaltigungen durch „einige Soldaten der Russischen Föderation“. Das Alter der Opfer von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt reichte den Angaben nach „von vier bis 82 Jahren“.

Russland streitet Kriegsverbrechen ab

Besonders leiden laut der Kommission Kinder unter dem russischen Überfall. Sie erleben Explosionen, werden verletzt, zwangsumgesiedelt und von Familienmitgliedern getrennt. Laut früheren UN-Ermittlungen entführen die Besatzer ukrainische Kinder nach Russland.

Die Kommission dokumentierte auch zwei Fälle von Misshandlungen russischer Soldaten durch ukrainische Einheiten. „Auch wenn es nur wenige solcher Fälle gibt, ist die Kommission weiterhin mit ihnen befasst“, hieß es.

Russlands Präsident Wladimir Putin ließ seine Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschieren. Offiziell streitet die russische Seite alle Kriegsverbrechen ab. Der Kommissionsvorsitzende Mose erklärte: „Wir haben versucht, mit russischen Behörden Kontakt aufzunehmen.“ Jedoch hatte Mose keinen Erfolg.

Die Kommission sammelt im Auftrag des Menschenrechtsrats Beweise über Verbrechen in der Ukraine. Im März 2023 will sie ihren Abschlussbericht vorlegen, der bei möglichen Kriegsverbrecherprozessen verwendet werden könnte. Daneben laufen weitere länderübergreifende Ukraine-Ermittlungen etwa durch den Internationalen Strafgerichtshof.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×